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Das Hochwasser erreicht "Maastricht"

André Moeller21. August 2002

Die Flutkatastrophe droht den Maastricht-Vertrag zu "verwässern". Um die Einhaltung des Stabilitätspaktes trotz hoher finanzieller Belastungen zu gewährleisten, hat Finanzminister Eichel eine Haushaltssperre verhängt.

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Das Hochwasser droht, die Stabilitätskriterien von Maastricht zu unterspülen

Nach einer Sondersitzung des Kabinetts gab Bundesfinanzminister Hans Eichel am 19. August 2002 bekannt: "Für dieses Jahr werde ich eine Haushaltssperre für nicht rechtlich gebunde Ausgaben verhängen." Aber auch bei den Verpflichtungen zu Lasten künftiger Haushaltsjahre soll die Notbremse gezogen werden. Von der Haushaltssperre ausgenommen sei lediglich das nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verabschiedete Anti-Terror-Paket.

Außerdem hat das Kabinett beschlossen, die für 2003 vorgesehene Stufe der Steuerreform auf 2004 zu verschieben. Allein dadurch sollen 6,9 Milliarden Euro gespart werden. Ursprünglich sollten zum ersten Januar 2003 der Grundfreibetrag angehoben sowie der Eingangs- und Spitzensteuersatz gesenkt werden.

"Wir werden die Maastricht-Kriterien einhalten"

Von den eingesparten Geldern würden die Hilfen an Hochwasseropfer finanziert und Investitionen zum Neuaufbau getätigt. Mit Hilfe der angekündigten Sparmaßnahmen will der Finanzminister eine höhere Neuverschuldung umgehen. "Ich sage ausdrücklich, wir werden die Maastricht-Kriterien einhalten", hofft der Finanzminister trotz knapper Haushalte und der Hochwasserschäden in Milliardenhöhe. "Aber es wird eng", muss er zugleich eingestehen.

Im Stabilitätspakt zum Maastrichter Vertrag ist für die europäischen Länder festgeschrieben, dass das Haushaltsdefizit eines Landes nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen darf. Und in der EU beobachtet man Deutschland schon längst wachsamen Augen, nachdem der erste "Mahnbrief" nur mit Mühe abgewendet werden konnte.

Warnende Worte aus Brüssel

So sandte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi bereits frühzeitig (Freitag, 16. August 2002) warnende Worte in das hochwassergeplagte Deutschland: Trotz der umfangreichen Hochwasser-Hilfen dürften keine Abstriche an den Vorgaben des Stabilitätspaktes gemacht werden.

Genau darauf hatten aber bereits einige Politiker spekuliert; auch in Regierungskreisen. "Wir können nicht sagen, ob wir die Maastricht-Verschuldungsgrenze unter- oder überschreiten werden", wurde noch vor kurzem eine Sprecherin des Eichel-Ministeriums zitiert.

Hochwasser ermöglicht Sonderbehandlung

Und schon meldeten sich auch in den europäischen Nachbarländern ähnliche Stimmen zu Wort: Angesichts der Hochwasserschäden in Österreich stellte die dortige Regierung bereits ihre EU-Haushaltziele in Frage. Die Forderung nach einer sofortigen Lockerung der EU-Kriterien wurde auch in Italien laut. Umberto Bossi, der Parteichef der rechtsextremen Regierungspartei "Lega Nord", scheint dabei zu hoffen, dass Budgetprobleme in Frankreich und Deutschland zur Erfüllung seines Wunsches beitragen.

Im Falle von Naturkatastrophen ist die Europäische Kommission sogar berechtigt, auf Strafmaßnahmen wegen der Überschreitung der Drei-Prozent-Grenze zu verzichten. Eine solche Sonderbehandlung sieht der Stabilitätspakt dann vor, wenn "wenn ein außergewöhnliches Ereignis" zu bewältigen ist, das sich der "Kontrolle des Mitgliedstaates" entzieht.

Mutprobe statt Gnadenakt

Doch zumindest für Deutschland wurde mit der Kabinettsentscheidung allen Spekulationen vorerst ein Ende gesetzt. Die jetzt zur Einhaltung der Maastrichter Kriterien angestrebten Maßnahmen können durchaus als "mutig" bezeichnet werden. Trotzdem lehnt die Regierung andere Vorschläge zur Finanzierung der Hochwasserschäden ab. Dabei hatte es gerade in den letzten Tagen eine wahre Flut von unterschiedlichen Ideen gegeben.

Die reichten von der Einführung eines speziellen Solidaritätszuschlags über eine befristete Anhebung der Mehrwertsteuer bis hin zur einmaligen Sonderabgabe für alle Bundesbürger. Die Vorschläge für die Höhe eines solchen "Flutopfers" bewegten sich zwischen 10 und 15 Euro. Ebenfalls verworfen wurden die vorzeitige Auszahlung von Solidarpaktmitteln oder Umschichtungen im Bundeshaushalt.