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Hoffnung auf Rückkehr

Felix Gaedtke22. Oktober 2012

150.000 bis 200.000 Flüchtlinge aus Syrien leben zurzeit in Jordanien, und täglich werden es mehr. Ein Besuch bei einem Soldaten, einem Politiker und einem Geschäftsinhaber, die vor der Gewalt geflohen sind.

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Syrische Flüchtlinge in einem Flüchtlingscamp in Jordanien (Foto: Felix Gaedtke)
Bild: DW

Jeden Tag erreichen hunderte syrische Flüchtlinge Jordanien, an manchen Tagen sogar tausende. In dem größten Flüchtlingslager, Zaatari, leben inzwischen 30.000 Menschen. Viele geflohene Syrer kommen jedoch auch bei Verwandten und Bekannten unter oder mieten sich eine Wohnung oder ein Zimmer.

Ein Zuhause fern der Heimat

Yousof ist Vater von zwei Mädchen. Rana ist vier Jahre alt und Sahar ist sechs. In Damaskus hatte Yousof, wie sein Vater, ein Geschäft, in dem er Heizungen verkaufte. So konnte er monatlich Geld sparen - bis ein Panzer seinen Laden völlig zerstörte. "Ich war besorgt um meine Kinder und die Sicherheit unserer Familie. So habe ich mit dem gesparten Geld einen Beamten am Flughafen bestochen und wir konnten nach Amman", erzählt Yousof.

Da sie mit dem Flugzeug gekommen sind, mussten sie nicht in ein Flüchtlingslager gehen. Jetzt lebt Yousof mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in einer kleinen, aber aufgeräumten Wohnung in Amman. Die Familie hat eine kleine Insel der Normalität geschaffen. Doch wie die Menschen im Flüchtlingslager haben auch sie mit der Erinnerung an die Ereignisse in Syrien zu kämpfen. Mit leiser Stimme erzählt der Vater von den Stunden im Keller, in den sich die Familie während der Kämpfe zurückgezogen hat. Den Kindern habe er versucht zu erklären, es sei alles ein Spiel und nun mache die Familie eine Art Campingurlaub im Keller.

Flüchtlingskinder in einem Camp in Jordanien (Foto: Felix Gaedtke)
Die meisten Flüchtlinge in Jordanien leben in LagernBild: DW

Rama und ihre sechs Jahre alte Schwester tragen die gleichen Kleider: weiße Schuhe mit Blumen darauf, rosa Hosen und ein weißes Kleid. In Syrien hatte Rama einen imaginären Freund: Tamim. Sie erzählte Tamim alles. Seit sie in Jordanien ist, hat sie nicht mehr mit ihm gesprochen. Sie sagt: "Jetzt ist Tamim tot."

Besondere Lager für desertierte Soldaten

Anders als Yousof und seine Familie hat die Mehrheit der syrischen Flüchtlinge nur ein Zeltdach in einem Flüchtlingslager über dem Kopf. Für desertierte syrische Soldaten gibt es gesonderte Lager. Sie werden strikt von syrischen Zivilisten getrennt. Doch auch hier gibt es Ausnahmen: Manche Soldaten geben sich nicht zu erkennen und können so der Internierung entgehen.

Einer dieser Soldaten ist Abdelqadar. Er hat es über Umwege geschafft, ein Zimmer in Amman zu bekommen. Der 21-Jährige ist großgewachsen und hat einen kräftigen Händedruck. Sein Lachen ist freundlich und etwas schüchtern. Er war der Bodyguard eines hohen Militärs, bis man ihn eines Tages aufforderte, auf demonstrierende Jugendliche zu schießen. Er floh, wurde aber gefasst.

"Nach meiner Einlieferung ins Gefängnis haben sie mir ein Tuch über den Kopf gezogen und mich nackt ausgezogen. Dann haben sie mich gefoltert", erzählt Abdelqadar. Fünfzehn Tage lang sei er gefoltert worden. "Alle zwei Tage habe ich einen Becher Wasser bekommen und vergammeltes Brot. Ich war mir sicher: Dies ist das Ende, ich werde sterben und das war's", berichtet er nach einem tiefen Zug an seiner Zigarette.

Abdelqadar hält sich eine syrische Flagge vor sein Gesicht (Foto: Felix Gaedtke)
Abdelqadar will nach Syrien zurück - um sich zu rächenBild: DW

Nach mehreren Monaten gelang ihm die Flucht mit Hilfe der Oppositionsgruppe "Free Syrian Army" nach Jordanien. Inzwischen will er wieder kämpfen. "Viele meiner Freunde sind Rebellen. Ich brauche einen Pass - dann gehe ich über die Türkei nach Syrien und werde mit ihnen kämpfen." Er schüttelt seinen Kopf und sagt: "Ich werde denen nie vergeben, was sie mir angetan haben. Ich werde Rache nehmen und sie töten." Er drückt seine Zigarette aus und starrt in Stille.

Übergelaufener Parlamentarier

Auch Hatem Althaher hat es geschafft, aus Syrien zu fliehen. Er sitzt in der großzügigen Sofaecke einer luxuriösen Wohnung in Amman. "Ich habe Leute ermutigt, sich der Revolution anzuschließen. Als dies bekannt wurde, wollte man mich verhaften", berichtet Althaher. Doch er wurde gewarnt und verließ das Land daraufhin sofort. Bis vor wenigen Monaten saß er noch als Abgeordneter im syrischen Parlament.

Althaher kam mit seiner Frau und ihren fünf Kindern von Deera über die Grenze. Er hat gute Beziehungen und konnte so die Wohnung finden, in der er jetzt mit seiner Familie lebt. Viele seiner Verwandten sind noch in Syrien. "Dies ist ein Test für die Welt. Der wird zeigen, ob sie es mit Menschenrechten ernst meinen oder ob das nur geheuchelt ist", sagt der Politiker.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) geht davon aus, dass bis Ende des Jahres 700.000 Syrier ihr Land verlassen haben werden. Ihre Lebensbedingungen in Jordanien mögen sich unterscheiden, doch eines verbindet sie: Sie hoffen, dass sie bald in ihre Heimat zurückkehren können - in ein Leben in Normalität.