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Das "schlimmste Land der Welt"

Vanessa Fischer22. Juli 2003

Liberia ist restlos ruiniert. Die Verflechtungen der Rebellengruppen ziehen sich in alle Nachbarländer. Sollte Präsident Charles Taylor das Land verlassen, wäre das ein Hoffnungsschimmer für die gesamte Region.

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Flüchtlinge hausen nahe der US-Botschaft in MonroviaBild: AP

Das schlimmste Land der Welt. Diesen Titel erhielt Liberia kürzlich von der britischen Zeitschrift Economist. Der westafrikanische Staat rangiert auf der Liste der Krisenherde der Welt noch vor Afghanistan, Irak und Kongo. Von einem kurzen Waffenstillstand Mitte der 1990-er Jahre abgesehen wütet in Liberia seit nunmehr 14 Jahren ein Bürgerkrieg, der maßgeblich dazu beigetragen hat, die gesamte Region zu destabilisieren.

Es ist ein vielschichtiger Konflikt, der hunderttausende Menschen in die Flucht trieb. Die Zivilbevölkerung ist den Plünderungen und brutalen Übergriffen marodierender Banden schutzlos ausgeliefert. Die wenigsten können noch nachvollziehen, auf weicher Seite welche Rebellengruppe gerade kämpft.

Verflechtungen mit allen Nachbarländern

Teufelsdreieck wird das Dreiländereck Sierra Leone, Guinea und Liberia genannt. Im September 2002 schwappte der Bürgerkrieg schließlich auch auf die Elfenbeinküste über. Nur durch die militärische Intervention Frankreichs konnte der Putschversuch gegen den dortigen Präsidenten Laurent Gbagbo verhindert werden. Unterstützt wurden die Rebellen in der Elfenbeinküste von Liberias Präsident Charles Taylor. Auch in Guinea und Sierra Leone soll Taylor die Aufständischen bewaffnet haben, mit dem Ziel, die Regierungen zu schwächen.

Umgekehrt sieht es ähnlich aus. Innerhalb von vier Jahren haben Rebellenorganisationen nahezu ganz Liberia unter ihre Kontrolle gebracht. Die größte Gruppe, namens Liberians United Reconciliation and Democracy (LURD), wird von den Machthabern in Sierra Leone und Guinea unterstützt. Ihre Milizen stehen inzwischen vor den Toren der liberianischen Hauptstadt Monrovia. Seit März 2003 kämpft im Südosten des Landes eine zweite Rebellengruppe gegen Taylors Regierung. Model, wie sich die Organisation nennt, soll wiederum enge Beziehungen mit Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste, haben.

Die Jagd auf Diamanten

Es sind nicht nur alte familiäre und dynastische Fehden, die auf diese Weise über die Landesgrenzen hinaus ausgetragen werden, erklärt Stefan Meier, Westafrika-Experte an der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Vor allem die Jagd auf die Diamantenvorkommen lasse die Region nicht zur Ruhe kommen. "Diamanten sind die attraktivste Ressource in dieser Region und Liberias Vorkommen sind in Gegensatz zu denen in Sierra Leone sehr begrenzt", so Mair im Gespräch mit DW-WORLD. Allein der Schmuggel mit dem kostbaren Edelstein sowie mit Waffen für die Unterstützung der Rebellen sollen Charles Taylor mehrere hundert Millionen Dollar eingebracht haben.

Taylor war selbst Rebellenführer. 1990 kam er durch einen Putsch an die Macht. Seinen Vorgänger, Diktator Samuel Doe, räumte Taylor aus dem Weg indem er ihn zu Tode foltern ließ. Er weiß also, was ihm bevorsteht, sollten die Rebellen die Hauptstadt einnehmen. Aus Nigeria liegt Taylor bereits eine Einladung vor, die der Diktator aller Wahrscheinlichkeit nach annehmen wird. Die nigerianische Regierung dürfte dann unter großen politischen Druck von Seiten der UNO kommen, meint Stefan Mair. Denn beim UN-Tribunal in Sierra Leone liegt gegen Taylor ein internationaler Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen vor.

US-Hilfe nötig

"Auf jeden Fall hat Liberia und damit die gesamte Region keine Chance auf Befriedung, wenn Taylor weiterhin an der Macht bleibt", so Mair. Das westafrikanische Staatenbündnis ECOWAS will eine gemeinsame militärische Mission mit etwa 3000 Soldaten entsenden. Mair meint, die USA sollten ihr Versprechen einlösen und das Kommando dieser Truppe übernehmen, denn auf sich gestellt sei die Truppe nicht effektiv. "ECOWAS hat ernsthafte Kompetenzlücken. Hinzu kommen die politischen Spannungen unter den beteiligten Ländern, die sich gegenseitig schnell vorwerfen, im eigenen Interesse zu handeln", erklärt Mair.

US-Präsident George W. Bush macht eine Beteiligung amerikanischer Soldaten in Liberia allerdings vom Rücktritt Taylors abhängig. Und der wiederum hat angekündigt, das Land erst zu verlassen, wenn die Friedenstruppe in Monrovia eingetroffen ist.