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DEB-Team glaubt an Sensation

Stefan Nestler mit dpa, sid
17. