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"Das kurze Zeitfenster nutzen"

10. März 2011

Die Umwälzungen in Nordafrika bergen auch Chancen für deutsche Unternehmen, die es nun zu nutzen gelte. Denn das Zeitfenster schließe sich schon bald, meint der Außenhandelspräsident Anton Börner.

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Anton Börner, Präsident des BGA (Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels) (Foto: anemel)
Anton Börner, Präsident des Bundesverbands des Deutschen Groß- und AußenhandelsBild: anemel

Ein dynamischer Wachstumsmarkt - so lautete 2010 die Bezeichnung für die sogenannten MENA-Staaten, die sich in Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten von Marokko bis Afghanistan erstrecken. Immerhin gab es aus deutscher Sicht trotz Handelshemmnissen, bürokratischen Schwierigkeiten und Embargos im vergangenen Jahr ein Exportplus von 14 Prozent zu vermelden. Waren im Wert von 36 Milliarden Euro wurden geliefert. Deutschland war damit noch vor Frankreich und Italien der wichtigste Lieferant für die Region.

Ist diese Entwicklung nun am Ende? Nein, sagt Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA): "Höchstwahrscheinlich wird der Handel wie auch der Tourismus einen gewissen Rückgang erfahren, der jedoch vorübergehender Natur sein wird und den Blick auf die langfristigen Entwicklungschancen nicht verstellen darf." Die gesellschaftlichen Umwälzungen hätten ihren hauptsächlichen Ausgangspunkt nicht primär in einer gesamtwirtschaftlichen Krise. So habe die ägyptische Wirtschaft beispielsweise die Auswirkungen der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise relativ unbeschadet überstanden. Ähnlich stelle sich die Situation in Tunesien dar, sagt Börner weiter.

Helfen, eine neue Zukunft aufzubauen

Eine Frau sprüht Graffiti: "Wir lieben Ägypten" (Foto: dapd)
Neue Vaterlandsliebe in Ägypten nach der gelungenen RevolutionBild: dapd

Selbst im Krisenjahr 2009 betrug Ägyptens Wirtschaftswachstum 4,7 Prozent. Für das laufende Jahr prognostizierte der Internationale Währungsfonds vor den Umwälzungen ein Wachstum von 5,5 Prozent. Doch der erwirtschaftete Wohlstand floss bislang in die Hände einiger Weniger, anstatt dass er die Lebensumstände der Bevölkerung verbesserte. Gerade die vielen jungen Menschen wollen das ändern, pochen auf Teilhabe, Gleichberechtigung und Chancen für die Zukunft. Anton Börner ist sich sicher, dass Deutschland ihnen dabei behilflich sein kann: "Die Folge aus dieser Erkenntnis ist, dass wir genau an dieser Stellschraube ansetzen müssen, wenn wir zur positiven Entwicklung dieser für die Weltpolitik so wichtigen Region vor unserer Haustür beitragen wollen." Er plädiert für einen kooperativen Ansatz, der die deutsche Wirtschaft, die Bundesregierung, die Entwicklungszusammenarbeit und die politischen Stiftungen einschließen soll.

Abertausende Unternehmerkontakte

Flaggen von Ägypten und Deutschland (Foto: AP/DW)
Ägypten ist ein wichtiger Handelspartner Deutschlands in NordafrikaBild: AP GraphicsBank/DW

Dabei habe die Wirtschaft die besten Chancen, aktiv und beratend zur Seite zu stehen, sagt der BGA-Präsident. Denn während die Kooperation zwischen staatlichen Stellen schnell den Verdacht unzulässiger Einmischung in fremde Angelegenheiten mit sich bringe, sei die deutsche Wirtschaft zum einen unverdächtiger und verfüge zudem über abertausende direkte Unternehmerkontakte. Diese könnten genutzt werden, um weitere Partner- und Patenschaften zwischen Wirtschaftsverbänden zu gründen, konkrete Kooperationen zwischen Unternehmen, vor allem aber auch Ausbildungsallianzen: "Da reicht es nicht, wenn man drei Fabriken irgendwo hinstellt, sondern da muss man in kleine Zentren investieren und da sind wir noch ganz am Anfang. Ich glaube, dass Europa hier eine Pflicht hat, aktiv zu werden."

Handel und Investitionen

Italienische Küstenwache mit einem Flüchtlingsschiff aus Tunesien (Foto: AP)
Flüchtlingsstrom aus Nordafrika macht Europäern AngstBild: AP

Börner fordert politische Flankierung, auch auf europäischer Ebene. Europa habe sich zu lange darauf beschränkt, allein die Flüchtlingsströme zu vermeiden oder die Rohstoffversorgung zu sichern. In den Handels- und Investitionsbeziehungen müsse jetzt ein neues Kapitel aufgeschlagen werden. Dabei lässt der BGA-Präsident keinen Zweifel an der Dringlichkeit seines Appells. Es gebe nur ein kurzes Zeitfenster, um mit dem Engagement zu beginnen. Nach den Revolutionen werde es zwangsläufig eine Phase der Ernüchterung geben und die Menschen würden sich fragen, was sich denn nun für sie geändert habe: "Auf dieses Ereignis müssen wir vorbereitet sein und da müssen wir heute ansetzen, die Strukturen so zu schaffen, dass dieser Moment der Enttäuschung gleichzeitig abgelöst wird durch einen Moment der Hoffnung." Man müsse den Leuten klar machen, dass nicht gleich eine heile Welt entstehen könne, wenn ein autoritäres Regime zerstört werde. "Aber wir sind da, wir sind vor Ort und wir haben euch gezeigt, dass wir das gemeinsam schaffen", erklärt Börner weiter.

Wenn die Europäer und mit ihnen auch die deutsche Wirtschaft diese Chance verpassen würden, dann werde das gravierende Folgen haben, sagt Börner, dann würden nämlich radikale Kräfte an die Macht kommen. Diese Situation wolle er sich gar nicht vorstellen.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Zhang Danhong