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Das Bahnpreis-Roulette

Ralf Lehnert10. Oktober 2002

"Bahnfahren wird billiger", wirbt die Bahn für ihr neues Preissystem. "Und teurer", kontern Verbraucherverbände. Beides ist richtig!

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Mit neuem Preissystem in die Zukunft: Die BahnBild: AP

Als "neues Kapitel in der Geschichte" des Bahnfahrens preist Hartmut Mehdorn, Vorstandschef der Deutschen Bahn, das neue Preissystem des Konzerns. Ab 15. Dezember 2002 will der Konzern mit Preissenkungen auf langen Strecken und teils kräftigen Sparangeboten im Fernverkehr Flugzeug und Auto Marktanteile abjagen. "Wir werden durch attraktive Preise mehr Verkehr auf die Schiene holen", ist sich Bahnchef Mehdorn sicher.

Die neuen Ticketpreise orientieren sich in wesentlichen Teilen an Systemen der Fluggesellschaften. Je früher der Kunde seine Reise plant, desto mehr kann er sparen: "Plan&Spar" nennt die Bahn das. Wer einfach einsteigen und losfahren will kann das auch in Zukunft tun. Er muss dann aber den Normalpreis bezahlen. Der ist zwar auf längeren Strecken bis zu 25 Prozent billiger als bisher, auf Strecken unter 180 Kilometer steigt er aber um bis zu 10 Prozent.

Satte Rabatte für Frühbucher

Wer seine Reise sieben Tage vorher bucht, kann den Normalpreis um satte 40 Prozent drücken (Plan&Spar 40). Drei Tage vorher gibt es noch 25 Prozent Rabatt (Plan&Spar 25) und einen Tag vorher lässt die Bahn immerhin noch 10 Prozent springen (Plan&Spar 10). Allerdings gibt es 40 bzw. 25 Prozent Rabatt nur, wenn man eine Hin- und Rückfahrkarte kauft.

Der Bahnhof in Frankfurt am Main
Der Bahnhof in Frankfurt am MainBild: AP

Mit der Bahncard gibt es in Zukunft dann nur noch 25 Prozent Rabatt, nicht wie bisher 50. Statt vorher 140 Euro, kostet sie in der zweiten Klasse dafür nur noch 60. Zudem kann der Rabatt mit allen anderen Vergünstigungen kombiniert werden, also auch mit Plan&Spar Preisen und dem so genannten Mitfahrer-Rabatt. So genannt, weil mit ihm bis zu vier Mitfahrer im neuen Preissystem alle für den halben Preis auf Touren gehen können.

Auch Familien fahren künftig besonders günstig: Kinder bis einschließlich 14 Jahre in Begleitung ihrer (Groß-)Eltern kostenlos. Zudem bekommen der Partner und alle Kinder bis 17 Jahren für nur 5 Euro eine eigene Bahncard, wenn Papa oder Mama das praktische Kärtchen gekauft haben.

Zu starr für Geschäftsreisende

Kritiker bemängeln am neuen System, dass Spontanreisende sowie Pendler auf kurzen Fernstrecken benachteiligt würden. Auch die hohen Stornogebühren für ungenutzte Sparangebote – bis zu 45 Euro - werden von Verbraucherverbänden als zu hoch abgelehnt.

Ob letztlich eher mehr Menschen vom neuen System profitieren oder mehr schlechter gestellt werden, lasse sich im Augenblick schwer beurteilen, so Joachim Kemnitz von der Fahrgastvereinigung Pro Bahn gegenüber DW-WORLD. Zwar profitierten die entsprechenden Gruppen wirklich von den neuen Rabatten, allerdings schlägt der Entfernungsbonus auf langen Strecken nach Meinung der Fahrgastvereinigung wohl erst ab etwa 300 Kilometer zu Buche. "Für kürzere Reisen werden Kunden künftig mehr bezahlen müssen, nicht zuletzt weil die Bahncard nur noch 25 Prozent Ermäßigung bringt", weiß Kemnitz.

Für Geschäftsreisende eigneten sich Spartarife bei denen zwischen Hin- und Rückfahrt eine Nacht von Samstag auf Sonntag liegen muss - wie bei "Plan&Spar 40" – ohnehin nicht. Ein weiterer Wermutstropfen: Für Sparpreise gibt es nur bestimmte Sitzplatzkontingente. Wenn dann viele Kunden zu Sparpreisen reisen wollen, kann es passieren, dass auch eine Woche vor Reiseantritt keine Billigplätze mehr zu haben sind. "Das wird sicher vor allem am Freitag und Sonntag-Nachmittag der Fall sein", befürchtet Kemnitz.