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Der Trainer, der neue Wege geht

Jonathan Harding in Osnabrück
29. Januar 2019

Drittligisten sorgen selten für Schlagzeilen. Anders der VfL Osnabrück: Er ist nicht nur Spitzenreiter, sondern hat mit Daniel Thioune den ersten in Deutschland geborenen, schwarzen Cheftrainer eines Profiklubs.

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Daniel Thioune, Trainer VfL Osnabrück
Bild: picture-alliance/dpa/augenklick/firo Sportphoto

Als Daniel Thioune, Cheftrainer des VfL Osnabrück, den kleinen Presseraum betritt, der gleichzeitig als Vereinsmuseum dient, nimmt er sich erst einmal die Zeit, alle zu begrüßen und jedem die Hand zu schütteln. Dann sprechen Thioune und der Sportdirektor des Klubs, Benjamin Schmedes, über das anstehende Spiel und die Ankunft eines neuen Innenverteidigers. Anschließend räumt der Pressesprecher des Vereins die Stühle beiseite. Alltag bei einem Drittligisten. Weniger alltäglich ist die Tatsache, dass Thioune der einzige schwarze Cheftrainer in den drei deutschen Top-Ligen ist und dass seine Mannschaft des VfL Osnabrück an der Tabellenspitze steht.

"Ich habe ein paar mehr Hürden gesehen als andere", sagt Thioune der DW. "Meine Hautfarbe mag vielleicht eine Rolle dabei gespielt haben, dass ich einige Hürden nicht überwinden konnte. Aber beschwören kann ich es nicht." Thioune, geboren nahe Osnabrück, begann als Jugendlicher im Verein Fußball zu spielen, verlor dann aber vorübergehend den Spaß daran. Als er ihn wiedergefunden hatte, machte er seinen Weg durch die Amateurligen und wurde schließlich Profi. Für den VfL Osnabrück und Rot Weiß Ahlen bestritt er insgesamt mehr als 120 Zweitliga-Spiele.

Lektionen gelernt

Mit Mitte 30 wechselte Thioune ins Trainergeschäft. Er betreute die Jugendmannschaften der Osnabrücker, arbeitete als Talentscout und setzte seine Fußballphilosophie in der Jugendakademie des Vereins um. Beim DFB absolvierte Thioune den Trainerlehrgang. Zu seinen Klassenkameraden gehörte der Hoffenheimer Bundesliga-Coach Julian Nagelsmann, mit dem der 44-Jährige auch heute noch in Kontakt steht. "Ich habe gelernt, dass man im Leben jede Stufe einzeln nehmen muss und dass es deshalb vielleicht manchmal ein bisschen länger dauert", sagt Thioune. "Aber auch wenn der Weg etwas steiniger ist, weiß ich, dass ich ihn trotzdem gehen kann."

Nach etwas mehr als einem Jahr auf dem Posten des Cheftrainers ist Thioune auf seinem Weg bereits weiter gekommen, als viele erwartet haben dürften: Osnabrück steht an der Spitze der dritten Liga. Der Aufstieg wäre nicht nur ein weiterer bemerkenswerter Schritt in der Karriere des Trainers. Seit der Jahrtausendwende pendelte der VfL Osnabrück immer wieder zwischen der dritthöchsten Spielklasse und der 2. Liga. Eine Fahrstuhlmannschaft, keine Spur von Stabilität. Seit 2011 ist der Verein drittklassig. Doch die eingeleiteten Reformen tragen erste Früchte.

Fußball 3. Liga | VfL Osnabrück - Hansa Rostock
Politisches Statement gegen Rechts auf den Trikots des VfL OsnabrückBild: picture-alliance/dpa/Fotostand/Paetzel

Mit Benjamin Schmedes hat Osnabrück nun einen versierten Sportdirektor, der in der Lage ist, mit den begrenzten Geldmitteln des Vereins die richtigen Geschäfte zu machen, und mit Manfred Hülsmann einen Präsidenten mit einem klaren Standpunkt: "Wir setzen in unserem Wohnzimmer ein eindeutiges Zeichen gegen Rechts." Als Hülsmann dies am Osterwochenende 2018 sagte, trugen die VfL-Spieler in der Partie gegen Hansa Rostock Trikots, auf denen anstelle des Sponsorennamens die Worte standen: "Gegen Rechts". Und dann sind da noch die treuen Anhänger des Vereins. Ihre Fanaktionen gehören zu den politisch und sozial engagiertesten des Landes. Bei allem geht es darum, den VfL Osnabrück voranzubringen - und es beginnt mit Thioune.

