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Das Leiden des „Griechen um die Ecke“

27. März 2010

Griechenland bekommt seinen Notfallplan. Die 16 Euro-Länder werden dem gebeutelten Staat unter die Arme greifen. Dennoch ist der Ärger beim Bürger groß – darunter leidet auch der "Lieblings-Grieche um die Ecke".

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Themenbild Fernschreiber (Grafik: DW)
Bild: DW

Seit einigen Wochen sind die Griechen nicht mehr des Deutschen liebstes Kind, wenn es um kulinarische Delikatessen geht. Man misstraut nun jedem Gastwirt griechischer Herkunft, meidet gar ganz das Betreten griechischer Restaurants. Nicht allein beim Essen sind die Griechen bei den Deutschen unten durch; auch auf anderen Feldern stehen die Vorzeichen für eine baldige Versöhnung auf rot. Und das alles nur, weil die Griechen lange Jahre über ihre Verhältnisse gelebt haben?

Kein Verständnis für die Sorgen

Bundeskanzlerin Angela Merkel jedenfalls scheint wenig Interesse für das Schicksal der hiesigen Restaurantbetreiber aus Hellas zu haben. „Für uns alle ist ja wichtig, dass auch langfristig unsere gemeinschaftliche Währung, die ja ein solcher Erfolg ist für Frieden und Gemeinsamkeit, auch stabil bleibt.“ So lautet ihre persönliche Bewertung der Notwendigkeit von Finanzhilfe für Griechenland. Frieden und Gemeinsamkeit sind also ihr Antrieb; die Sorgen der hier lebenden Hellenen erwähnt sie nicht einmal.

Der Fußball und die Ehre

Auch auf dem Fußballplatz sind die Griechen nicht mehr gern gesehen. Theofanis Gekas von Hertha BSC Berlin sorgte nach Wochen der Torabstinenz zwar immerhin vergangenes Wochenende für Aufsehen, ein Abstieg der „alten Dame“ aus der Bundesliga ist aber kaum noch vermeidbar. Die beiden Griechen bei der Frankfurter Eintracht Ioannis Amanatidis und Nikos Liberopoulos sind entweder dauerverletzt oder werden gar nicht mehr berücksichtigt. Die letzte Hoffnung: Die Nationalmannschaft. Die ist zwar für die WM qualifiziert, fairerweise ist ein erneuter internationaler Titel nach der EM 2004 realistischerweise doch eher unwahrscheinlich. „König Otto“ würde ansonsten vermutlich die Aufnahme in den Olymp winken, der Platz neben Zeus künftig direkt vom griechischen Nationaltrainer besetzt werden. Ein WM-Titel im Fußball - was für ein Labsal für die gebeutelte Seele des griechischen Volkes.

Streik und Empörung

Der Fußball kann die Ehre der Griechen retten, die streikenden Demonstranten nicht. Die Empörung beim Rest der Bevölkerung Europas ist groß. Die Deutschen wollen den Griechen eigentlich nicht helfen. Nur 46% der Befragten einer Umfrage von N24 befürworten EU-Hilfeleistungen für die Hellenen. Deshalb glauben auch nur 20% der Deutschen, dass die Griechen die Krise alleine bewältigen können. Warum gehen hier Menschen, die im öffentlichen Dienst sind, auf die Straße, die mit 58, spätestens 61 Jahren in Rente gehen dürfen, während die Menschen in Deutschland bis 67, in ein paar Jahren vielleicht sogar bis 70 arbeiten müssen? Und das obwohl man jahrelang dort auch noch schön Geld hineininvestiert hat, nicht allein aus EU-Fördertöpfen, sondern vor allem immer den billigen Griechenland-Urlaub gebucht hat? Da kann man doch gefälligst ein bisschen Verständnis von den Griechen erwarten.

Kurzfristige Versöhnung

Dieses Verständnis erwarten die Deutschen von allen Griechen, egal wo. Auch für den „Lieblings-Griechen“. Wenn Griechenland die Fußball-Weltmeister wird kann man ja dann wieder dort vorbeischauen, um gratis Ouzo bis zum Abwinken trinken zu können. Dann ist auch der Ärger über Griechen, die nicht mit Geld umgehen können, schnell vergessen.

Autor: Mathias Ostertag
Redaktion: Reinhard Kleber