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Hungern für den Beruf

Dorothée Brandt31. Oktober 2006

Lange wurde das Hungern der Models ignoriert. Die Models selbst beteuern, nur Sport zu machen - bei 50 Kilogramm Gewicht und 1,80 Meter Größe. Wie viel Hungern gehört zum Model-Alltag dazu?

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Wie dürr ist dünn genug?
Kein Witz, sondern Werbung:<br>Heidi Klum isst einen HamburgerBild: AP

Alexandra und Stefanie haben eine Top-Figur: auffallend groß, sehr schlank, fast untergewichtig. Seit einigen Jahren arbeiten sie erfolgreich als Models. Schon im Alter von 15 Jahren haben die beiden mehr Zeit auf Flughäfen verbracht, um von Modenschau zu Modenschau zu fliegen, als in der Schule.

Die blonde, sommersprossige Stefanie ist jetzt 20 Jahre alt. Sie ist sich des Schlankheitsdrucks in ihrem Beruf sehr bewusst. Die Traumfigur, sagt sie, sei nicht nur guten Genen zu verdanken: "Ich hatte schon einmal ein Casting, wo man mir gesagt hat, dass ich zwei Kilo zu viel wiege", erzählt Stefanie. "Und dann isst man auf jeden Fall weniger. Direkt vor Shootings esse ich abends meistens nichts und morgens gibt es dann nur Kaffee und Zigarette, dann ist der Hunger auch irgendwann weg."

Models auf dem Laufsteg
Auf den internationalen Laufstegen zählt jedes GrammBild: AP

"Ich esse relativ normal"

Die 22-jährige Alexandra sieht das entspannter. Ihr Rezept: bewusste Ernährung, meist ohne Zucker und mit sehr wenig Fett und viel Sport. Für sie ist die Debatte um magersüchtige Models ein von den Medien aufgebauschtes Thema: "Man wirft uns ja immer vor, wir wären alle magersüchtig, ich kann das überhaupt nicht bestätigen, ich esse relativ normal, das ist ja auch Veranlagung. Ich mache ein bisschen Sport aber ich kann gut eine Chipstüte essen."

Eiserne Disziplin gefordert

Mode aus Düsseldorf
Schön dünn?Bild: AP

Dennoch: Die Mode steht im Ruf, falsche Schönheitsideale zu verbreiten und normalgewichtige junge Mädchen in Magersucht und Bulimie zu treiben. Dass eine eiserne Disziplin und der Verzicht auf Fast Food und Süßigkeiten eigentlich die Voraussetzungen des Modelberufes sind, stellt auch Claudia Midolo nicht in Frage. Das ehemalige Topmodel führt seit zwölf Jahren die Hamburger Agentur "Modelwerk". Sie rät den 14- bis 16-jährigen Mädchen ihrer Agentur immer zu einer Nahrungsumstellung. Ihre Agentur hat eigens eine Ernährungsberaterin angestellt, die den Mädchen sagt, was sie essen sollten, um genug Energie für den anstrengenden Beruf zu bekommen und gleichzeitig dünn bleiben. "Das heißt dann extrem gesund, mageres Fleisch, sehr viel Gemüse, mageren Fisch, braunen Reis", sagt Midolo. "Das sind eigentlich die einzigen Kohlenhydrate, die wir den Mädchen erlauben."

Der Hüftumfang ist ausschlaggebend

Trotz dieses strengen Diätplans ist die Model-Agentin überzeugt, dass der Model-Beruf alleine keine Ess-Störungen hervorruft. Sie gibt zwar zu, dass bei den Schauen in Berlin, Paris, New York und Mailand nur Mädchen auf den Laufsteg geschickt werden, die einen Hüftumfang von maximal 88 Zentimetern haben. Doch Claudia Midolo sagt auch, dass man den körperlich anstrengenden Job mit ständigem Hungern gar nicht bewältigen kann. "In diesen Jahren habe ich bestimmt 2000 bis 3000 Models betreut - und davon war nur eine magersüchtig", behauptet Midolo. "Ich denke, dass die Magersucht ein seelisches Problem ist."

"Ess-Störungen gibt es in allen sozialen Schichten"

Marilyn Monroe
Könnte mit ihren Maßen heutzutage nicht als Model arbeiten: Marilyn MonroeBild: AP

Von Modeschauen und Werbeplakaten allein geht für Jugendliche noch keine Gefahr aus, meint Karola Sommerburg vom Hamburger Sucht-Präventions-Büro "Kajal": "Sicherlich beeinflussen Models in Zeitschriften und im Fernsehen die jungen Mädchen, doch Magersucht und Bulimie sind psychische Störungen und haben andere Wurzeln. Früher ging man davon aus, dass Mädchen, die von zuhause viel Leistungsdruck bekommen eher an Magersucht erkranken. Doch inzwischen weiß man, dass diese Erkrankung in allen sozialen Schichten vorkommt."

Für die auf Döner, Eis und Pommes Frites verzichtenden Models, die dieses karge Leben satt haben, gibt es übrigens eine gute Nachricht: Bei den Pariser Prèt-à-porter-Schauen Anfang Oktober hat der Designer Jean-Paul Gaultier aus Protest gegen Mager-Models eine sehr rundliche Dame in seinen Kreationen über den Laufsteg geschickt.