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DAVA - Deutschlands Angst vor der "Erdogan-Partei"

7. Februar 2024

Seit Tagen diskutiert Deutschland über die Gründung einer neuen Partei. Ihr Name: DAVA. Kritiker sagen, sie sei der verlängerte Arm des türkischen Präsidenten Erdogan. Wer steht hinter DAVA und welche Ziele verfolgt sie?

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Ein Fahnenmeer mit rot-weißen türkischen Flaggen. Mitten in der Menschenmenge sieht man ein Erdogan-Portrait.
Hat in Deutschland viele Anhänger: der türkische Präsident Recep Tayyip ErdoganBild: picture alliance/dpa/H. Kaiser

Die Gründung der neuen Partei DAVA, die "Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufschwung", sorgt seit Tagen für hitzige Debatten in Deutschland. Sie sei sehr Ankara-nah, manche werfen ihr sogar vor, der verlängerte Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu sein. Antreten will sie bereits bei den Europawahlen am 9. Juni. Vier Namen der Kandidaten sind bereits bekannt. Alle fielen in der Vergangenheit mit ihrer Verbindung zu Ankara auf. 

Zuerst der Spitzenkandidat Fatih Zingal: Der Rechtsanwalt fungierte lange Zeit als Sprecher der Union Internationaler Demokraten (UID) - laut deutscher Behörden die Lobbyorganisation der türkischen Regierungsparteien AKP in Deutschland, gegründet 2004 in Köln. Diese veranstaltet unter anderem Wahlkampfauftritte des türkischen Präsidenten Erdogan und anderer Mandatsträger in Deutschland und Europa. 

Auch Yonca Kayaoglu, die ehemalige Vorsitzende der UID-Jugend in Baden-Württemberg kandidiert für DAVA. Im Juni will die junge Ingenieurin für die Partei ins Europäische Parlament einziehen. Dafür wirbt sie auf sozialen Medien, sammelt Unterschriften, um bei der Europawahl zugelassen zu werden. Die nötigen 4000 Unterschriften zusammen zu bekommen gilt als reine Formsache. 

Die weiteren zwei Kandidaten, Mustafa Yoldas und Ali Ihsan Ünlü, sind beide bekannte Funktionäre von der türkisch-muslimischen Community aus Norddeutschland. Yoldas engagierte sich jahrelang bei der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG), Ünlü bei der Türkisch-Islamischen Union, kurz DITIB. Beide Dachverbände pflegen enge Beziehungen zu Ankara.

DITIB-Moschee in Kiel. Hinten sitzt der Imam, vorne die Gläubigen beim Gottesdienst. Blauer Teppichboden mit Abbildungen wie die Gebetsteppiche. Die Wand voller Kachel mit blau-dunkelroten Kacheln mit orientalischen Verzierungen.
Mit mehr als 950 Moscheen ist DITIB der größte muslimische Dachverband in Deutschland. Seine Imame werden von der Religionsbehörde in Ankara ausgebildet und nach Deutschland geschickt Bild: Frank Molter/dpa/picture alliance

Verlängerter Arm Erdogans?

Den Parteivorsitz hat Teyfik Özcan inne. Er schreibt seit geraumer Zeit für den Deutschland-Ableger des türkischen staatlichen Senders TRT, den die AKP in den letzten 20 Jahren zu einer Propagandamaschinerie umgewandelt hat. Kritiker werfen Özcan vor, einseitig zu berichten und ausschließlich Meinungsbeiträge über die Missstände in Deutschland wie Rassismus, Islamfeindlichkeit oder hohe Inflation zu liefern - über Probleme in der Türkei wie die anhaltende Rekordinflation am Bosporus dagegen verliere er kein Wort.

Auch mit deutschen Politikern ging Özcan schon oft hart ins Gericht. Mal übte er vernichtende Kritik an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wegen einer Erdogan-Äußerung, mal diskreditierte er die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler wegen eines angeblich zu kurzen Rocks bei der Islamkonferenz. Trotz enger Verbindung zu Ankara lehnt DAVA offiziell ab, eine Erdogan-Partei zu sein.

Auf DW-Anfrage teilt der Spitzenkandidat Zingal mit, die jahrzehntelange ehrenamtliche Arbeit der Kandidaten Yoldas und Ünlü bei Milli Görüs und DITIB sei dafür kein Hinweis. "Auch nicht die Tatsache, dass über 65 Prozent der Türken in Deutschland, unter ihnen unser Parteivorsitzender Herr Özcan und ich, diesen Präsidenten und seine Politik besser finden als viele früherer Staats- oder Regierungschefs. Wir sind trotzdem nicht der verlängerte Arm von Erdogan", wiederholt Zingal.

