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Wie grün ist das Oktoberfest?

Ruth Krause21. September 2015

16 Tage Party-Exzess beim größten Volksfest der Welt - das muss eine Mords-Sauerei sein, denkt man. Weit gefehlt! Das Oktoberfest ist so umweltfreundlich wie kaum eine andere Großveranstaltung.

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Oktoberfest 2014
Bild: picture-alliance/dpa/M. Müller

Das Münchner Oktoberfest ist eine Party der Superlative: 170 grell blinkende Achterbahnen und Fahrgeschäfte, dröhnende Musikanlagen neben Schießbuden voller Plastikrosen, Festzelte, so groß wie Sporthallen. Dazwischen gedrängt: insgesamt sechs Millionen Besucher in verschiedenen Trunkenheitsgraden, die eine halbe Million Hähnchen verschlingen und mit knapp acht Millionen Liter Bier herunterspülen - so viel wie ein gut gefülltes Schwimmbad.

Kann so ein Exzess umweltschonend sein?

Es ist schwierig, aber: Ja, es geht. Das Münchner Oktoberfest hat sich den Status als grünes Großereignis erarbeitet, 1997 bekam es den 'Umwelt-Oscar' verliehen. Nur weiß das kaum einer.

Bio-Verpflegung und Ökotoilette

München Oktoberfest Hacker-Festzelt Bierzelt
Nichts geht ohne den traditionellen Maßkrug!Bild: picture-alliance/dpa

Mit dem Essen fängt alles an: Vom Grillhähnchen, dem sogenannten 'Wiesn-Hendl' über Schweinshaxe und Bratwurst bis hin zu gebrannten Mandeln und Schokofrüchten: Alles gibt es auf dem Oktoberfest auch in Bio-Qualität.

Das Wirtshaus Schichtl beispielsweise bietet ausschließlich Bio-Fleisch von Hermannsdorfer, einem renommierten Biobauernhof aus der Region an. "Bei Fleisch ist die Bio-Qualität natürlich besonders wichtig und die Leute kommen deswegen auch gezielt zu uns", so die Leiterin der Gastronomie, Conny Berke.

Egal, in welches Brauerei-Festzelt der Besucher geht: Dass das Bier nach deutschem Reinheitsgebot ohne genverändertes Getreide gebraut wurde und in einem Maßkrug aus Glas oder Porzellan serviert wird, ist für jede Brauerei selbstverständlich.

Bierdosen sucht man auf dem Oktoberfest daher vergeblich. Die Maßkrüge werden nach erfolgreichem Leertrinken einfach abgespült. Und was passiert mit dem Spülwasser? In fünf der vierzehn Festzelte landet es nicht im Abwasserkanal, sondern in den Toilettenspülungen der Zelte.

Abfallhaufen auf dem Oktoberfest 2014
Das Hackerzelt: Auch hier landet das Spülwasser nachher in der Toilette.

Restmüll um fast 90 Prozent reduziert

Der große Umbruch passierte 1991: Damals verbot die Stadtverwaltung das Einweggeschirr, statt Papptellern kam Porzellan auf die Biertische. Der Effekt: Der Restmüll in den Zelten reduzierte sich um fast 90 Prozent. 8100 Tonnen Müll wurden damals noch produziert, im Jahr 2014 waren es nur noch 958 Tonnen - umgerechnet keine 200 Gramm pro Oktoberfestbesucher.

"Bei der Trennung von Papier und Restmüll könnte man noch nachbessern. Aber ansonsten sind wir zufrieden", so das Fazit von Evi Thiermann vom Münchner Abfallwirtschaftsbetrieb AWM, der den Müll der Festzelte entsorgt.

Für Thiermann ist das Plastikteller-Verbot ein Segen, sonst wäre die Müllentsorgung deutlich schwieriger. Die Touristen freut der Verzicht auf Plastikgeschirr auch aus einem anderen Grund: Ein Maßkrug, geklaut und trotz Trunkenheit geschickt an den Sicherheitsbeamten vorbeigeschleust, ist ein illegales, aber sehr begehrtes Souvenir.

Ökostrom - wenn auch in Maßen

Betreiber, die auf dem Oktoberfest einen Stand aufmachen wollen, müssen sich in einem 13-Punkte-Katalog der Stadt vorstellen. Umweltfreundlichkeit ist inzwischen einer der Punkte. Somit sind die Standbetreiber im Prinzip zu grünem Handel gezwungen, denn die Konkurrenz für die Stände auf dem Oktoberfest, der sogenannten "Wiesn", ist groß.

Flash Galerie Dirndls und Oktoberfest 9
Adrenalin dank Ökostrom: Der Freefall-Tower.Bild: picture-alliance/dpa/F. Leonhardt

"Wir wollen die Umwelt schonen. Gerade bei so einer großen Veranstaltung, die natürlich eine Menge Strom verbraucht, Müll und Emissionen produziert, halte ich das persönlich für wichtig", meint Hans Spindler, Leiter der Veranstaltungsabteilung der Stadt München. Und ganz nebenbei, so gibt er zu: Es ist auch einfach gute Werbung.

Die Festleitung betreibt seit dem Jahr 2000 alle öffentlichen Bereiche des Oktoberfests - wie zum Beispiel die Straßen und Toiletten - mit Ökostrom. Über 60 Prozent der selbständigen Schausteller und Festzeltbetreiber sind der Festleitung gefolgt und haben freiwillig auf Ökostrom umgestellt. Fahrgeschäfte wie das Riesenrad, der Freefall-Tower oder die Achterbahn 'Wilde Maus' werden nun mit Elektrizität aus Wasserkraftwerken der Münchner Stadtwerke beliefert.

Das ist zwar etwas teurer, aber wichtig, denn das weltgrößte Volksfest ist und bleibt trotz aller Bemühungen ein Stromschlinger. Drei Millionen kWh werden jährlich benötigt - damit könnte man 1200 Münchner Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen.

Ganz ohne Strom und CO2 kann man übrigens zur Wiesn an - und abreisen: Über 200 Fahrradtaxen sind zur Oktoberfestzeit in der Stadt unterwegs. Die dreirädrigen Rikschas, auf denen zwei Passagiere Platz finden, werden oft ausschließlich durch die Muskelkraft der Fahrer betrieben.

Oktoberfest 2014
Muskelkraft statt Motor: CO2-neutraler Wiesn-TransportBild: DW/R. Krause

Die meisten machen es unbewusst

Die Wiesn-Besucher selbst interessieren die Umweltschutzbemühungen allerdings nur bedingt, gibt Spindler zu. "Die meisten Oktoberfestbesucher achten nicht darauf, für sie ist das Volksfest der Ort, an dem man mal über die Stränge schlägt. Da stehen Genuss und Lebensfreude deutlich im Vordergrund", so Spindler. Daher hängt kaum ein Standbesitzer sein ökologisches Engagement an die große Glocke.

Aber im Prinzip ist das Desinteresse der Party-crowd nicht ausschlaggebend. Denn wenn die Besucher trotzdem von Mehrweg-Porzellantellern ihr Bio-Hendl essen, sich mit Ökostrom in der Achterbahn durch die Gegend wirbeln lassen und nachher mit der Fahrradrikscha nach Hause fahren, sind nicht nur sie glücklich, sondern auch die Umwelt.