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"Das Tsunami-Frühwarnsystem hat funktioniert"

29. Oktober 2010

Nach dem Tsunami mit mehreren Hundert Toten in Indonesien wird auch Kritik an dem Frühwarnsystem laut. Es gab Berichte über Versagen des Systems und defekte Einzelteile. DW-WORLD.DE hat beim Projektleiter nachgefragt.

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Ein Dorf auf Mentawai, das vom Tsunami verwüstet wurdeBild: AP

DW-WORLD.DE: Herr Lauterjung, hat das System nun funktioniert oder nicht?

Jörn Lauterjung: Das System hat funktioniert wie vorgesehen. Nach 4:46 Minuten ist eine Warnmeldung vom Warnzentrum in Jakarta versendet worden, in der vor einer Tsunami-Welle gewarnt wurde.

Und was ist mit den Berichten über defekte Messbojen?

Wir sollten erst einmal die Situation vor Ort schildern, dann wird die Problematik deutlicher. Das Erdbeben hat sozusagen direkt vor der Haustür der südlichen Mentawai-Inseln stattgefunden, nur in 25 Kilometern Entfernung. Die Tsunami-Welle ist genau zeitgleich mit der Warnung an der Küste eingetroffen. Das erklärt vielleicht die widersprüchlichen Meldungen, die wir gehört haben. Aber das System hat funktioniert.

Letztlich ist es also nicht möglich, die Menschen rechzeitig zu warnen?

Das ist eine große Schwierigkeit, hier setzt uns die Physik ihre Grenzen. Wenn ein Erdbeben stattfindet, lässt sich das Epizentrum nicht sofort lokalisieren und die Reichweite bestimmen. Die Daten müssen zuerst verarbeitet und ein Lagebild erschlossen werden. Es muss berechnet werden, wo die Welle ankommt, wie schnell und wie hoch sie ist. Das alles braucht Zeit. Wir haben versucht, diese Zeit in dem System zu minimieren. Aber weniger als vier oder viereinhalb Minuten sind zur Zeit nicht möglich.

Führt dieser Fall das System ad absurdum?

Das führt das System überhaupt nicht ad absurdum. Ich hatte ja schon auf die besonders kurze Distanz zwischen dem Erdbebenzentrum und der Küste hingewiesen. Ein weiterer Zufall ist der, dass die Mentawai-Inseln wie ein Schutzschild vor der Küste von Sumatra gewirkt haben. Hätte dieses Erdbeben nur einige Kilometer nördlich oder südlich stattgefunden, wäre der Tsunami mit deutlich höheren Wellen und deutlich höherer Gewalt auch auf die Küste Sumatras getroffen. Aber dann hätte die Laufzeit der Welle mit 30 bis 35 Minuten deutlich höher gelegen. Wir hätten die Menschen etwa 25 Minuten vor dem Eintreffen der Welle erreichen können und sie hätten eine reale Chance gehabt, sich in Sicherheit zu bringen.

Jörn Lauterjung leitet am Geoforschungszentrum Potsdam den Aufbau eines Tsunami-Frühwarnsystems für Indonesien. Das deutsch-indonesische Gemeinschaftsprojekt wurde nach dem verheerenden Tsunami 2004 ins Leben gerufen.

Das Interview führte Günter Birkenstock
Redaktion: Mathias Bölinger

Das komplette Interview können Sie mit dem unten stehenden Link als Audio-Datei hören.