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Das Regime zerfällt - Assads Premier läuft über

6. August 2012

Der Rückhalt von Syriens Machthaber Assad schwindet und schwindet. Nach hochrangigen Militärs und Diplomaten ist jetzt auch sein Ministerpräsident zur Opposition übergelaufen. Die Version aus Damaskus lautet anders.

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Riad Hidschab (Archivfoto 2011: Reuters)
Bild: Reuters

Jetzt hat auch Riad Hidschab genug von den Massentötungen und dem verbrecherischen Regime in seiner Heimat. Der Regierungschef lief nach Angaben seines Sprechers zur Opposition über und ist samt seiner Familie in Sicherheit. Der Sprecher verlas im arabischen TV-Sender Al-Dschasira eine Erklärung Hidschabs, in der sich dieser von den blutigen Machenschaften Baschar al-Assads distanzierte.

Zuvor war aus Regierungskreisen in Amman bekannt geworden, dass sich Hidschab ins benachbarte Jordanien abgesetzt haben soll. Sein Ziel könnte Katar sein. Auch die oppositionelle Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London verbreitete diese Information. Hidschab hatte das Amt erst im Juni übernommen, zuvor war er Landwirtschaftsminister.

Machtbasis von Assad bröckelt

Überläufer und Deserteure

Aus Quellen der Opposition verlautete, auch drei Minister seien aus Syrien geflüchtet. Die staatlichen syrischen Medien meldeten dagegen, Hidschab sei entlassen worden. Zu seinem Nachfolger habe man den bisherigen Vize-Ministerpräsidenten Omar Galawandschi bestimmt.

In der Türkei wurde offiziell mitgeteilt, ein weiterer syrischer Brigadegeneral habe im Nachbarland Zuflucht gesucht. Außerdem hätten sich fünf hochrangige Offiziere sowie mehr als 30 Soldaten abgesetzt.

Bombe im Rundfunkgebäude

Stunden zuvor war aus Syriens Hauptstadt Damaskus ein Anschlag auf den staatlichen Fernseh- und Rundfunksender gemeldet worden. Die Bombe ging im dritten Stock des Gebäudes hoch. Augenzeugen berichteten von einigen Verletzten und erheblichen Sachschäden. Das Gebäude liegt im Bezirk Omajjad, einer streng gesicherten Zone der Stadt mit zahlreichen Kontroll-Punkten.

Informationsminister Omran al-Soabi beschuldigte "feige Terroristen", den Sprengsatz deponiert zu haben, um "Syrien zu destabilisieren". Seine Äußerungen wurden demonstrativ im TV ausgestrahlt, um zu dokumentieren, dass der Sendebetrieb trotz des Anschlags weitergeht.

Ein verwüstetes TV-Studio (Foto: afp)
Eines der TV-Studios nach dem AnschlagBild: Getty Images/AFP

Die Hauptstadt selbst soll nach letzten heftigen Kämpfen mit den Rebellen wieder weitgehend unter der Kontrolle der Militärs von Machthaber Baschar al-Assad stehen. Mit dem Stadtviertel Al-Tadamun hätten die Aufständischen ihre letzte Hochburg verloren, hieß es. Nach Angaben eines lokalen Aktivisten erschossen Assad-Getreue bei Hausdurchsuchungen mehrere Menschen an Ort und Stelle. Von unabhängiger Seite lassen sich diese Informationen nicht überprüfen.

Truppen haben keinen Diesel mehr

In der Wirtschafts- und Finanzmetropole Aleppo dagegen toben die Gefechte weiter. Regierungstruppen hätten mehrere Stadtviertel unter schweren Beschuss genommen, erklärten syrische Menschenrechtler. Der britische Rundfunksender BBC meldet, die Truppen Assads würden in Vorbereitung auf die womöglich entscheidende Schlacht um Aleppo ständig verstärkt.

Unzählige Soldaten sowie Panzer und andere Militärfahrzeuge seien zusammengezogen worden, berichtete ein BBC-Korrespondent von der türkischen Grenze. Kampfflugzeuge, Helikopter und Artillerie hätten Positionen der Rebellen angegriffen. Laut russischen Medienberichten gehen dem Assad-Regime or allem raffinierte Erdölprodukte wie Diesel aus. Die Delegation um Vizeregierungschef Kadri Dschamil habe in Moskau "eine gewisse Summe in harter Währung beantragt, um die komplizierte Lage in Syrien zu überbrücken".

Nahost-Experte: Syrisches Regime massiv unter Druck # Studiogespräch Michael Lüders # studio_lueders19a # 06.08.2012 19 Uhr # Journal # deutsch

Löning gegen Aufnahme von Syrien-Flüchtlingen

Schnelle Hilfen für syrische Flüchtlinge unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit fordert der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning. Wer den betroffenen Frauen und Kindern in die Augen schaue, könne doch nicht sagen, "dir gebe ich, weil du Christ bist und deinem Nachbarn gebe ich nichts", sagte Löning dem Südwestrundfunk in Baden-Baden.

Der FDP-Politiker reagierte damit auf Äußerungen von Union-Fraktionschef Volker Kauder. Dieser hatte die Situation der christlichen Minderheit in der Krisenregion als dramatisch bezeichnet und erklärt: "Wir prüfen derzeit, wie wir zumindest den Christen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind, helfen können."

Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung (Archiv-DW)
Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der BundesregierungBild: DW

Zugleich forderte Löning die Hilfe vor Ort, also vor allem in den Zufluchtsstaaten Libanon und Jordanien, in den Mittelpunkt zu stellen. Es sei "völlig fehl am Platz", darüber zu diskutieren, ob syrische Flüchtlinge nach Deutschland kommen wollten oder sollten, sagte Löning mit Blick auf eine entsprechende Forderung der Grünen. "Die Leute wollen dort nicht weg, weil sie die Hoffnung haben, dass die Kämpfe bald vorbei sind und dass sie wieder nach Hause können", fügte er hinzu.

se/kle (dpa, kna, epd, rtr, afp, dapd)