1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das Geheimnis der Hidden Champions

Klaus Ulrich22. Oktober 2012

Heimliche Helden: Sie sind Weltmarktführer und gehören zum Mittelstand. Die sogenannten Hidden Champions treiben den deutschen Export zu immer neuen Höhenflügen - doch wie schaffen sie das?

https://p.dw.com/p/16RRb
Mitarbeiter der Firma Herrenknecht bei der Verlegung einer Gaspipeline (Foto: Herrenknecht)
Bild: Herrenknecht

Der längste Tunnel der Welt führt durch das Gotthardmassiv. Durch den Fels getrieben wurde er von Bohrmaschinen der Firma Herrenknecht. Das Unternehmen ist Weltmarktführer in seiner Branche. Beschäftigt sind dort 4200 Mitarbeiter, die im vergangenen Jahr einen Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro erwirtschaftet haben.

Herrenknecht ist längst auf der ganzen Welt zuhause. Doch der Firmensitz befindet sich noch immer in der kleinen badischen Gemeinde Schwanau, wo der Ingenieur Martin Herrenknecht 1977 seine ersten Tunnelbohrmaschinen konstruierte.

"Ich, glaube, der familiäre Zusammenhalt ist unheimlich gut", bringt er den Hauptunterschied zwischen seiner Firma und großen Industriekonzernen auf den Punkt: "Wir haben vor 35 Jahren angefangen. Viele Mitarbeiter sind jetzt seit mehr als 30 Jahren bei der Firma. Und alle ziehen an einem Strang. Das ist der Kern eines Familienunternehmens."

Montage einer Tunnelbohranlage (Foto: dpa)
Montage einer Tunnelbohrmaschine der Firma HerrenknechtBild: picture-alliance/dpa

Starke Führung

Und genau dieser spezielle innere Zusammenhalt ist eines der wesentlichen Merkmale, die die sogenannten Hidden Champions auszeichnen. Meist handelt es sich um Familienunternehmen mit starken Führungspersönlichkeiten an der Spitze, die sich auf ein spezielles Produkt konzentrieren und dieses dann konsequent weltweit vermarkten. Um auf ihrem Gebiet die Nase immer vorne zu haben, investieren sie wesentlich mehr als Großkonzerne in Forschung und Entwicklung.

Außerdem zeichnen sie sich besonders durch ihre Nähe zum Kunden aus. "Wir müssen praktisch schon im Voraus wissen, nach welchen Produkten oder Problemlösungen der Kunde in Zukunft fragen wird. Und zwar möglichst bevor der Kunde es selbst weiß", sagt Jörg Sennheiser vom gleichnamigen Weltmarktführer für Mikrofone und Kopfhörer.

Entdecker der Hidden Champions

Der Begriff Hidden Champions wurde vom Wirtschaftsexperten Hermann Simon geprägt. Der BWL-Professor und Unternehmensberater gilt als Entdecker der heimlichen Weltmarktführer. Gleich mehrere Bücher hat er seit den 1990er Jahren diesem Thema gewidmet. Sie wurden in bis zu 25 Sprachen übersetzt. Sein jüngstes Werk erschien im August dieses Jahres unter dem Titel "Hidden Champions - Aufbruch nach Globalia".

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon (Foto: privat)
Hermann Simon, Chairman der Agentur Simon-Kucher & PartnersBild: Agentur Simon Kucher & Partners

Laut "Handelsblatt" zählt diese Analyse spezieller mittelständischer Erfolgsstrategien bereits jetzt zu den fünf wichtigsten internationalen Managementbüchern überhaupt. "Ich habe mich in den 1980er Jahren gefragt, warum Deutschland so stark im Export ist", erzählt Simon im Gespräch mit der DW, "und dann bin ich auf diese mittelständischen Weltmarktführer gestoßen, die keiner kennt. Deshalb habe ich sie 'Hidden Champions' genannt."

Exportmotor Mittelstand

In Deutschland stammen rund 70 Prozent aller Exporte von Unternehmen des Mittelstands. Den Löwenanteil steuern die unbekannten Marktführer bei. Nach Simons Definition gehört ein Hidden Champion zu den Top Drei in der Welt oder ist die Nummer eins auf seinem Kontinent. Sein Umsatz liegt unter fünf Milliarden Euro. In der Öffentlichkeit ist er nur wenig oder überhaupt nicht bekannt.

Buchcover 'Hidden Champions Aufbruch nach Globalia' von Hermann Simon
Buchcover 'Hidden Champions Aufbruch nach Globalia' von Hermann Simon

Im Gegensatz zum geringen Bekanntheitsgrad steht die Bedeutung der Hidden Champions für die Gesamtwirtschaft: Mehr als 150 Betriebe aus ihren Reihen sind gemessen am Umsatz in jüngster Zeit zu neuen Milliardenunternehmen aufgestiegen. Sie haben aufgrund von massiven Innovationen ihre Weltmarktanteile stark gesteigert und in den letzten zehn Jahren mehr als eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen.

Spitzenreiter Deutschland

Den größten Unterschied zwischen Deutschland und dem Rest der Welt sieht Simon in der schieren Zahl und dem wirtschaftlichen Gewicht der Hidden Champions.

Von seinem Forschungsteam erstellte Statistiken belegen diese These eindrucksvoll: Danach gibt es weltweit insgesamt rund 2700 dieser heimlichen Marktführer. Alleine 1300 davon – also ungefähr die Hälfte – sind in Deutschland beheimatet. Zum Vergleich: Die USA haben nur rund 360 Hidden Champions – und das bei fast viermal mehr Einwohnern als die Bundesrepublik (s. Infografik).

Und auch diese Zahlen beeindrucken: Der gesamte Mittelstand - zu dem die Hidden Champions gehören - stellt in Deutschland 80 Prozent der Arbeitsplätze. Bei den großen Konzernen sind hierzulande lediglich 20 Prozent aller Arbeitnehmer beschäftigt.

Infografik Hidden Champions (DW-Grafik: Olof Pock)

Falsches Bild

Doch in der Öffentlichkeit werden diese Tatsachen kaum wahrgenommen. Denn die Medien stellen bei ihrer Wirtschaftsberichterstattung in Deutschland fast immer die großen Konzerne in den Blickpunkt. Mittelständische Betriebe - und damit auch die Hidden Champions - kommen oft zu kurz (s. Infografik).

Und genau an diesem Punkt setzt Hermann Simon mit seinen Büchern und Veranstaltungen über die Hidden Champions an. "Das Hauptziel ist es, bei möglichst vielen anderen Firmen den gleichen Ehrgeiz zu entfachen. Damit sie eben auch international wachsen und damit Arbeitplätze schaffen." Der Management-Experte ist davon überzeugt, in den vergangenen 25 Jahren einige hundert Unternehmen auf diesen Weg gebracht zu haben. "Und viele von ihnen sind tatsächlich Weltmarktführer geworden."