Ein neuer Versuch für Einflussnahme in Deutschland

Professor Kemal Bozay vom Zentrum für Radikalisierungsforschung und Prävention an der Internationalen Hochschule Köln sieht das anders. "Die AKP- und Erdogan-nahen Gruppen und Bewegungen versuchen schon lange, eigene Lobbystrukturen in Deutschland zu etablieren, um Einfluss auf die politische Landschaft in Deutschland zu gewinnen". Die Gründung von DAVA sei dafür ein weiterer Versuch.

Türkischer Präsident Erdogan auf Deutschlandbesuch

Die Vorläufermodelle wie etwa die BIG-Partei oder die AD-Demokraten hätten nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Bei der Bundestagswahl 2017 mobilisierten Ankara-nahe Gruppen für die "Allianz Deutscher Demokraten" (AD-Demokraten), die aber nur 41.251 Stimmen erzielte. Bei der Europawahl 2019 versuchten sie ihr Glück mit dem ebenfalls AKP-nahen "Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit" (BIG). Doch auch BIG erhielt lediglich 68.647 Stimmen.

2021 wiederum zogen sie mit der bereits vorhandenen Partei "Team Todenhöfer" in die Wahlen. Mittels Werbung durch den ehemaligen deutschen Nationalspieler Mesut Özil erzielte diese immerhin 220.235 Erst- und Zweitstimmen.

Deshalb suchten diese Gruppen, so Bozay gegenüber der DW, weiter nach alternativen Wegen, um in der Politik Fuß zu fassen. "Die derzeitigen Sprecher von DAVA sind bekannte Persönlichkeiten, die zugleich auch in den AKP-nahen Netzwerken und Lobbystrukturen aktiv sind. Daher kann vermutet werden, dass die DAVA als Erdogans verlängerter Arm an Einfluss in Deutschland gewinnen möchte", fährt Bozay fort. 

DAVA will auch Menschen außerhalb türkischer Milieus ansprechen

Laut Caner Aver, Politikwissenschaftler vom Zentrum für Türkei- und Integrationsstudien, gibt es in Deutschland rund 800.000 türkeistämmige Wahlberechtigte, von denen rund 50 Prozent an den letzten Bundestagswahlen teilgenommen und größtenteils Mitte-Links-Parteien gewählt haben. DAVA räumt er keine großen Chancen ein.

Die DAVA-Gründer geben sich dagegen zuversichtlich. "Für das erste Mandat im Europaparlament benötigt man circa 250.000 Stimmen und alle Experten-Prognosen besagen, dass wir diese bekommen können", sagt Spitzenkandidat Zingal. Ob es noch mehr Mandate werden könnten, hänge davon ab, wen DAVA außerhalb türkischer Milieus überzeugen könne. "Das gigantische Medienecho der letzten Tage spielt uns hier in die Karten. Wir sind nun deutschlandweit bekannt. Dies hätten wir auch mit einem üppigem Marketingbudget kaum erreichen können."

Fatih Zingal - Spitzenkandidat von DAVA, er im Anzug, lächelt in die Kamera. Im Hintergrund sind grüne Bäume, Äste und Blätter zu sehen.
"Wir sprechen diejenigen an, die sich bei den etablierten Parteien engagieren, aber nicht verstanden fühlen" - Fatih ZingalBild: Privat

Wenn DAVA über das türkische Publikum hinaus tatsächlich auch andere Wählergruppen ansprechen könnte, wie etwa Muslime mit deutschem Pass, habe sie durchaus das Potential, einen Abgeordneten nach Straßburg zu schicken, schätzt der Türkei-Experte Aver. Dass dies gelingt, bezweifelt er allerdings. Denn "viele politisch interessierte Türkei-stämmige engagieren sich aktiv oder passiv bereits in den etablierten deutschen Parteien und werden nicht zu DAVA wechseln", glaubt er.

Langfristige Ziele von DAVA

DAVA hat aber nicht nur die Europawahlen im Sinn. Die Partei schmiedet langfristige Pläne, beabsichtigt bald auch, Kreis- und Landesverbände zu gründen, um in Zukunft bei allen Wahlen antreten zu können. Extremismusforscher Bozay hält das Erstarken solcher ethnisch-religiös-nationalistisch orientierten Parteien wie DAVA auch "wegen des gegenwärtigen rassistischen Klimas in Deutschland" für möglich. 

Außerdem sieht er die Gefahr, dass DAVA extremistische Tendenzen fördern oder Spannungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen auch unter den Türkeistämmigen schüren könnte. Insbesondere auf kommunaler Ebene könnte DAVA versuchen, Einfluss auf lokale politische Entscheidungen und Gemeinschaften auszuüben und so das Zusammenleben beeinträchtigen. "Vor allem in den Städten, wo der Bevölkerungsanteil von Türkeistämmigen sehr stark ist", warnt Bozay.

Elmas Topcu | Journalistin
Elmas Topcu Reporterin und Redakteurin mit Blick auf die Türkei und deutsch-türkische Beziehungen@topcuelmas