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Verlorenes Filmerbe

Sarah Mersch13. Februar 2008

In Deutschlands Filmerberbe klafft ein Loch: Allein zwei Drittel der frühen Stummfilme sind verschwunden, etwa die des Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau oder "Die Abenteuer eines Zehnmarkscheines".

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Friedrich Wilhelm Murnau 1935, Quelle: Filmmuseum Berlin
Verlorenes Film-Erbe: Friedrich Wilhelm Murnau 1925Bild: Filmmuseum Berlin
Der Schauspieler und Sänger Theo Lingen (Archiv), Quelle: dpa
Er war "Der Theodor im Fußballtor": der Komiker Theo LingenBild: dpa - Bildfunk

"Wie der Ball auch kommt, wie der Schuss auch fällt, der Theodor, der hält!" - So sang Theo Lingen 1950 und ganz Deutschland sang mit. Wie Theodor es damals schaffte, alle Bälle zu halten, weiß heute keiner mehr. Denn der Torwart ist der Protagonist des Films "Der Theodor im Fußballtor". Die Musik gehört heute zu den Klassikern unter den Fußballsongs, der Film aber ist verschollen.

Schuld daran sind unter anderem die deutschen Archivgesetze. Die besagen, dass jede in Deutschland erschienene Musik archiviert werden muss, im Gegensatz zu Filmen. Das Ergebnis: eine große Lücke im deutschen Filmbestand. Aus der Zeit des Stummfilms sind rund zwei Drittel der Produktion verloren gegenagen, schätzt Karl Griep, der Leiter des Bundesfilmarchivs in Berlin: "Ähnlich ist es mit Produktionen aus der Zeit der Weimarer Republik. Und aus der Zeit der Bundesrepublik bis zur Wende haben wir bedauerlicherweise prozentual gesehen wesentlich weniger Filme als aus der Zeit des Nationalsozialismus", erklärt er.

Weltbekannte Werke existieren nicht mehr

Karl Griep, Leiter des Filmarchivs des Bundesarchis, Quelle: Bundesfilmarchiv
Sorgt sich um den deutschen Filmbestand: Karl Griep,Bild: Karl Griep

Im Filmarchiv lagern mehr als eine Million Filmrollen, das sind rund 150.000 Filme. Doch das ist nur ein Bruchteil dessen, was in Deutschland gedreht wurde. Einiges lagert noch in kleineren Archiven, hin und wieder tauchen auch im Ausland längst verloren geglaubte Fundstücke wieder überraschend auf. Doch ein Großteil ist unwiederbringlich verloren.

Die Grünen-Politikerin Claudia Roth, die für ihre Partei im Kulturausschuss sitzt und auch Filmexpertin ist, unterstreicht daher die Bedeutung der Archivierung: "Filme sind Gedächtnisarchive, da wird auch deutsche Geschichte abgebildet", sagt sie und bedauert den Verlust zahlreicher bekannter Werke, wie die des Stummfilmregisseurs Friedrich Wilhelm Murnau: "Uns geht viel unseres eigenen kulturellen Erbes verloren", sagt sie.

Filmszene aus Fritz Langs Film Metropolis
Aufwändig restauriert: Metropolis von 1927

Auch der Stummfilm "Die Abenteuer eines Zehnmarkscheines" aus dem Jahr 1926 und Filme von Bernhard Wicki sind nicht mehr aufzufinden. Von anderen Filmen, wie etwa Fritz Langs monumentalem Werk "Metropolis", gibt es keine Originalfassung mehr, sondern nur noch eine Variante, die in mühevoller Kleinarbeit aus vielen verschiedenen Kopien zusammengesetzt wurde.

Keinen Überblick über deutsche Filmlandschaft

Vor kurzem setzten die Grünen die Archivierung auf die Tagsordnung des Kulturausschusses. Eine Neuregelung sei dringend nötig, so ihre Forderung. Seit vier Jahren müssen Filme in Deutschland zwar im Prinzip archiviert werden, aber die Regelung betrifft nur solche Werke, die auch vom Staat gefördert wurden. "Eine absurde Regelung", findet Karl Griep, denn jene Produzenten, die die Finanzierung selbst stemmen und einen unabhängigen Film machen, fallen so durchs Raster: "Dass die dann automatische nicht zum kulturellen Erbe der Bundesrepublik Deutschland gehört, will mir nicht in den Kopf", kritisiert er.

Selbst Filme, die nicht vom Bund, sondern nur von einzelnen Bundesländern gefördert sind, werden nicht immer archiviert, denn es gibt nicht einmal genaue Zahlen, wie viele Filme in Deutschland eigentlich jedes Jahr gedreht werden. Anders als Bücher werden Filme nicht systematisch erfasst oder irgendwo zentral registriert.

Inszenierte Konflikte

Grünenpolitikerin Claudia Roth
Claudia Roth, die Filmexpertin der GrünenBild: AP

"Ich bis so entsetzt darüber", sagt Claudia Roth. Es sei allerhöchste Zeit, dass man die Bewahrung des deutschen Filmerbes angehe, fodert sie: "Und da dürfen auch Föderalismus, Länderkompetenzen und Institutionen nicht als als Ausrede herhalten." Sie fordert von der Regierung, der Europaratskonvention zum Schutz des audiovisuellen Erbes beizutreten: "Dieser Beitritt steht seit 2001 aus, auch da gab es immer wieder das Gerangel um föderale Kompetenzen. Gerangel ist in diesem Punkt nicht angesagt, man muss jetzt einfach beitreten."

Der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat inzwischen angekündigt, über eine Neuregelung nachzudenken. Konkrete Vorschläge, wie eine Regelung aussehen könnte, die alle Filme berücksichtigt, hat er allerdings noch nicht gemacht.

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