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Düstere Zukunft für die Elfenbeinküste?

20. Oktober 2010

Ende Oktober sollen die Ivorer einen neuen Präsidenten wählen. Doch ob sich am Ende politisch etwas ändert ist fraglich. Trotzdem wird der anstehende Wahltermin mit Spannung erwartet.

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Studenten Abidjan (Foto:DW)
Die Studenten der Sorbonne in Abidjan hoffen auf gerechte Wahlen...Bild: DW

Mitten in Abidjan, dem politischen und wirtschaftlichen Zentrum des Landes, liegt die Universität Sorbonne. Sie ist Stammtisch, schwarzes Brett und Forum in einem. Wer möchte kann hier täglich zwischen zwölf und drei Uhr in aller Öffentlichkeit einen Vortrag halten. Auf braunen Holzbänken sitzen junge Männer mitten auf einem belebten Marktplatz, um den der Verkehr kreist. Die Opposition aus Benin und aus dem Senegal sei schon dagewesen, auch die Zivilgesellschaft in Nigeria habe eine Delegation geschickt, erzählt der Präsident der Sorbonne, Jeremy Soukrou. Man leiste einen wichtigen Beitrag zur Information der ivorischen Gesellschaft, betont er. Für Soukrou steht bereits fest, wem die Mehrzahl der Menschen hier auf dem Platz im Zentrum von Abidjan ihre Stimme geben wird: "Im Augenblick sprechen wir viel über Politik. Denn wir alle unterstützen das Programm von Präsident Gbagbo, das wir richtig finden. Wir sind bereit, ihn zu unterstützen, die Institutionen unseres Landes zu schützen und sein Leben zu verteidigen und in gewisser Weise auch die Zivilgesellschaft unseres Landes." An der Sorbonne ist die Sache mit der Wahl also schon entschieden. Die Männer im Maquis, der offenen Bar mitten auf dem Markt, haben eine klare Meinung: Ja zu Präsident Gbagbo, nein zu Einmischungen von außen und nein zum französischen Einfluss, der das Land immer noch prägt.

"Gbagbo blockiert Wahlprozess"

Abidjan(Foto:DW)
...die das Land verändern...Bild: DW

Was den richtigen Kandidaten angeht, da gehen die Meinungen innerhalb der Bevölkerung aber durchaus auseinander. Einig sind sich alle Ivorer zumindest in einem: der politische Stillstand muss endlich beendet werden. Dass das so lange heraus gezögert worden wäre, daran habe doch vor allem Präsident Gbagbo ein Rieseninteresse, sagt ein etwa 30-jähriger Mann, der vor dem Markt Treichville in Abidjan auf seine Frau wartet: "Auf politischer Ebene versucht der amtierende Präsident alles, um an der Macht zu bleiben. Er blockiert den ganzen Prozess." Bereits seit fünf Jahren warten die Ivorer nun schon auf Wahlen. Doch ob die übrigen Kandidaten an einer echten Politik für alle Ivorer interessiert sind, bezweifeln die Menschen in der Elfenbeinküste ebenso. Insgesamt gibt es 14 Bewerber für das Präsidentenamt. Die drei wichtigsten Kandidaten, der amtierende Präsident Laurent Gbagbo sowie Henri Konan Bedié und Alassane Dramane Ouattara, streiten schon seit den 90er Jahren um die Macht. Alle drei gelten als "Old Boys" der ivorischen Politik. Ihnen gehören eigene Zeitungen und auch ihre Parteien sind gut organisiert. Doch das gilt inzwischen auch für die Rebellen der Forces Nouvelles, zu Deutsch "Neue Kräfte". Ihr Chef Guillaume Soro ist seit 2007 Regierungschef.

