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David Chipperfield: "Der Brexit ist furchtbar"

Meike Krüger rey
17. Dezember 2018

Sir David Chipperfield ist einer der bedeutendsten Architekten unserer Zeit. Im DW-Interview zu seinem 65. Geburtstag erzählt der Brite, warum man in Berlin kein Deutsch lernt und welche Sorgen ihm der Brexit bereitet.

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Architekt Sir David Chipperfield
Bild: picture-alliance/Zumapress/S. Chung

DW: Wollten Sie eigentlich immer schon Architekt werden?

David Chipperfield: Ich bin auf dem Land groß geworden und als Kind habe ich mich mehr für die Dinge dort interessiert, für die Tiere und die Arbeit mit ihnen. Aber in der Schule hatte ich einen sehr guten Kunstlehrer, der mich sehr inspirierte. Ich habe mich sonst nicht so für das Lernen interessiert, aber dieser Lehrer war einer, wie man ihn sich nur wünschen kann. Er gab mir Anregung und Bestätigung. Er hat mir viel beigebracht, mein Selbstvertrauen gestärkt und mich gefördert.

Sie sind oft in Berlin. Sprechen Sie auch etwas Deutsch?

Ich kann nach all der Zeit hier das Meiste verstehen, aber bedauerlicherweise hat mein Deutsch keine großen Fortschritte gemacht. Berlin ist wie eine kleine Blase. Man geht ins Restaurant und dann spricht nicht mal die Bedienung Deutsch, weil sie aus Australien kommt. Nicht einfach, hier Deutsch zu lernen.

David Chipperfield und Meike Krüger
DW-Moderatorin Meike Krüger im Gespräch mit Star-Architekt David Chipperfield Bild: DW

Seit 1997 betreiben Sie Ihr Büro in Berlin. War das Liebe auf den ersten Blick?

Berlin ist schon ein spezieller Fall. Man kann nicht behaupten, dass es die schönste Stadt Europas ist. Aber sie hat etwas sehr Offenes an sich. Ich denke, darum zieht sie junge Leute an. In den frühen Tagen war es eine Stadt im Aufbau, in der Entstehung, mit vielen offenen Orten, also Lücken im wahrsten Sinne.

Wo steht Berlin heute?

Jede Stadt hat ihre Geschichte. Berlin hat zu viel davon. Diese vielen Bruchstücke haben die Anziehungskraft, die Atmosphäre und die Identität der Stadt ausgemacht. Doch in den letzten Jahren erleben wir einen Wandel. Denn nun findet auch der Rest der Welt, dass Berlin trendig ist und es sich lohnt, zu investieren. Jetzt ist also Geld da. Und Geld ändert alles, Investments ändern alles. Die Herausforderung liegt für Berlin jetzt darin, erwachsen zu werden. Die Stadt muss ihren eigenen Charakter bewahren und gleichzeitig durch die Investitionen die nächste Stufe erreichen.

Heute kann man es sich kaum noch vorstellen, aber es gab damals Proteste, als Sie die Berliner Museumsinsel umgestaltet haben. Wie sind Sie damit umgegangen? 

Viele meiner Kollegen haben gesagt, dass ich ihnen Leid täte und dass es bestimmt schwer sei, damit umzugehen. Meine Antwort war immer, dass wir als Architekten uns doch einen starken und emotionalen Bezug der Menschen zur Architektur wünschen und uns dann nicht beklagen dürfen, wenn sie tatsächlich so reagieren. Wir haben das auch nicht nur negativ gesehen. Es ging ja um eine große Aufgabe, um ein so wichtiges Projekt. Das hat uns gezwungen, unseren Ansatz noch besser zu erklären - was Architekten immer tun sollten. Wenn man als Fremder in einer anderen Stadt ist, dann hat man nicht dieses Anspruchsdenken. Ich hatte großen Respekt vor der Verantwortung und es als Ehre empfunden.

Treppenhaus im Neuen Museum in Berlin
Das Neue Museum in Berlin wurde nach Chipperfields Plänen wieder aufgebautBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Die Grundlage Ihrer Karriere haben Sie in London gelegt, wo sie auch ein Büro haben. Was bedeutet der Brexit für Sie?

Aus beruflicher Sicht, denke ich, ist er für uns nicht das Ende der Welt. Aber ganz persönlich finde ich den Brexit demoralisierend und beunruhigend. Für die junge Generation und für meine Kinder ist es furchtbar. Ich denke, es ist eine unglaublich schlechte Lösung, die das Land gespalten hat. Ich weiß nicht, wie ein zweites Referendum ausgehen würde, aber ich glaube, der einzige Weg, das Land wieder zu einen, wäre die Frage: Wünscht ihr euch, dass das niemals passiert wäre?

Sie haben auch einen Wohnsitz in Spanien. Warum haben Sie sich für Galicien entschieden?

Meist landet man ja durch Zufall irgendwo. Aber warum bleibt man dann? Warum fährt man immer wieder hin und liebt diesen Ort? Mir gefällt seine Schlichtheit in unserer komplizierten Welt. Dort zählen die einfachen Dinge, das Unmittelbare. Er ist einfach genau das, was er ist, nichts sonst. Und genauso sind die Menschen dort. Das hat etwas sehr Erfrischendes.

Pilger auf dem Weg von Gonzar nach Palas de Rei
Auch unter Pilgern sehr beliebt: Galicien im Nordwesten SpaniensBild: picture-alliance/blickwinkel/M. Vahlsing

An welche Ideen glauben Sie? Wie werden wir in Zukunft leben, wie werden wir wohnen?

Das weiß ich nicht. Aber das Schöne an der Arbeit in Galicien ist, dass wir zwar kein Rezept entwickeln, das für die ganze Welt funktioniert, aber dass wir dort zeigen können, dass die Lebensqualität nicht zwangsläufig vom Einkommen abhängt. In einer armen Region ist das möglich, und Galicien gehört zu den ärmsten Regionen Europas. Wenn ich die Menschen frage, ob sie mit ihrem Leben zufrieden sind, dann sagen sie: Ja, unbedingt.

Das Interview führte Meike Krüger für Euromaxx.