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Darfur feiert fiktiven Frieden

Martina Schwikowski7. September 2016

Es soll ein Zeichen des Friedens in der Konfliktregion sein: Die Regionalbehörde in Darfur ist offiziell aufgelöst worden. Doch während Staatschefs feiern, leben immer noch Hunderttausende in Flüchtlingscamps.

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Darfur Ende des Konflikts verkündet
In Feierlaune: die Staatschefs von Katar, Zentralafrikanischer Republik, Sudan und Tschad (v.l.)Bild: Getty Images/AFP/A. Shazly

Béchir Yaya träumt von seiner eigenen Autowerkstatt. Eines Tages möchte der junge Sudanese auf eigenen Füßen stehen - und nicht sein Leben lang von Hilfe abhängig sein. Nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges in Darfur hat er wie viele seiner Landsleute Zuflucht im Flüchtlingscamp Tréguine im Osten des Tschad gefunden. Die meisten der jungen Leute im Camp gehen nicht zur Schule. Ihre Aussichten auf ein normales Leben in Frieden rückte der Kriegsausbruch 2003 in weite Ferne.

Die Regionalmacht Tschad spielt eine wichtige Rolle im Nachbarland Sudan - auch, als 2006 ein erstes Friedensabkommen für Darfur verabschiedet wurde. Das Abkommen sah eine Übergangsregierung vor, zu der auch eine Regionalbehörde für Darfur gehörte. Diese nahm 2007 als Übergangsbehörde ihre Arbeit auf und wurde vier Jahre später im Abkommen von Doha als Darfur Regional Authority bekräftigt.

Am Mittwoch nun besiegelte Darfur in der Stadt Fashira feierlich das Ende dieses Abschnitts. Die beteiligten Staaten werten die Auflösung der Regionalbehörde als Besiegelung des Friedens in Darfur. "Wir erklären gegenüber allen Menschen in Darfur und Sudan, dass wir unsere Verpflichtungen erfüllt haben", erklärte Sudans Präsident Omar al-Bashir vor tausenden Versammelten. Darfur gehe es "heute besser als gestern", erklärte al-Bashir. "Und morgen wird es Darfur noch besser gehen." Auch Tschads Staatschef Idriss Déby gab sich in Fashira die Ehre - neben seine Amtskollegen aus der Zentralafrikanischen Republik und Katar.

Kein Grund zum Feiern

Ulrich Delius, der die Afrika-Abteilung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) leitet, sieht indes keinen Grund zum Feiern. "Das war ein wirklich trauriges Jahr, dieses 13. Jahr des Bürgerkrieges", sagt Delius im DW-Gespräch. Das Ende der Regionalbehörde solle zeigen, dass die Phase der Befriedung in Darfur jetzt abgeschlossen sei, sagt er: "Es soll eine Fiktion des Friedens genährt werden und gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft der Eindruck erweckt werden, dass es jetzt nur noch um den Wiederaufbau und die Armutsbekämpfung geht." Die Behauptung, dass es keine Sicherheitsprobleme mehr gebe, gehe aber an der Realität und an den Belangen der Zivilbevölkerung vorbei, so Delius.

Sudanesisches Flüchtlingsmädchen in einem Camp im Tschad (Foto: Getty Images/AFP/A. Shazly)
Für viele Flüchtlinge ist die Lage in Darfur zu instabil, um in ihre Heimat zurückzukehrenBild: Getty Images/AFP/A. Shazly

Seit der gewaltsame Konflikt in Darfur 2003 ausgebrochen ist, sind mehr als 2,3 Millionen Menschen vertrieben worden. Die meisten von ihnen leben in Flüchtlingslagern in Darfur und im benachbarten Tschad. In den frühen Jahren der Kämpfe unterstützte der Tschad noch die darfurischen Rebellen. Doch zuletzt bemühte sich das Land um eine Annäherung mit dem Sudan. "Seither geht man mehr auf Schmusekurs, um die gemeinsamen Grenzen zu sichern", sagt Delius. Aber es gebe auch immer wieder Spannungen, denn auf beiden Seiten der Grenzen leben die gleichen ethnischen Gruppen.

In den instabilen Zeiten bietet das Flüchtlingslager in Tréguine wenigstens eine Ausbildung für Jugendliche, die vertrieben worden sind. Dort können sich die jungen Leute im Zentrum für Berufsbildung zu Schneidern, Informatikern, Seifenherstellern oder Färbern ausbilden lassen, sie können Landwirtschaft und Viehzucht erlernen. Béchir Yaya möchte gern Automechaniker werden. "Ich habe mich dafür entschieden, um überhaupt die Chance auf einen Job zu haben", sagt er. Für tausende Sudanesen, die vor Jahren aus ihrer Heimat geflüchtet sind, bleibt die Situation schwierig, denn eine Rückkehr in ihre Dörfer scheint fast unmöglich angesichts der mangelnden Sicherheit in der Region.

Potemkinsche Dörfer

Anstelle der Dörfer, die in dem langen Bürgerkrieg zerstört worden sind, sind nun neue Modelldörfer entstanden - finanziert von einigen arabischen Staaten. Insbesondere der Emir von Katar, Sheikh Tamim Bin Hamad, hat eine große Geldsumme in den Wiederaufbau von Darfur gesteckt. Auch andere Emirate haben stark investiert. "Aber die ehemaligen Einwohner lehnen eine Rückkehr in diese Modell-Dörfer ab", sagt Delius. Sie glaubten, dass die von Kämpfen geplagte Region noch nicht sicher genug sei, um außerhalb der Camps zu leben. Delius spricht von potemkischen Dörfern an fremden Orten, die einen Anschein von Frieden vermitteln sollen. Die Flüchtlinge fordern stattdessen den Wiederaufbau ihrer Dörfer auf ihrem traditionellen Land, das jetzt in den Händen der Vertreiber, der Milizen, ist.

Darfur Ende des Konflikts verkündet
Erst Gegner, dann Freund der sudanesischen Regierung: Idriss DébyBild: Getty Images/AFP/A. Shazly

Viele fürchten, eine "Rückkehr" in die neuen Dörfer signalisiere Zustimmung mit der Linie der sudanesischen Regierung, die die Kämpfe für beendet erklärt. In einigen Gebieten konnten die Einwohner in der Tat wieder zum Alltag zurückkehren, in anderen dauert der Konflikt aber an. So in den Bergen des Marrah-Gebirgsmassivs, aus dem seit Januar dieses Jahres bis zu 200.000 weitere Menschen flohen.

Mitarbeit: Blaise Dariustone und Leonie Kahl