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Reise

Das müssen Sie sehen! Wirklich?

Andreas Kirchhoff
6. November 2018

Regelmäßig werden Rankings oder Ranglisten mit Reisezielen veröffentlicht. Der Verlag Lonely Planet hat als Top-Ziele für 2019 die Länder Sri Lanka und Deutschland gekürt. Wie muss man solche Listen lesen?

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Goldene Tempel mit Buddha-Statue, Dambulla, Sri Lanka, Asien
Der Goldene Tempel mit Buddha-Statue in Dambulla, Sri Lanka Bild: picture-alliance/imagebroker

Unterwegs in Sri Lanka

Mit den Superlativen ist das so eine Sache. Das schönste, größte oder beste zu versprechen, garantiert fast zwangsläufig Aufmerksamkeit. Denn mit diesen Bezeichnungen scheint die Frage nach der Relevanz schon beantwortet.

Das führt in den Medien - wenn es um das Thema Reisen und Sehenswürdigkeiten geht - zu bemerkenswerten Stilblüten. In Deutschland ist zum Beispiel die Formulierung "nördlich der Alpen" ziemlich geläufig, wenn davor ein Superlativ behauptet wird und so im Nachsatz eine Einschränkung versteckt werden kann.

Ranking ist Marketing

Es kommt - wie so oft - auf die Nachsätze und das Kleingedruckte an. Bei den Bestenlisten etwa über die Top-Reiseziele spielt es natürlich eine Rolle, ob sie auf Zahlen oder Erhebungen basieren oder ob das Ganze eine subjektive, beispielsweise redaktionelle Auswahl wiedergibt.

So ist die alljährliche Liste "Best in Travel“ des einflussreichen Reisebuchverlags "Lonely Planet" eben nicht mehr und nicht weniger als die subjektive Auswahl des Verlags, mit dem der Absatz der eigenen Buchproduktion angekurbelt werden soll. Jedes Jahr im Herbst erscheint ein neues Buch unter dem Titel "Best in Travel" und das zeitgleich veröffentlichte Ranking ist dabei eine wichtiges Marketing-Instrument.

Dabei hat ein so renommierter Verlag auch einen Ruf zu verteidigen. Für Sorgfalt und Glaubwürdigkeit steht eine Auswahl-Jury. In der hat neben selbsternannten Experten auch der legendäre Verlagsgründer Tony Wheeler sein Votum abgegeben. Der 71-jährige hat es eigentlich nicht mehr nötig, sich zu verbiegen. Den von ihm und seiner Frau 1973 nach einem Asientrip gegründeten Verlag hat er schon 2011 verkauft. Mittlerweile kümmert sich Wheeler hauptsächlich um seine Stiftungen, hält Vorträge und reist um die Welt.

Surfen in Sri Lanka

Warum also ist Sri Lanka für "Lonely Planet" das Trend-Reiseland für 2019? In der Begründung des Verlags heißt es, das Land habe sich fast zehn Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs neu erfunden. Bessere Verkehrsverbindungen, neue Hotels, die Naturlandschaften und zahlreiche neue Aktivitäten wie eine wachsende Surferszene würden das Reiseziel besonders attraktiv machen.

Elephant Rock im Yala Nationalpark, Sri Lanka, Asien
Elefantenfelsen im 1938 gegründeten Yala Nationalpark, Sri Lanka Bild: picture-alliance/imagebroker

Für die Regierung in der Hauptstadt Colombo war die Kür zum Top-Reise-Ziel für 2019 tatsächlich ein großer Event. Bei der Pressekonferenz bedankte sich der für die Entwicklung des Tourismus zuständige Minister John Amaratunga bei den anwesenden Verlagsangestellten. Lonely Planet sei eine Autorität in Sachen Reisen und Tourismus. Für Sri Lanka ist der Tourismus nach dem 26-jährigen Bürgerkrieg eine wichtiger Wirtschaftsfaktor. Zwei Millionen Touristen kamen im letzten Jahr, 2020 sollen es doppelt so viele sein.

