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Das giftige Wasser von Gizeh

Mohammed Fathi Abdelaal/ Mirjam Gehrke14. August 2013

In der Region Gizeh nördlich von Kairo fließen Abwässer ungefiltert in einen Fluss. Das giftige Wasser bedroht nicht nur die Existenz der Anwohner, sondern auch ihre Gesundheit. Doch die Behörden sehen tatenlos zu.

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Ägypten - Umweltverschmutzung in der ägyptischen Hauptstadt Kairo Treibgut und Abfall an den Ufern des Nils in Kairo, aufgenommen am 21.07.2012. Vielfach wird noch einfach der Abfall, den man gerade in Händen hält, fort geworfen, geht man am Nil oder über eine Brücke landet dieses Treibgut irgendwann am Ufer, wie hier auf der Nilinsel Zamalek. Wie in zahlreichen anderen arabischen Ländern auch, so ist der Umweltschutzgedanke in Ägypten erst im Erstehen begriffen. Foto: Matthias Tödt
Bild: picture-alliance/ZB

Mahmud Higazi liegt auf einer schäbigen Krankenhausliege. Sein schmaler Körper ist über mehrere Schläuche an eine Dialysemaschine angeschlossen. Auf der Pritsche neben ihm liegt die achtjährige Dujna Abdallah. Sie blickt stumm aus dem Fenster auf die spielenden Kindern im Hof. Auch sie ist zur Blutwäsche in das Isra-Zentrum in Umm Dinar gekommen. Mahmud Higazi und Dujna Abdallah leiden an Nierenversagen. Wie ihnen ergeht es jedem Dritten der 150.000 Einwohner in der Region Gizeh nördlich von Kairo. In den Dörfern entlang des 120 Kilometer langen Al-Rahawi-Flusses breiten sich Nierenerkrankungen und Leberentzündungen rasend schnell aus.

Luftaufnahme vom Nil und dem Roten Meer (Foto: Reuters)
Wasser ist ein knappes Gut in Ägypten - das Land lebt vom Nil und seinen ZuflüssenBild: Reuters

In den Nilzufluss werden ungeklärte Abwässer aus Industrie, Landwirtschaft und den Haushalten der Region geleitet. Die Trinkwasserbrunnen in Ufernähe sind bereits verseucht. Neunzehn Millionen Kubikmeter Abwasser münden so täglich im Nil – ein andauernder Verstoß gegen das Gesetz zum Schutz des Nils aus dem Jahr 1982, in dem die Regierung verpflichtet wird, das Wasser aufzubereiten und zu reinigen, bevor es in den Nil fließt.

Existenz der Anwohner bedroht

Salim Ibrahim besitzt eine Bananenplantage in der Region. Auch er nutzt das Wasser des Al-Rahawi-Flusses um seinen Felder zu bewässern. "Nur wer genug Geld hat, kann es sich leisten, einen Brunnen zu bohren um seine Felder mit Grundwasser zu gießen. Aber auch das nutzt kaum noch, denn das Wasser aus dem Fluss sickert ins Grundwasser.“ Diese Erfahrung mussten auch Dorfbewohner der Region machen, die in Eigenregie einen Brunnen gegraben und eine Wasserstation errichtet haben.

Die industriellen Abwässer enthalten Schwermetalle wie Blei, Cadmium, Selen, Tritium und Zink. Doch nicht nur das Wasser verursacht gravierende Gesundheitsschäden bei der Bevölkerung. Auch die Fischbestände - sofern noch nicht ausgestorben - sind so hoch belastet, dass sie nicht mehr zum Verzehr geeignet sind. "Das Gefährliche ist, dass es viele Fischer gibt, die aus Not und Armut vergiftete Fische verkaufen müssen. Und die Menschen essen sie und werden krank davon“, sagt Hani Al-Sanusi, Rechtsanwalt und Sprecher des Verbands der Nilfischer.

