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2014 soll das EU-Parlament erobert werden

Günther Birkenstock15. April 2012

Die Stimmung ist bestens, die Diskussion aber erst am Anfang. Delegierte von Piratenparteien aus mehr als 20 Ländern haben in Prag über ihre Zusammenarbeit gesprochen.

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Piratenfahne am Strand (foto:dpa)
Bild: picture alliance/ZB

200 Vertreter der Piratenparteien waren am Wochenende (14./15.04.2012) in die tschechische Hauptstadt gekommen, um sich die Köpfe über ihre Pläne heiß zu reden, Parteistatuten zu verfassen und ihr Ziel zu diskutieren, eine Europäische Piratenpartei zu gründen. Bekanntestes Merkmal der Piraten bislang: die Forderung nach freier Datennutzung im Internet, keine Erfassung und Einschränkung von Usern. Bei der Konferenz in Prag zunächst war Idealismus gefragt, denn die Teilnehmer mussten ihre Reisekosten selbst bezahlen und dazu noch eine Gebühr für die Teilnahme an der Konferenz. Außerdem machten unterschiedliche Vorstellungen über das richtige Vorgehen die Abstimmungen zäh und langwierig.

Suche nach dem gemeinsamen Weg

Bis zur Einigung auf eine neue Europapartei kamen die Piraten nicht. Bei der Tagung der Dachorganisation "Pirate Parties International", PPI, einigten sich die Teilnehmer nach schwierigen Verhandlungen zunächst auf eine Übergangslösung. Mehr Zusammenarbeit ja, ein fester Zusammenschluss noch nicht. Klarheit herrschte über die Aufnahme neuer Mitglieder. Mit an Bord des internationalen Verbands sind nun Griechenland und Kroatien. Die griechische Piratenpartei wurde erst im Februar gegründet - mit Anschubhilfe aus Deutschland.

Live Stream der Konferenz in Prag
Livestream der Prager KonferenzBild: piraten-streaming.de

Die erste Piratenpartei weltweit entstand am 1. Januar 2006 in Schweden. Bei der Europawahl 2009 erreichte sie mit 7,1 Prozent der schwedischen Wählerstimmen zwei Sitze im EU-Parlament. Die deutschen Piraten wurden neun Monate nach den schwedischen im September 2006 gegründet. Kurz zuvor war in Brüssel der Dachverband der Internationalen Piratenparteien entstanden.

Vorbild Deutschland

Von der Tatsache, dass im Gründungsland Schweden die Piraten derzeit wieder an Bedeutung verlieren, lässt sich deren Gründer Richard Falkvinge nicht beeindrucken. Er zieht selbstbewusste Vergleiche zu der Entwicklung der Grünen. Vor 40 Jahren seien die auch abgelehnt worden und anschließend sehr erfolgreich gewesen. Das werde bei den Piraten genauso sein. Allerdings sei eine engere Koordination der verschiedenen Piratenverbände notwendig. Außerdem müssten neben der Internetfreiheit weitere Politikfelder erobert werden.

Umfrage: Piraten vor den Grünen

Die deutschen Piraten erhielten in Prag viel Applaus. "Durch die enormen Wahlerfolge in Deutschland bekommen wir eine Vorbildfunktion.", sagte der Koordinator der Internationalen Piratenpartei, Gregory Engels im Gespräch mit der DW. In aktuellen Umfragen legt die junge Partei stetig zu. Im aktuellen "Deutschlandtrend" erreichten sie elf Prozent, besonders beliebt sind die politischen Neulinge bei jungen Wählern.

Piraten gibt es überall

In Europa sind die Piratenparteien am stärksten vertreten. Nach der Einschätzung von Gregory Engels sind hier 60 Prozent der Zusammenschlüsse zu finden, aber 90 Prozent der Mitglieder: "Das liegt auch an den Startvoraussetzungen der jeweiligen Nationen und Regionen. In Asien und Afrika gibt es weniger Demokratie. Hier haben es die Piraten schwerer, öffentlich aufzutreten". Weltweit gebe es etwa 60 Piraten-Zusammenschlüsse, aber nur etwas mehr als 20 Länder mit einer Parteistruktur. Zu Parlamentswahlen außerhalb von Europa angetreten seien Piraten bisher nur in Neuseeland, Australien und Kanada. Als größte Gemeinsamkeit sieht Gregory Engels die digitale Sozialisation und das damit verbundene Verständnis von Freiheit: "In der Generation der 'digitale natives' hat ein Jugendlicher aus Costa Rica die gleichen Chancen, sich zu Wort zu melden wie ein Geschichtsprofessor aus Berlin. Dieses basisdemokratische Element findet sich in der Struktur der Piratenparteien wieder".

Mit einem Piratenkostüm verkleideter Gregory Engels im Gespräch ( Foto: dpa)
Pirat Gregory Engels (li)Bild: picture-alliance/dpa

Jede Kritik soll gehört werden

Was Basisdemokratie in der politischen Arbeit bedeutet, wurde in Prag deutlich und konnte über einen Video-Livestream weltweit mitverfolgt werden. Immer wieder gab es Kritik, an Textpassagen von Resolutionen und am Abstimmungsmodus bei der Wahl von Ämtern. Über jeden einzelnen Änderungsvorschlag erneut abzustimmen, zog den Vorgang extrem in die Länge. Dass Piraten leidensfähig sein müssen, erfuhr auch Gregory Engels, der wegen der schwindenden Zeit kaum Gelegenheit hatte, sich und seine politischen Ideen vorzustellen. Zum Co-Chairman des Vorstandes der PPI wurde der IT-Fachmann dann trotzdem gewählt. Und Engels bleibt begeistert von der Aufbruchsstimmung und Energie der Piraten. Die zähen Diskussionen lägen am unterschiedlichen Informationsstand der einzelnen Vertreter und seien überwindbare Startschwierigkeiten: "Mit mehr Organisation und klaren Regeln ist das in den Griff zu bekommen". Das hätten die Parteitage in Deutschland gezeigt.

Während die Internationalen Piraten in Prag noch an der Verständigung über Grundsätze arbeiten, wurde es bei ihren Mitstreitern in Nordrhein-Westfalen schon konkreter. Im Programm zur anstehenden Landtagswahl stehen die Forderungen nach einem eingliedrigen Schulsystem, kostenlosem Nahverkehr und der Schaffung eines eigenen Ministeriums für Verbraucherschutz. Ob das der Ausblick in die Entwicklung der Partei ist oder ein Einzelphänomen bleibt, wird die Zukunft zeigen.

Kandidaten der Piratenpartei für die Landtagswahl in NRW 2012
Kandidaten der Piratenpartei für die Landtagswahl in NRW 2012Bild: picture-alliance/dpa