Strand bei Mirissa, Matara, Südliche Provinz, Sri Lanka, Asien
Surfspot in der Nähe von Mirissa, im Süden Sri Lankas Bild: picture-alliance/robertharding/R. Francis

Es gibt aber auch Stimmen, die vor den Folgen von Massentourismus warnen. Die Meeresbiologin Sahsa de Vos aus Colombo etwa meint, dass das Natur- und Kulturerbe Sri Lankas einem Touristen-Ansturm nicht gewachsen sei.

Destination Deutschland

In Deutschland hat die Tatsache, auf dem zweiten Platz unter den von Lonely Planet ausgesuchten Top-Reisezielen für 2019 zu sein, eher weniger  Aufmerksamkeit erregt. Begründet wurde die Wahl vor allem mit zwei runden Jubiläen: 30 Jahre Mauerfall und 100 Jahre Bauhaus.

Deutschland Brandenburger-Tor 1990
2019 jährt sich der Mauerfall in Berlin zum 30. MalBild: imago/F. Berger

Auch in Deutschland selbst werden gerne Listen produziert, die Reisewilligen Orientierung und Anregungen geben sollen. Jahrelang hat die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) ausländische Deutschland-Besucher aufgefordert, über ihr Lieblingsreiseziel abzustimmen. In Abgrenzung zu subjektiven Kriterien sollten dabei objektive Zahlen ermittelt werden.

Schloss Neuschwanstein im Winter
Reiseziel vieler Deutschlandbesucher - Schloss Neuschwanstein in Bayern Bild: picture-alliance/H.-C. Dittrich

Bei der letzten Liste der Top 100-Sehenswürdigkeiten lag das Miniaturwunderland Hamburg vor dem Europapark Rust. Erst danach folgte Schloss Neuschwanstein.  Da solche Abstimmungen via Internet ja vor allem vom Mobilisierungsaufwand der am Ergebnis interessierten Unternehmen abhängen, hat so eine Liste ein gewisses Überraschungspotential. Das scheint auf die Dauer aber auch unbefriedigend; ist weder objektiv, noch als fundierte Experteneinschätzung zu werten. In diesem Jahr hat die DZT auf ihre Liste verzichtet und arbeitet an einem neuen Ranking-Konzept.

Vorbild New York Times

Der Höhepunkt der alljährlichen Ranking-Veröffentlichungen mit garantierter Aufmerksamkeit kommt erst nächstes Jahr. Anfang Januar 2019 veröffentlicht die New York Times dann schon zum 14. Mal ihre "52 places to go". Auch dort war Sri Lanka schon einmal der Top-Reisetipp. 2010 mit einer ähnlichen Begründung wie auf der Lonely Planet-Liste aus diesem Jahr: Das Ende des Bürgerkriegs, einzigartige Naturschönheiten, tolle Strände und bessere Hotels.

Niederlande Amsterdam De Waag
Auch Amsterdam zählt zu den Städten, die unter dem Massentourismus leiden Bild: picture-alliance/AP Photo/P. Dejong

Letztes Top-Reiseziel für die New York Times war übrigens New Orleans. Auch ein Ort, der nach dem Hurrikan Katrina ein schweres Schicksal bewältigen musste und der noch dazu - mit dem 300. Geburtstag der Stadtgründung - ein Jubiläum zu feiern hatte.

Listen als Warnung

Die ganz großen Überraschungen also sollte man von solchen Listen nicht erwarten. Aber als Inspiration können solche Rankings mit 10, 52 oder 100 Reisezielen vielleicht nützlich sein. Ergänzend sollte man seine Reisepläne vielleicht noch mit einer der mittlerweile auch recht populären Negativlisten abstimmen. So benennt der amerikanische Reisebuchverlag "Fodor’s" jedes Jahr Orte, die man wegen Massentourismus, Umweltverschmutzung oder politischen Spannungen besser nicht bereist. Auf der "No List 2018" standen neben Amsterdam und Venedig zum Beispiel die Galapagos-Inseln und Myanmar. So oder so, die nächste Liste kommt bestimmt.