Noch schwieriger als die Suche nach sauberem Trinkwasser gestaltet sich die Behandlung der Erkrankten. Weinend erzählt Nagla, die Mutter der kleinen Dunja Abdallah: "Meine Tochter ist vor vier Jahren an Nierenversagen erkrankt. Damals gab es die Dialysestation hier im Dorf noch nicht. Drei Mal in der Woche musste ich mit meiner Tochter zum Dialysezentrum nach Kasr Al-Aini fahren. Wir waren von vier Uhr morgens bis acht Uhr abends unterwegs." Und sie fährt fort: "Nierenversagen ist bei uns im Dorf ganz normal geworden. Es war eine Gnade Gottes für mich, als diese guten Menschen aus unserem Dorf das Isra-Dialysezentrum errichtet haben.“

Ungeklärte Industrieabwässer verseuchen viele Flüsse in Ägypten (Foto: AFP)
Die Idylle trügt - ungeklärte Industrieabwässer vergiften viele FlüsseBild: picture-alliance / Rainer Hackenberg

Wenn der Staat versagt

Das Dialysezentrum in Umm Dinar konnte dank privater Spenden errichtet werden. Acht Dialysegeräte stehen jetzt zur Verfügung. Doch das sei nicht genug, so Emad Hilmi, der Leiter des Isra-Zentrums. “Wir können keine weiteren Patienten aufnehmen, dazu fehlen uns die Kapazitäten." Vor Kurzem musste er die Aufnahme eines fünfjährigen Mädchens ablehnen. “Wir haben nicht die nötigen Instrumente und Spritzen für Kleinkinder“, bedauert Hilmi. “Die Eltern des Mädchens konnten nicht bis ins nächste Krankenhaus gehen und so ist es gestorben. Das Zentrum hier benötigt in Anbetracht der Anzahl der Patienten mindestens 20 Dialysegeräte."

Der Gouverneur von Gizeh, Ali Abdalrahman, weiß um die Probleme entlang des Al-Rahawi-Abwasserflusses. "Wir benötigen eine Milliarde Pfund für die Verstärkung der Wasserstationen und den Bau einer Kläranlage." Er fordert, Gebühren auf das Wasser zu erheben, "denn die Kosten dieser Projekte können wir nur durch Beteiligung der Bevölkerung aufbringen." Der Wasserexperte Dija Al-Din Al-Kausi, ehemaliger Berater des Ministers für Bewässerung, fordert darüber hinaus eine strikte Trennung der Wassernetze, “so dass das saubere Wasser in besonderen Rohren oder Kanälen bleibt - und für die Bewässerung und die Landwirtschaft genutzt wird - und das verschmutzte Wasser in eigenen Netzen. Aber jetzt wird das saubere mit dem verschmutzten Wasser vermischt“, fasst Al-Kausi die Missstände zusammen. “Und vergessen Sie nicht, dass eine große Anzahl von Fabriken die Revolution vom 25. Januar 2011 und die fehlende staatliche Kontrolle ausgenutzt und ihre Industrieabfälle in das Wasser des Kanals geleitet haben, ohne dass das Wasser irgendwie behandelt oder gereinigt wurde."

Behandlungsrausm in einem öffentlichen Krankenhaus in Ägypten (Foto: Ahmed Hamdy)
Die öffentlichen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet - private Initiativen werden immer wichtigerBild: DW/Hamdy
Auf dem Bild: Mohammed Fathi Abdelaal, Journalist, Ägypten, arbeitet für die ägyptische Tageszeitung Al Masri Alyoum Teilnehmer beim Dt. Medienpreis Entwicklungspolittik. Das Foto stammt von ihm selbst, er räumt mit seiner Teilnahme am Wettbewerb die Nutzungsrechte an dem Bild der DW ein. Angeliefert von Mirjam Gehrke am 12.8.2013
Bild: Mohammed Fathi Abdelaal

Dieser Artikel ist die gekürzte Fassung des Originalbeitrags "Deadly Flow", den Mohammed Fathi Abdelaal (Bild rechts) zum Deutschen Medienpreis Entwicklungspolitik eingereicht hat. Der Autor hat zuletzt für einer der bedeutendsten ägyptischen Tageszeitungen, "Al Masri Alyoum", gearbeitet.