In dieser Saison konnte Osnabrück gleich in sieben Spielen trotz eines Rückstands noch punkten, die meisten dieser Partien gewann der VfL sogar. Nur eine Niederlage in 21 Spielen kassierte Thiounes Mannschaft. Auch weil der Trainer in der Pause häufig reagiert. Als Assistent steht ihm Merlin Polzin zur Seite. Der 28-Jährige sei für sein junges Alter sehr clever, sagt Harald Pistorius, Sportjournalist der Neuen Osnabrücker Zeitung, der den Verein schon lange begleitet: "Ich habe im Laufe der Jahre wirklich schon eine Menge Fußball erlebt. Aber was er mir gesagt und wie er es mir gesagt hat - wirklich krass. Eine andere Welt. Ein echter Kopfmensch."

Klar in den Entscheidungen

Das gilt auch für Thioune, der kurz vor seinem Studienabschluss in Sport- und Erziehungswissenschaften steht. Der Trainer weiß, wie man das Beste aus Menschen herausholt. "Ich bin immer klar in meinen Entscheidungen. Ich will nachher lieber den Kopf für etwas hinhalten, das ich wirklich getan habe, als für etwas, das ich nicht getan habe", sagt Thioune. Seinem Stürmer Marcos Alvarez gab er mit auf den Weg in den Sommerurlaub, dass er seine Sachen packen könne, wenn er zu Beginn dieser Saison nicht in Form sei. Alvarez verbrachte seinen Urlaub mit Kapitän Marc Heider, gemeinsam gingen sie morgens schwimmen und nachmittags laufen. Gleich zum Saisonstart drehte Alvarez auf und versenkte insgesamt drei Freistöße im Netz.

Fußball 3. Liga | SG Sonnenhof Großaspach - VfL Osnabrück
Trainer Thioune hat einen guten Draht zu seinen Spielern, strahlt auch die nötige Autorität ausBild: picture-alliance/dpa/Pressefoto Rudel

In Osnabrück war der Einsatz eines schwarzen Trainers nie Gegenstand einer Diskussion. "Vielleicht ist es gut, dass niemand darüber spricht", sagt Thioune. "Dass Normalität eingetreten ist, dass es einfach selbstverständlich ist." Er glaube ebenso wenig, dass er seinen Job bekommen habe, weil er schwarz sei, wie dass er andere Posten aufgrund seiner Hautfarbe nicht bekommen habe. "Entscheidend ist die Qualität des Einzelnen. Und die sollte auch im Vordergrund stehen. Sollte die Hautfarbe wirklich noch ein Problem sein, dann müsste meine Qualität ja schon sehr, sehr hoch sein, wenn ich es trotzdem geschafft habe, einen Trainerjob in einer der drei Topligen zu ergattern."

Der nächste Schritt

Dennoch gibt es nicht viele schwarze Trainer im deutschen Fußball. Valerien Ismael, gebürtiger Franzose mit deutschem Pass, trainierte jeweils einige Monate lang den damaligen Erstliga-Absteiger 1. FC Nürnberg (2014) und später den Bundesligisten VfL Wolfsburg (2016/17). Otto Addo gehört zum Trainerteam von Dieter Hecking bei Borussia Mönchengladbach: Er ist für die Nachwuchstalente im Übergangsbereich zu den Lizenzspielern verantwortlich. Thioune erwähnt noch zwei Kollegen aus der dritten Liga: Lamine Cisse, Co-Trainer des Drittligisten Würzburger Kickers, und David Yelldell, Torwarttrainer bei der SG Sonnenhof Großaspach.

Aber warum gibt es so wenige schwarze Trainer in Deutschland? "Vielleicht muss man die Frage eher den Leuten stellen, die diese Trainer einstellen oder eben nicht", sagt Thioune. "Die Dinge müssen wachsen, bis es als normal angesehen wird. Vielleicht hat Deutschland da noch ein paar Entwicklungsstufen mehr vor sich als beispielsweise Holland oder Frankreich." Auch wenn er selbst es nicht so wahrnehmen mag - Thioune könnte derjenige sein, der Deutschland auf die nächste Stufe bringt.