Agressive Mobilisierung der Wähler

Präsident Gbagbo(Foto:DW)
...denn viele Ivorer sind mit der Politik von Präsident Gbagbo nicht mehr zufrieden...Bild: Picture-Alliance/dpa

Die Atmosphäre im Wahlkampf ist hitzig und läuft nach dem Prinzip: viele Vorwürfe in Richtung der anderen, aggressive Mobilisierung der Parteibasis und wenig Programm. So arbeiten auch die Zeitungen und feuern das explosive Klima weiter an mit fett gedruckten Titeln wie: "Gbagbo wird alleine fallen!", "Wem wird die Armee nun folgen?!", "Die Wut wächst! weiter an". Ganz gleich welcher Kandidat nun Ende Oktober gewinnen wird - es ist zu befürchten, dass er nur im eigenen Lager akzeptiert wird. Davon geht auch Sissi aus, den ich auf dem Markt in Yamoussoukro beim Einkaufen treffe. Der knapp 50-Jährige spürt deutlich, wie die politische und wirtschaftliche Krise das Land und seine Menschen verändert hat: "Es herrscht heute eine große Vertrauenskrise in der ivorischen Gesellschaft. Das liegt daran, dass viele vieles verloren haben, dass einige während der Auseinandersetzungen getötet wurden." Begegneten sich heute zwei Ivorer, dann würden diese sich fragen: ist das ein Bruder, mein Freund? Oder hat er auf der anderen Seite gestanden? Die meisten Ivorer haben eine klare Vorstellung davon, wie ihr Land mit einem neuen Präsidenten aussehen soll: die Wirtschaft so stark wie vor der Krise, als die Elfenbeinküste das wirtschaftliche Herz ganz Westafrikas war und ein funktionierendes Bildungssystem, Arbeit für alle. Sollten die Wahlen auch diesmal wieder verschoben werden, dann befürchten viele, dass ihr Land wieder in Anarchie und Chaos zurückfällt:

Verlierer in der Krise

"Wenn das so weitergeht, wird es zu einem Aufstand kommen. Die Preise sind sehr hoch. So kann man kaum seinen Lebensunterhalt bestreiten." Yeli ist Mitte vierzig, fährt mit ihrem Nissan-Jeep zum Einkaufen ins Zentrum von Abidjan. Dort steht sie am Maniokstand, auf dem Markt von Treichville. Die Muttter von zwei Kindern fragt sich, warum das Land so lange auf Wahlen warten musste. Auch zweifelt sie am politischen Willen der Kandidaten, für Frieden zu sorgen. "Wir haben hier wirklich alles um Erfolg zu haben, das einzige, was unsere Politiker dafür tun müssen, ist endlich Frieden zu schaffen. Wir haben genug, wir haben wirklich die Nase voll!"

Elfenbeinküste, Yamoussoukro (Foto:DW)
...und hoffen auf eine bessere Zukunft und ein baldiges Ende der wirtschaftlichen und politischen KriseBild: DW

Das geht auch Amadou Traoré so. Er steht stellvertretend für die Generation der unter Dreißigjährigen im Land. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 25. Viele von ihnen sind hervorragend qualifiziert und haben Abitur und Hochschulabschlüsse in der Tasche. Wie Amadou, der unter anderem Englisch studiert hat, aber keine Arbeit findet. Er fährt Taxi und ist sich sicher: Wenn der Wahltermin erneut verschoben wird, gibt es wieder Unruhen. "Solange wir diese politischen Führer haben, geht es doch nur um die Vergangenheit und nicht um die Zukunft. Es ist wirklich Zeit, dass die Elite endlich abgelöst wird und es einen Generationswechsel gibt und neue junge Leute an die Macht kommen." Er sei sich sicher, dass sich die Jugend eines Tages gegen diese Elite wehren werde, das sehe man ja bereits an den Entwicklungen im Niger, sagt Amadou. Die Spannungen sind spürbar in der Elfenbeinküste und sie betreffen schon lange nicht mehr nur die Armen im Land. Das Rückgrat der ivorischen Wirtschaft und Politik ist längst genauso betroffen: die gut Gebildeten, die Jungen und die Mittelklasse.

Autorin: Ute Schaeffer

Redaktion: Michaela Paul