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Das unschlagbare Duo Papier und Luft

Insa Wrede
1. März 2018

Die Wirtschaft boomt, der Online-Handel wächst - davon profitiert auch die Wellpappenindustrie, die für die Verpackungen sorgt. Trotz großer Nachfrage nach ihren Produkten hat die Branche aber keine Feierlaune.

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Wellkistenfabrik Fritz Peters
Bild: DW/Insa Wrede

Sie ist so unscheinbar, kaum mehr als Papier und Luft und trotzdem in unserer heutigen Welt offenbar unverzichtbar. Wellpappe. Ohne sie kein Exportweltmeister - ohne sie auch keine Transporte innerhalb Deutschlands. Zwei von drei hier hergestellter Waren werden in Wellpappe verpackt auf Reisen geschickt. Da sie so leicht und gleichzeitig robust und stoßdämpfend ist, werden allein in der Bundesrepublik jährlich rund acht Milliarden Quadratmeter Wellpappe hergestellt. Damit könnte man das Bundesland Bayern abdecken - und noch ein bisschen mehr.

Infografik Material von Transportverpackungen DEU

Dabei entstehen in Deutschland eigentlich vor allem High-Tech-Produkte oder Dinge, die nicht leicht transportiert werden können wie Windräder. Alles andere lässt sich meist besser und vor allem günstiger im Ausland produzieren. Aber Wellpappe? Warum kauft man die nicht günstiger im Ausland?

"Da Wellpappe aus gewelltem Papier und aus sehr viel Luft besteht, bekommt man nur wenig Gewicht und geringe Stückzahlen auf einen Lkw. Je weiter diese leichte Ware transportiert wird, desto höher wird aber der Frachtkostenanteil", so die Erklärung von Winfried Flemmer, Geschäftsführer des Wellpappen- und Verpackungsherstellers Peters in Moers, nahe der niederländischen Grenze. Aufgrund der Frachtkosten lohnt sich also ein Transport nur in einem Umkreis von bis zu 250 Kilometern.

Hochautomatisierte Produktion

Das Familienunternehmen Peters produziert seit 80 Jahren Wellpappe. So simpel das Produkt erscheint: Wer sich heute in die Produktionshallen begibt, steht vor riesigen Maschinen, die mehrere Millionen Euro kosten. Allein die Anlage, die aus Luft und Papier Wellpappe zusammenfügt, ist an die 140 Meter lang. Sehr laut ist es in den großen Hallen und sehr sauber, denn entstehender Staub wird direkt abgesaugt. So wird dafür gesorgt, dass die Arbeiter besser atmen und dass auch die Pappe sauber ist. Das ist nötig, da sie auch Lebensmittel beim Transport schützen soll.

Wellkistenfabrik Fritz Peters
Papier wird in riesigen Anlagen zu Wellpappe zusammengeklebtBild: DW/Insa Wrede

Peters kümmert sich vor allem um kleinere und mittlere Unternehmen. "Der Kunde kommt zu uns, stellt sein Produkt auf den Tisch und sagt, davon will ich zwölf Stück in einen Karton verpacken, das muss sicher bis da und dahin kommen. "Ausgehend von der Stapelhöhe der Paletten beim Kunden und der weiteren Beanspruchung beispielsweise bei Seefracht, beginnt die Verpackungsentwicklung entsprechend den Kundenwünschen und den technischen Anforderungen mit der Entwicklung einer individuellen Verpackung," erzählt Flemmer.

Im Endeffekt produziert Peters an die 50 verschiedene Aufträge jeden Tag. Jeder Auftrag wird digital gespeichert. Um die jeweiligen Wünsche zu erfüllen, müssen die Mitarbeiter mehrmals täglich die Maschinen umrüsten. Ansonsten ist die Produktion zum großen Teil automatisiert. Auf der einen Seite laufen gerade Stücke Wellpappe in die Maschine, in der dann Formen aus der Wellpappe gestanzt, Teile zusammengeklebt, bedruckt und maschinell gefaltet werden. Etliche Meter weiter am Ende der Maschine kommen dann flache Kartons heraus, werden automatisch gestapelt und auf passende Paletten verladen, wo sie auf den Abtransport per Lkw warten. "Wir verladen hier am Tag so um die 1000 bis 1200 Paletten" erzählt Flemmer.

Wellkistenfabrik Fritz Peters
Menschen sieht man relativ wenig in der automatisierten ProduktionBild: DW/Insa Wrede

Keine Feierlaune trotz boomendem Absatz

Seit den 1960er Jahren ist der Absatz von Verpackungen aus Wellpappe ständig gestiegen. "Man kann daran auch sehr schön die Wirtschaftsdaten der Bundesrepublik nachverfolgen", meint Flemmer. Wenn die Wirtschaft mal nicht brummte, hat sich das auch in der Wellpappen-Branche gespiegelt. "Zu Zeiten der Ölkrise in den 1970er Jahren gab es einen schweren Einschnitt beim Geschäft der Wellpappenindustrie und man erkennt auch den letzten Einschnitt, der durch die Bankenkrise 2009 verursacht wurde." Darunter habe natürlich auch seine Branche gelitten, sich aber schnell wieder erholt.

