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Verbindung zur Welt

20. Januar 2010

Immer noch herrscht in Haiti Chaos, Strom- und Telefonleitungen sind ständig unterbrochen. In dieser Situation werden Internet-Netzwerke wie Blogs, Twitter oder Facebook für die Haitianer zum wichtigen Sprachrohr.

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Am Morgen nach dem Beben gegründet: Die Facebook-Gruppe "Help for Haiti"Bild: Facebook

Eine Haitianerin steht auf einem Hügel oberhalb der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince und schaut fassungslos in den Talkessel, über dem nach dem verheerenden Erdbeben eine dichte, graue Staubwolke liegt. Die Aufnahme knistert, die Handykamera wackelt, während sie selbst nach Luft schnappt und schreit: "Das ist das Ende der Welt!" Zahlreiche solcher Amateuraufnahmen sind derzeit auf YouTube und anderen Videoplattformen zu sehen: es waren die ersten Bilder, die die Welt von der Katastrophe in dem Land sah.

Screenshot Haiti Song bei YouTube you tube
Youtube lieferte die ersten Bilder der KatastropheBild: You Tube
Screenshot Haiti Sicht Google Earth
Suchmaschinen-Titan Google stellt aktuelle Satellitenaufnahmen ins NetzBild: GoogleEarth

Nach dem Erdbeben sind in Haiti die meisten konventionellen Kommunikationswege immer noch unterbrochen: Telefonleitungen sind tot, der Strom fällt immer wieder aus. Für Überlebende und Angehörige ist das Internet deshalb jetzt das wichtigste Medium: Allein innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Beben stieg die Zahl der angeklickten Seiten in Verbindung mit dem Stichwort "Haiti" um 1558 Prozent, berichtet der Sicherheitsanbieter "Zscaler". Der dazugehörige Internetverkehr wuchs demnach sogar um 5407 Prozent.

Infoaustausch via Twitter

Vor allem für die Millionen Exilhaitianer ist das Internet derzeit die einzige Brücke in die Heimat. Dort suchen sie Antworten auf die bange Frage, ob Freunde, Verwandte und Bekannte das schwere Beben überlebt haben. Es dient aber auch den Menschen in Haiti selbst zum Kontakt untereinander; über den Mikroblogging-Dienst Twitter werden die wichtigsten Informationen ausgetauscht. "Das französische Krankenhaus in der Rue marcadieux bourdon hat geöffnet", twittert ein Frederic Dupoux und Carel Pedre sendet die Nachricht: "Ein Mädchen lebt noch unter den Trümmern. Rue Amiral Nr. 8, ruft an: 509.3508.2789. Wir brauchen Hilfe!"

Pedre ist ein bekannter Radio- und Fernsehmoderator in Haiti und derzeit einer der eifrigsten Twitterer: Auf englisch, französisch und kreol berichtet er der Welt, was in Port-au-Prince gerade passiert, bereits jetzt hat er 6000 Follower, also Leser. Die erste Nachricht kam schon wenige Stunden nach dem Beben: "Hallo Welt! Khara und ich sind in Sicherheit!". Aber ausländische Helfer schildern via Twitter ihre Eindrücke: Der Münchner Irakli West ist mit einem Rettungsteam nach Haiti gereist, um nach Verschütteten zu suchen. Einer der letzten Einträge des Feuerwehrmannes lautete: "Langsam Bettzeit. Schon drei oder vier Taranteln im Camp entdeckt. Schlafe wieder draußen!"

Direkter Blick auf das Katastrophengebiet

Unterstützung bekommen die Helfer durch neues Kartenmaterial von Google Earth: Im "Google Latlong Blog", wo der Suchriese Nachrichten zu seinen Diensten veröffentlicht, ist zu lesen, dass man "unzählige Anfragen von Hilfsorganisationen und Usern erhalten hat, mit der Bitte, jüngste Satellitenaufnahmen des Landes zur Verfügung zu stellen." Daraufhin habe man aktuelles, frei verfügbares Kartenmaterial ins Netz gestellt, um die Hilfskräfte vor Ort bei der Suche nach Opfern und besonders schwer betroffenen Regionen zu unterstützen, heißt es auf der Seite.

Screenshot Carel Pedre bei Twitter über Haiti
Twittert aus Port-au-Prince: Journalist Carl Pedre

Auf Facebook wurde gleich am Morgen nach dem Beben die Gruppe "Help for Haiti" gegründet, die bereits über 20.000 Mitglieder hat. Die Gruppe "pour l’annulation de la dette de Haiti" fordert einen Schuldenerlass für Haiti und der haitianische Hip-Hop-Musiker Wyclef Jean ruft via Twitter immer wieder zu Spenden für die Opfer in seiner Heimat auf. Spendensammler und Spender organisieren sich zunehmend über das Internet und Social-Media-Kanäle: So sollen besonders jüngere Leute erreicht werden, denn laut Deutschem Spendenrat ist der durchschnittliche Spender in Deutschland über 60 Jahre alt.

Schwarze Schafe beim Spendensammeln

Der Nachteil: Nicht überall ist ersichtlich, wer wirklich hinter dem Spendenaufruf steckt. Das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI) warnt deswegen vor Kriminellen, die versuchten, die Katastrophe und die Spendenbereitschaft der Menschen auszunutzen: Skeptisch sollten Spendenwillige sein, wenn ein Hilfsaufruf per E-Mail auf dem Computer landet, so der Geschäftsführer Burkhard Wilke: "Wenn die Spendenwerbung sehr, sehr emotional ist, aber kaum sachliche Informationen enthält, ist das verdächtig." Das DZI veröffentlich auf seiner Internetseite eine Liste mit seriösen Hilfsorganisationen, die derzeit für Haiti sammeln.

Autorin: Ina Rottscheidt

Redaktion: Sven Töniges