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21. Mai 2010

Der Bundestag hat die milliardenschwere deutsche Beteiligung am Euro-Stabilisierungsgesetz beschlossen. Viele Parlamentarier sind erbost, dass sie so schnell entscheiden mussten. Verständlich, meint Sabine Kinkartz.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in dieser Woche in einem Nebensatz etwas sehr Wahres eingestanden: Egal, was wir Politiker studiert haben, so sagte sie, so sind wir doch alle keine Finanzmarktexperten. Wie Recht sie hat. Politiker sind zwar grundsätzlich nicht allwissend, aber normalerweise sind sie mit Themen befasst, in die man sich kurzfristig einarbeiten kann. Außerdem haben die Parlamentarier in der Regel genug Zeit, um sich so intensiv mit einer Gesetzesvorlage zu beschäftigen, dass sie die Konsequenzen abschätzen und dann entsprechend abstimmen können.

Beim Thema Finanzmarkt ist das anders. Die Politiker sind nicht nur keine Finanzmarktexperten, sondern die meisten sind weit davon entfernt, das Thema auch nur in Ansätzen erfassen und beurteilen zu können. Trotzdem mussten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nun innerhalb von ein paar Tagen darüber befinden, ob Deutschland sich mit 148 Milliarden Euro an dem Rettungsschirm für den Euro-Raum beteiligen soll oder nicht.

Operation am offenen Herzen

Sabine Kinkartz (Foto: DW)
Sabine Kinkartz, DW-HauptstadtstudioBild: DW

Das ist so, als ob man plötzlich bei einer Operation am offenen Herzen das OP-Besteck in die Hand gedrückt bekäme. Kein Wunder also, dass sich nicht wenige Parlamentarier in dieser Woche fürchterlich darüber aufgeregt haben, dass ihnen die Regierung nicht mehr Zeit gelassen hat, um sich in mit dem Euro-Stabilisierungsgesetz zu beschäftigen. Warum die Eile? Gut, der Chef der Bundesbank hat in einer Sitzung des Haushaltsauschusses gesagt, es sei unabdingbar, das Gesetz an diesem Freitag (21.05.2010) zu beschließen, um weitere Skepsis und Unsicherheit auf den Finanzmärkten zu vermeiden.

Aber stimmt das tatsächlich? Wer kann das so genau sagen? Die Bundeskanzlerin hat im Zuge ihres Bekenntnisses zu fehlendem Expertenwissen auch eingeräumt, dass die Frage, auf wen man in diesen Tagen hören soll, eine der schwierigsten Fragen überhaupt sei. Es sei doch sehr schwer, in Sachen Finanzmarktkrise uneigennützige Berater zu finden, da doch die wirklichen Experten selbst Finanzmarktakteure und mit einem verständlichen Gewinnstreben ausgestattet seien. Merkel schloss mit den Worten, sie könne der Finanzbranche nur raten, ehrlich mit den Politikern umzugehen, sonst würden diese Dinge machen, die vielleicht nicht richtig, aber politisch notwendig seien.

Nur ein geringer Trost

Als Bürger dieses Landes, als Europäer beschleicht einen bei diesen Worten ein ungutes Gefühl. So, als würde man in einem Flugzeug sitzen, in dessen Cockpit Flugschüler sitzen, deren Ausbildung und Beratung fragwürdig ist. Aussteigen kann man nicht mehr, oben am Himmel gibt es schwere Unwetter und die internationale Flugsicherung ist heillos darüber zerstritten, nach welchen Regeln geflogen werden soll. Ob das gut gehen kann? Aus dem Cockpit meldet sich eine zitternde Stimme, man habe die Lage im Griff und die Passagiere bräuchten sich keine Sorgen zu machen. Dass sich auch die Flugschüler in die Gefahr begeben abzustürzen, ist da nur ein geringer Trost.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Kay-Alexander Scholz