Die Nachfrage nach Verpackungen aus Wellpappe ist also da und der boomende Online-Handel wird die Nachfrage weiter vorantreiben, glaubt man beim Verband der Wellpappenindustrie (VdW). Somit sollte es der Branche eigentlich gut gehen. Im letzten Jahr haben die Verbraucher für fast 59 Milliarden Euro im Internet eingekauft, das sind elf Prozent mehr als im Vorjahr. Aber trotz der großen Nachfrage haben die Pappkarton-Hersteller keine Feierlaune. Der Schuldige ist schnell ausgemacht: Der Rohstoffpreis, genauer gesagt, der Preis für Wellpappenrohpapier.

Wellkistenfabrik Fritz Peters
Mit diesen Formen werden Löcher, Schlitze und anderes in die Wellpappe gestanztBild: DW/Insa Wrede

Papier ist nicht gleich Papier

"Papier macht 50 Prozent unseres Verkaufspreises und damit unserer Kosten aus", erklärt Flemmer. Seit 2012 seie der Preis für Altpapier tendenziell gestiegen, heißt es vom Verband der Wellpappen-Industrie und mit ihm der Preis für Wellpappenrohpapier, das aus Altpapier hergestellt wird. Der Verband der Wellpappenindustrie gibt an, dass der Preis für Wellpappenrohpapier seit letztem Herbst auf einem Höchststand sei und sich daran bislang auch nichts wesentliches geändert habe.

Für den Produzenten Peters bedeutet das: Da der Preis für Rohpapier von Februar 2017 bis Ende des Jahres im Schnitt um rund 24 Prozent gestiegen sei, müsse er eigentlich den Preis seiner Ware um 12 Prozent erhöhen, sagt Flemmer. Das sei aber kaum möglich, weil der Wettbewerb zu groß sei. "Es gibt in Deutschland viele Wellpappfabriken. Da ist es für den Kunden relativ einfach, die Unternehmen gegeneinander preislich auszuspielen."

Wellkistenfabrik Fritz Peters
Das Papierlager von der Wellkistenfabrik Peters mit 40 Papiersorten reicht für vier bis sechs Wochen Produktion.Bild: DW/Insa Wrede

Altpapier billiger, Wellpappenrohpapier nicht

Erstaunlich ist das Ganze vor allem, weil der Altpapierpreis seit Herbst wieder gesunken ist. Unter anderem liegt das an den Chinesen. Da in China ebenfalls Unmengen an Altpapier gebraucht werden, hat Europa viel Altpapier nach China exportiert. In den letzten zehn Jahren hat sich die Exportquote des Altpapiers nach Fernost verdreifacht, was wiederum den Preis getrieben hat. Seit diesem Jahr aber hat die chinesische Regierung dem einen Riegel vorgeschoben und Müllimporte stark reglementiert. Der Müll aus Europa war zu dreckig.

Hinzukommt, dass in Deutschland immer mehr Papier im Altpapiercontainer landet. Schon im vergangenen Jahr war gut die Hälfte des deutschen Abfalls altes Papier - so das Umweltbundesamt. 79 Kilo Papier wanderten im vergangenen Jahr pro Kopf in die Tonne. Im Jahr 1990 war es lediglich rund die Hälfte.

Auch die Kartons von Peters werden im optimalen Fall recycelt. "Wir arbeiten hier ungefähr mit 80 Prozent Recyclingpapier", betont Flemmer. Zum Teil bräuchte man aber auch anderes Papier mit einem höheren Zellstoffanteil. "Das wird eingesetzt, wenn die Anforderungen an Stabilität oder Trockenheit oder ein bestimmtes Klima höher sind. Wenn sie nach Asien exportieren, da haben sie 90 Prozent Luftfeuchte, dann brauchen sie ein anderes Papier. Sonst knickt der Karton."

Wellkistenfabrik Fritz Peters
Falten, Kleben - das wird heute nicht mehr per Hand gemachtBild: DW/Insa Wrede

Insgesamt ist also seit einigen Monaten wieder mehr Altpapier auf dem europäischen Markt, was sich auch auf den Preis für Altpapier ausgewirkt hat.

Kostensituation wird sich nicht entspannen

Für Wellpappenrohpapiere wurden dagegen sogar noch Preiserhöhungen für Anfang 2018 angekündigt, dabei werden sie aus Altpapier hergestellt. Wie kann das sein? Eine ganz simple Erklärung hat Gregor Andreas Geiger vom Verband deutscher Papierfabriken: "Man kann die Hersteller von Wellpappenrohpapier ja nicht dazu zwingen, ihre Preise zu senken", meint er.

Wellkistenfabrik Fritz Peters
Auf solchen Walzen wird Papier gewellt, um dann mit glattem Papier zu Wellpappe zusammengeklebt zu werden.Bild: DW/Insa Wrede

Zudem könnten auf die Schnelle auch keine neuen, großen Kapazitäten für die Produktion von Wellpappenrohpapier geschaffen werden. Es gebe schon einige Unternehmen, die neu in die Herstellung eingestiegen seien, so Geiger. Das Angebot sei aber nicht so stark gewachsen wie die Nachfrage. In nächster Zeit haben es die Hersteller also gar nicht nötig, die Preissenkungen ihres Rohstoffes, des Altpapiers, an die Verpackungshersteller weiterzugeben. Die werden damit weiterhin den Spagat üben müssen zwischen einer steigenden Nachfrage nach ihren Produkten und knappen, teuren Wellpappenrohpapieren.

Wellkistenfabrik Fritz Peters Betriebsleiter Jakob Koch
Betriebsleiter Jakob Koch führt vor, wie einfach sich ein Karton zum Befüllen aufklappen lässt.Bild: DW/Insa Wrede
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion