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Die Kataris in Eupen

Michael Borgers3. Dezember 2012

Manchester City, FC Malaga, Paris St. Germain - arabische Scheichs mischen schon lange in Europas Fußball mit. Jetzt haben Kataris einen belgischen Zweitligisten übernommen. Doch diesmal geht es um mehr als große Stars.

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Spieler aus Belgien und Afrika bejubeln ein Tor ihres Teams, der K.A.S. Eupen (Foto: DW)
Bild: David Hagemann

Raoul Kenne und Michael Lallemend liegen sich in den Armen. Sie bejubeln das 1:0 gegen den Royal Antwerpen FC. Ihr Tor. Abwehrspieler Kenne war Vorbereiter, Stürmer Lallemend Vollstrecker. Mit ihnen feiern die meisten der rund 3000 Zuschauer, die an diesem sonnigen Herbstsonntag den Weg ins Kehrwegstadion gefunden haben.

Kenne und Lallemend kennen sich erst seit kurzem. Das ist nicht ungewöhnlich im bezahlten Fußball, wo Spieler kommen und gehen. Doch der Kameruner und der Belgier stehen für mehr: die jüngste Geschichte ihres Vereins, der Königlichen Allgemeinen Sportvereinigung, kurz K.A.S. Eupen. Und damit für eines der zurzeit spannendsten Projekte im globalisierten Fußball.

Förderung im Messi-Alter

In der Sommerpause gab der Traditionsclub bekannt, übernommen worden zu sein. Nicht wenige in der ostbelgischen Provinz rieben sich die Augen, als sie hörten, von wem: Die "Aspire Foundation" gilt als größter übernationaler Förderer junger Sportler weltweit.

Rund 3000 Zuschauer schauen die Partie der K.A.S. Eupen gegen Antwerpen. (Foto: Michael Borgers/DW)
Rund 3000 Zuschauer schauen die Partie der K.A.S Eupen gegen AntwerpenBild: DW/Michael Borgers

In der Stiftung steckt das Geld von Scheichs aus dem Emirat Katar. Sie fördern damit soziale Projekte wie die "Football dreams". Leiter der Fußball-Talentschmiede ist Josep Colomer, der einst auch Lionel Messi aus Argentinien zum FC Barcelona brachte. Der dreifache Weltfußballer war damals 13. Ungefähr so alt sind auch die Spieler, die für das Projekt "Football dreams" in Asien, Lateinamerika und vor allem Afrika gesichtet werden. Mehr als zwei Millionen sollen es seit 2005 gewesen sein. Die wenigen Erwählten, bis zu 20 sind es jedes Jahr, dürfen an die beiden eigenen Akademien in Senegal und Doha. 15 von ihnen sind nun in Eupen.

Über Eupen zum Profifußball

Für die Schwarzafrikaner sei die K.A.S. der nächste Schritt, sagt Sportdirektor Christoph Henkel. Weg vom reinen Trainingsbetrieb hin zum Wettkampf. Die Wahl sei auf Eupen gefallen, weil hier die Voraussetzungen stimmten: die zentrale Lage in Europa, der mögliche Einsatz von vielen Nicht-EU-Spielern und die Spielklasse. Die zweite Division in Belgien gilt nicht gerade als attraktiv. Zwar bringen hier viele internationale Topclubs ihre Talente unter. Doch die belgischen Vereine selber wie den heutigen Gegner Antwerpen zieht es in die erste Liga.

Der Sportdirektor der K.A.S. Eupen, Christoph Henkel. (Foto: Michael Borgers/DW)
Sportdirektor Christoph HenkelBild: DW/Michael Borgers

Auch Eupen wolle aufsteigen, sagt der ehemalige Leiter des Fußballinternats des deutschen Profivereins 1. FC Köln. Doch erst in drei Jahren. Vorderstes Ziel sei es, "die Spieler so gut wie möglich in ihrer Entwicklung zu begleiten". Und das so lange wie möglich. Bis eines Tages andere Vereine anklopfen. Clubs wie Manchester und Mailand, deren Jugendmannschaften die Aspire-Auswahl in Testspielen deklassiert hat. Die Scouts vieler Clubs stünden schon jetzt regelmäßig an der Bande, so Henkel.

Am Anfang überwiegt die Skepsis

Wenige Plätze von dem Vereinsboss entfernt auf der Tribüne beobachtet Thomas Evers die Partie. Der Journalist berichtet für die regionale Tageszeitung "Grenzecho". In den ersten Wochen nach der Aspire-Übernahme hat er sich wie viele gefragt: "Was wollen die Kataris ausgerechnet in Eupen?" In der Vorsaison war der Club beinahe aufgestiegen. Dann präsentierte die neue Vereinsführung ihr Konzept der Talentförderung. Und viele Fans befürchteten, es würde nur noch darum gehen - und nicht mehr um sportlichen Erfolg.

Der Journalist Thomas Evers bespricht mit einem Kollegen die Aufstellung der K.A.S. Eupen (Foto: Michael Borgers/DW)
Zeitungsmann Thomas Evers (l.)Bild: DW/Michael Borgers

Doch inzwischen sind die meisten Kritiker verstummt. Zwar bewegt sich die K.A.S. in der unteren Tabellenhälfte. Doch in fast allen Partien habe der einzige Profiverein im deutschsprachigen Teil Belgiens den besseren Fußball gespielt, sagt Evers. Vor allem die afrikanischen Spieler seien technisch "überragend ausgebildet".

"Der jüngste Profikader der Welt"

Mit dafür verantwortlich ist Startrainer Bora Milutinovic, der ebenfalls im Stadion ist. Der Serbe arbeitet für Aspire. Ihm gefalle das Programm, erklärt er im Interview mit der Deutschen Welle. Es helfe den jungen Spielern, das Leben außerhalb Afrikas kennenzulernen. Und Belgiens Fußball profitiere auch davon. Milutinovic hat fünf verschiedene Nationen bei Weltmeisterschaften trainiert, Mannschaften aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Wenn in zehn Jahren die WM in Katar angepfiffen wird, ist er 77 Jahre alt. Auf der Trainerbank werde er dann nicht mehr sitzen, wohl eher auf einer für Zuschauer, glaubt Milutinovic. Und vielleicht sieht er dann den einen oder anderen Spieler wieder, der heute auf dem Feld steht.

Bora Milutinovic (Foto: dpa)
Bora MilutinovicBild: picture-alliance/dpa

Man stelle an diesem Sonntag mal wieder den "jüngsten Profikader der Welt", ist sich Eupen-Sportdirektor Christoph Henkel sicher. Dafür sorgen nicht nur die afrikanischen Spieler. Kein Spieler der anderen Hälfte des insgesamt 30-köpfigen Kaders, überwiegend Belgier, ist älter als 24 Jahre. Auch der heimische Nachwuchs soll von der Talentförderung profitieren.So wie Torschütze Michael Lallemand. Der gebürtige Eupener und belgische Jugendnationalspieler ist 19, sein Passgeber Raoul Kenne 18 Jahre alt. Ihr gemeinsam herausgespieltes Tor reicht wieder nicht für einen Sieg. Antwerpen gelingt in der zweiten Hälfte noch der Ausgleich. Aber richtig unzufrieden ist in Eupen deshalb keiner.

Reportage: Das globale Fußball-Experiment in Eupen, Belgien