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Das Geschäft mit den Emotionen

Klaus Deuse6. Juni 2012

Hersteller und Handel rechnen rund um die Europameisterschaft mit einem Umsatz von über zwei Milliarden Euro. Vor allem Produkte mit Sammelpunkten für Fanartikel lassen die Kassen klingeln.

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Eine Supermarktkette wirbt für seine EM-Bonusaktion
Eine Supermarktkette wirbt für seine EM-BonusaktionBild: Michael Hartlep

Schon vor dem Anpfiff zur Fußballeuropameisterschaft rollt in Deutschland der Rubel. Abseits des Spielfeldes - Supermarkt. Ob Brauereien, Kosmetik- oder Süßwarenhersteller -quer durch alle Branchen locken Unternehmen mit Sammelpunkten auf ihren Produkten für angeblich einzigartige Fan-Artikel. Gemessen am Weltmeisterschaftsturnier 2010 rechnen Handel und Hersteller mit einem fußballbewegten Umsatzplus von über zwei Milliarden Euro.

Diese Fanprämien-Aktionen rund um die Nationalmannschaft zahlen  sich für die Hersteller schließlich ordentlich aus. "Der Umsatz steigt. Das sieht man auch daran, dass diese Bonusaktionen regelmäßig aufgelegt werden", sagt  der Marketingwissenschaftler Jan Wieseke von der Ruhr-Universität Bochum. Wieseke kennt auch die Zauberformel für diese Zusatzgeschäfte. Und zwar emotionale Bindung. "Auch im Vergleich zu den Olympischen Spielen ist es tendenziell so, dass Fußball insbesondere in Deutschland eine höhere Emotionalität aufweist, weil das einfach die größte Volkssportart ist, die wir in Deutschland haben."

Sammelpunkte überall

So packt zum Beispiel ein Süßwarenhersteller gleich auf über ein Dutzend Produkte aus seinem Sortiment Sammelpunkte, für die dann diverse Fan-Artikel winken. Wer die haben möchte, der muss erstens ziemlich tief ins Portemonnaie greifen und zweitens sollte der Sammler vorsorglich den Gürtel weiterschnallen. Erst für 45 Punkte gibt es nämlich eine DFB-Fan-Kappe. Dafür aber muss man vorher 45 Überraschungseier gekauft oder wahlweise den Inhalt von elf Gläsern zu 750 Gramm eines schokoladigen Haselnussaufstriches aufs Brot geschmiert haben. Macht unter dem Strich über 16 Pfund. Der Wunsch nach einem DFB-Fan-Trikot dürfte den Umsatz dieses Herstellers noch weiter in die Höhe treiben. Dafür sind nämlich 100 Sammelpunkte fällig.

Dass das Kickerturnier den Absatz deutlich belebt, können auch Supermarktleiter auf Grund ihrer täglichen Warenbestandskontrolle bestätigen. Gerade die Produkte mit Prämienpunkten sind stark gefragt. Davon müsste sie das Vier- bis Fünffache der sonst üblichen Menge bestellen, sagt Eva Mertin, Leiterin eines REWE-Marktes in Bochum - vor allem aus dem Süßwarensortiment.

Positive Grundstimmung

Ereignisse wie die Fußballeuropameisterschaft, weiß Marketingwissenschaftler Wieseke, versetzen Verbraucher in eine positive Grundstimmung. Mit dem Kauf dieser Produkte mit Prämienpunkten glaubt der Verbraucher, stimmungsmäßig Teil dieses Ereignisses zu werden. Koste es, was es wolle. Dabei rückt sogar das Preis- Leistungsverhältnis in den Hintergrund. "Im Vordergrund steht da erst einmal das emotionale Erlebnis und auch das Ziel, ein solches Produkt zu erhalten."

Bei der  Euphorie rund um die deutsche Nationalmannschaft möchten auch Bierbrauer nicht im Abseits stehen. So bietet zum Beispiel eine Premiumbrauerei ein etwas anders gestaltetes Fan-Trikot an. Das kann der Biertrinker sogar mit seinem Namen und einer Rückennummer bedrucken lassen. Natürlich nicht umsonst, sondern erst mit dem nachgewiesenen Kauf von acht Kästen Bier. Ohne Pfand kommen dabei rund 120 Euro zusammen. Zum Vergleich: Ein richtiges DFB-Trikot kostet im Sporthandel selbst in der XXL-Größe knapp 80 Euro.

Begehrte Kickerbilder

Für Hersteller und Händler, stellt Marketingexperte Wieseke klar, geht es gezielt um das "Customer Relationship Management" - um die Kundenbindung über den Fußball. Eine große Handelskette etwa spendiert bei einem Einkaufswert von zehn Euro ein Tütchen mit den Bildern der Nationalspieler. Seit die Tütchen mit den Kicker-Bildern an der Kasse ausgegeben werden, sagt Eva Mertin, hat sie in ihrem Supermarkt  viele neue Kunden entdeckt. Meist in Begleitung von Kindern, wie sie beobachtet hat: "Die warten dann schon ungeduldig an der Kasse, um dann die Tüten aufzureißen und zu sehen, ob sie endlich das Bild haben, das ihnen noch fehlt."

Insgesamt 32 Karten hält das Handelsunternehmen bereit. Selbst im Idealfall, bei jedem Einkauf jeweils ein unterschiedliches Bild zu erhalten, hat der Kunde für  mindestens 320 Euro eingekauft. In diesen Tagen drängen Kinder ihre Eltern immer öfter zum Einkaufen. Natürlich bei dieser Handelskette. Kein Wunder, merkt Jan Wieseke an, "weil eben dieser eine Händler eine Belohnung hat. Und der Druck, der durch Kinder beim Einkauf entsteht, den kennt jeder Familienvater oder jede Familienmutter ganz genau."