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Das sagen unsere Aktivisten zur sozialen Ungleichheit

Suzanne Cords11. Juni 2013

Welchen (ökonomischen) Preis sind wir für Demokratie- und Freiheitsrechte bereit zu zahlen? Und wie viel soziale Ungleichheit verträgt die Demokratie? Unsere Aktivisten haben dazu unterschiedliche Auffassungen.

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Journalistin Tetiana Chornovol aus der Ukraine:

Für die Demokratie und Freiheitsrechte muss man bereit sein, den höchsten Preis zahlen - auch einen ökonomischen. Die Demokratie ist alternativlos. Kein guter Zar kann die ersehnte Ordnung schaffen, auch nicht mit eiserner Hand - das ist bloß ein Mythos. Soziale Ungleichheit ist eine Naturerscheinung. Aber eine soziale Ungleichheit, die aus dem Gleichgewicht geraten ist, und vor allem eine unterentwickelte Mittelschicht zeugen davon, dass die Zivilgesellschaft im Land versagt hat und die Demokratie nur Schein ist.

Tetiana Chornovol, Ukraine
Bild: DW

Oppositionspolitiker Amr Badr aus Ägypten:

Wenn weder Demokratie noch Freiheit gegeben sind, ist soziale Ungerechtigkeit vorprogrammiert. Auch wenn die Wirtschaft blüht und das Bruttoinlandsprodukt hoch ist, kommen das Geld und damit allgemeiner Wohlstand noch lange nicht beim Volk an. Nur wenn Demokratie und Freiheit erlangt werden, kann der Lebensstandard eines Volkes sich verbessern; nur dann können Grundbedürfnisse wie ein anständiges Dach über dem Kopf, Zugang zur Bildung und eine Krankenversicherung gewährleistet werden. Damit die Menschen in unseren Gesellschaften Demokratie verstehen und sogar herbeisehnen, müssen sie den Unterschied zwischen sozialer Ungerechtigkeit in Diktaturen und sozialer Gerechtigkeit in einer Demokratie am eigenen Leib erfahren.

Amr Badr, Ägypten
Bild: DW

Umweltaktivist Quentin James aus den USA:

Meiner Meinung nach schließen sich Demokratie und Konjunktur nicht gegenseitig aus. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Einkommensverhältnisse zwischen dem einem Prozent der Superreichen und dem Rest der Welt dramatisch verschoben und ihnen unvorstellbare Profite gebracht. Die Occupy Wall Street Bewegung hat gegen die Finanzpraktiken und Führungskräfte aufbegehrt. Die Finanzkrise 2008 hat bewiesen, dass der unkontrollierte Kapitalismus uns alle bedrohen kann. In den USA reagierte man mit grundlegenden Finanzreformen, um uns alle zu retten und zu verhindern, dass so etwas noch mal passieren kann. Das ist ein wunderbares Beispiel funktionierender Demokratie; aber es liegt noch viel Arbeit vor uns, damit Grundrechte und Gerechtigkeit bewahrt bleiben.

Quentin James, USA
Bild: DW

Rechtsanwältin Lila Bellou aus Griechenland:

Ohne Freiheit gibt es keine Demokratie, und ohne Demokratie gibt es keine Freiheit. Die Wirtschaftskrise hat uns allen klar gemacht, dass man ständig um die Demokratie kämpfen muss; weder Freiheit noch Demokratie werden uns einfach so geschenkt. Aber ich kann kaum glauben, dass diese Werte auf dem Altar der Finanzkrise geopfert werden. Man kann sie nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilen.

Lila Bellou, Griechenland
Bild: DW

Japanischdozentin Isabelle Makgoeva aus Russland:

Russland ist ein Land mit typischer Rohstoffwirtschaft. Eine zentrale demokratische Forderung in solchen Ländern ist und bleibt, dass Öl, Gas und andere Bodenschätzen zu 100 Prozent nationalisiert werden. Das würde ermöglichen, die Lebensqualität aller Bürger zu steigern und demokratische Reformen durchzuführen. Derzeit aber landen Unsummen von Geld in den Taschen derjenigen, die in den 1990er Jahren das nationale Eigentum, ob Rohstoffe oder Industrieobjekte, an sich gerissen haben. Obwohl der Ölpreis mehrfach gestiegen ist und Russlands Bruttoinlandsprodukt kontinuierlich wächst, setzt das Regime anti-soziale Reformen durch und führt kostenpflichtige Bildung und medizinische Versorgung ein.

Isabelle Magkoeva, Russland
Bild: DW

Grafikdesigner Marc Masmiquel aus Spanien:

Der neoliberale Fokus auf die Wirtschaft hat große Barrieren und soziale Konflikte geschaffen. Die Jugend erwacht gerade in dieser Realität. Die jungen Generationen haben weder Diktaturen noch Weltkriege erlebt, und sie haben kein internationales historisches Gedächtnis. Die aktuelle Demokratie ist eine versüßte und vereinfachte Version der realen Demokratie.

Marc Masmiquel, Spanien
Bild: DW

Ich weiß nicht, ob der Sozialismus auf der Strecke geblieben ist; ich weiß aber mit Sicherheit, dass es immer Menschlichkeit geben wird – ebenso wie den Drang zur Evolution und das Bedürfnis, die Lebensbedingungen unserer Familien zu verbessern. Die Gesellschaft ist "unsere Familie", und die neuen sozialen Bewegungen arbeiten auf dieser Basis. Sie verteidigen die Rolle des Bürgers und der Mitwirkungsprozesse für die Allgemeinheit, sie verteidigen das Gemeinwohl und das Gemeingut - alles Dinge also, die für eine menschenwürdige Entwicklung unentbehrlich sind. Von dieser Warte aus ist der Sozialismus lebendiger als je zuvor, nur seine Ausprägung hat sich verändert. Der Samen der Zukunft wird schon in der Gegenwart ausgesät.