1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das Wesentliche aus Sozialen Medien fischen

Michael Münz23. Mai 2014

Was treibt junge Menschen an, aus einer Idee eine Firma zu entwickeln? Wie schnell kommt man an Fördermittel? Wann ist man erfolgreich? Wir haben bei einem Startup in Berlin nachgefragt.

https://p.dw.com/p/1C4Nh
Startup-Unternehmen Tame (Foto:dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Ein Hinterhof im Berliner Stadtteil Wedding. Auf dem Weg zum Büro des Startups Tame kommt man an einem türkischen Restaurant vorbei, einem besetzten Haus und auch einer Initiative für Arbeitslose. Vor einigen Wochen sind Marco Buhlmann (30 Jahre alt), Torsten Müller (31) und ihre Kollegen hierhin gezogen. Nachdem sie sich vorher mit zehn Personen einen 30 Quadratmeter großen Raum geteilt haben, verfügen sie nun zusammen mit einem anderen Startup über eine Etage eines Bürogebäudes.

Woran arbeitet Tame?

Torsten Müller: Die Gründung von Tame ist aus dem Wunsch heraus entstanden, für das Problem der Informationsüberflutung im journalistischen Alltag eine Lösung zu entwickeln. Wir wollten Inhalte in Sozialen Medien finden und auf Glaubwürdigkeit prüfen. Mit unserer Idee haben wir hier das Exist-Gründerstipendium erhalten, das die Humboldt-Universität über ihre Organisation Humboldt Innovation mit dem Bundeswirtschaftsministerium vergibt. Im Laufe der Entwicklung haben wir gemerkt, wie komplex unsere Idee war. Darum haben wir uns erst mal auf Twitter konzentriert – daraus ist Tame entstanden. Die Idee entwickelt sich auch jetzt noch weiter. Wir wollen inzwischen nicht nur Journalisten erreichen, sondern auch Unternehmen, die in Sozialen Medien aktiv sind. Die Arbeit an Tame ist ein hochdynamischer Prozess geblieben.

Gründer des Startups Tame Torsten Müller (Foto: Tame)
Torsten MüllerBild: Tame

Wie schwierig war es, Förderer für Ihre Idee zu finden?

Müller: In unserem Sektor, Technologie und Innovation, ist es sicherlich einfacher als in anderen Bereichen. Über konkrete Möglichkeiten haben wir im Austausch mit anderen Startups erfahren. Wenn man die Idee hat zu gründen, sollte man sich schnell mit anderen Gründern vernetzen.

Muss man dann nicht Sorge haben, dass einem die Idee geklaut wird?

Marco Buhlmann: Inzwischen ist es in Deutschland und auch den USA so, dass Startups schnell mit ihren Ideen an die Öffentlichkeit gehen. Man hat erkannt, dass man seine Idee und sein Produkt am besten schnell an der Wirklichkeit testet – mit Alpha-Versionen oder geschlossenen Beta-Versionen.

Gründer des Startups Tame Marco Buhlmann (Foto: Tame)
Marco BuhlmannBild: Tame

Müller: Ich würde sagen, dass die Idee nur fünf Prozent von dem sind, was ein Startup ausmacht. 95 Prozent des Erfolgs sind von der Umsetzung abhängig. Das war eine der wichtigen Erfahrungen, die ich während eines Aufenthalts im Silicon Valley machen konnte: Man schaut bei anderen Startups weniger aufs Produkt, sondern auf das Team und wie sie ihre Idee umsetzen.

Wie kam der Aufenthalt im Silicon Valley zustande?

Müller: Wir haben uns vor einem Jahr für ein Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft beworben: Mit German Accelerator erhält man die Gelegenheit, drei bis sechs Monate in den USA zu arbeiten. Man bekommt ein Netzwerk von Mentoren zur Seite gestellt, um an seinen selbst gesteckten Zielen zu arbeiten. Das heißt aber auch, dass man selbst sehen muss, wie man finanziell während des USA-Aufenthalts über die Runden kommt.

Wie bewirbt man sich für ein solches Programm?

Müller: Wir mussten eine Präsentation des Unternehmens einreichen. Darauf folgten ein paar Skype-Telefonate und zum Abschluss eine Veranstaltung in Hamburg. Dort haben wir uns einer Jury vorgestellt – und dann war die Zusage auch schon da. Ein paar Monate später ging es los. Wir haben aber auch andere, kompliziertere Erfahrungen mit der Beantragung von Fördermitteln gemacht. Man muss aber einräumen: Es gibt in Deutschland viele Förderoptionen. Nur sind diese manchmal mit bürokratischem Aufwand verbunden. Oder mit Auflagen, die an der Startup-Realität vorbeigehen. Aber sie sind eben da – das ist in anderen Ländern nicht so.

Welche Rolle spielt Berlin als Standort für ein Startup wie Tame?

Buhlmann: Hier in Berlin gibt es ein internationales Netzwerk an Gründern, in das man schnell reinkommt. Es gibt ein sehr gutes Startup-Ökosystem, so dass man schnell an alles kommt, was man als Gründer braucht - etwa Finanzierung. Zumal Berlin eine hohe Anziehungskraft auf junge Menschen aus aller Welt ausübt. Wenn man internationale Talente sucht – in Berlin findet man sie. Bei uns arbeiten auch Menschen aus Bulgarien und Frankreich.

Beschäftigt man sich als junger Gründer mit der Möglichkeit, dass man scheitern kann?

Buhlmann: Dieser Gedanke lässt einen nicht los. Das ist schon eine Belastung. Und man muss auch damit klarkommen, dass man alles selber machen muss. In einem großen Unternehmen werden Aufgaben und Verantwortung verteilt. Als Gründer geht das nicht.

Müller: Zu Beginn der Gründungsphase habe ich die Angst vor dem Scheitern noch stärker wahrgenommen. Inzwischen habe ich gelernt, dass man mit der Unsicherheit leben kann.

Würde der Aufkauf durch ein anderes Unternehmen diese Sorge nehmen?

Buhlmann: Von einem Unternehmen aufgekauft zu werden, ist sicherlich eine Möglichkeit des Erfolgs. Es ist aber nur eine von vielen.

Müller: Die meisten Gründer wollen etwas Eigenes aufbauen. Wird man aufgekauft, ist das Unternehmen womöglich weg, die Marke und auch die eigene Idee. Das muss man abwägen, auch mit der Vision, die man anfangs hatte. Wir hatten immer eine produktgetriebene Vision, der Exit war nie die Motivation.

Tame (www.tame.it) ist eine Kontextsuchmaschine für Twitter. Die Webseite liefert auf einen Blick die relevanten Inhalte, Themen und Nutzer aus dem eigenen Twitter-Netzwerk und zu jedem frei wählbaren Suchbegriff. Damit können etwa Journalisten hilfreiche Informationen und Quellen finden. Das Startup wurde 2012 in Berlin von Frederik Fischer, Arno Dirlam und Torsten Müller gegründet. Seit April 2014 ist Marco Buhlmann CEO.