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Das Tor zum Durchbruch

Oliver Samson7. Oktober 2003

Endlich hat der deutsche Fußball wieder Weltrang - bei den Frauen. Das deutsche Team hat durch den Sieg gegen die USA das Finale der WM erreicht. War das der Durchbruch für den Frauenfußball in Deutschland?

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Frauen, Freude, FinaleBild: AP

Der Vergleich ist die Wurzel allen Übels, wie schon Artur Schopenhauer wusste. Trotzdem sei er gewagt: Rund 30 Millionen deutsche Zuschauer schalteten am 4. Oktober 2003 die Sportschau in der ARD ein, um sich die Bilder eines leidlich spektakulären Bundesliga-Spieltages anzuschauen. Nur einen Tag später spielte die deutsche Frauen-Nationalmannschaft bei der WM in den USA im Halbfinale gegen den Titelverteidiger - und nur 650.000 Zuschauer setzten sich vor den Fernseher. Natürlich hinkt auch dieser Vergleich, die Sportschau lief ganz klassisch samstags um 18 Uhr, während die Frauen sich zu (in Deutschland) nachtschlafender Zeit ihren 3:0-Sieg erkämpften. Trotzdem: Frauenfußball bleibt das Stiefkind des großen Vaters Herrenfußball - zumindest was das Zuschauerinteresse und damit die Wirtschaftskraft angeht.

Wegen SARS im Land der "Soccer-Moms"

Ursprünglich sollte die WM in China stattfinden - wegen der SARS-Epidemie wurde sie aber kurzfristig in die USA verlegt. Dort fand die WM zwar schon vor vier Jahren statt, trotzdem war man aber allgemein mit der Wahl des Ausweich-Landes hoch zufrieden. Weil man den pragmatischen Amerikanern zutraute, ein solches Turnier mit minimaler Vorbereitungszeit zu stemmen und weil die USA ohnehin als Mutterland des Frauenfußballs gilt. "Soccer" ist in den USA bei Kindern der beliebteste Sport und die zugehörige "Soccer Mom", die den Nachwuchs zum Sportplatz chauffiert, ist schon längst sprichwörtlich geworden.

Bei der letzten WM vor vier Jahren, als die USA den Titel holten, war Frauenfußball ein Thema von nationalem Interesse geworden: Die Stadien waren voll, Millionen saßen vor den Bildschirmen. Und als sich US-Nationalspielerin Brandi Chastain nach dem entscheidenden Tor im Endspiel das Trikot vom Leib riss und als "weltweites Symbol für starken, gefühlvollen Frauensport" (schrieb die Frauenzeitschrift "Emma") ihren Sport-BH präsentierte, diskutierte Amerika tagelang über die Grenzen des Anstands. Mit Mia Hamm schaffte es sogar ein Star, Vorbild für eine Barbie-Puppe zu werden.

Fußball - die Zukunft ist weiblich

"Die Zukunft des Fußballs ist weiblich", verkündete daraufhin FIFA-Präsident Sepp Blatter. Mit viel Euphorie und noch mehr Geld wurde im Februar 2000 eine Frauen-Profiliga (WUSA) aus der Taufe gehoben - die erste und einzige Liga, in der Spielerinnen von ihren Kickkünsten leben konnten. Mitten in die Vorfreude auf die WM platzte dann aber die Bombe: Die WUSA stellt aus finanziellen Gründen mit sofortiger Wirkung den Spielbetrieb ein - es kamen einfach zu wenige Zuschauer. Auch bei dieser WM ist das Abebben des Booms nicht zu übersehen: Vor vier Jahren waren beim ersten Vorrundenspieltag 230.000 Zuschauer gezählt worden, diesmal waren es mit 110.000 nicht einmal die Hälfte. Und das Scheitern der sieggewohnten US-Frauen dürfte im bisherigen Frauen-Soccer-Mekka nicht gerade für einen neuen Euphorie-Schub sorgen.

Hoffen auf den Boom

Auf diesen hofft man aber nun umso mehr in Deutschland: "Für uns ist das sicher positiv, wenn die besten deutschen Spielerinnen nun auch wieder bei deutschen Vereinen spielen", sagt Siegfried Dietrich, Manager der Deutschen Frauen-Bundesliga, im Gespräch mit DW-WOLRD. Dietrich ist gerade in der USA unterwegs, um auf einem Frauen-Fußball-Symposium Erfahrungen auszutauschen – und natürlich, um für das Finale am Sonntag (12. Oktober 2003) die Daumen zu drücken. 850.000 Fußballspielerinnen sind heute schon beim DFB gemeldet, Dietrich hofft durch den Erfolg der Nationalmannschaft nun auf den großen Boom, auf den "Durchbruch" der Sportart - gerade auch in wirtschaftlicher Sicht. "In drei bis fünf Jahren könnten wir hier in Deutschland zumindest halb-professionelle Strukturen haben", so Dietrich.

Ob es mit dem Durchbruch klappt, wird das Finale zeigen. Dann haben die Deutschten gegen Schweden die Chance, zum ersten Mal Weltmeister zu werden. 26,54 Millionen Zuschauer sahen im letzten Jahr das WM-Finale der Männer, schon ein Zehntel davon wäre für die Frauen ein Erfolg. Eine Steigerung des Medieninteresses an den deutschen Frauen ist auf jeden Fall schon jetzt zu beobachten: Das altehrwürdige Fußball-Fachmagazin "Kicker" schickt nun doch außerplanmäßig eine Redakteurin zum Endspiel in die USA. Der Durchbruch?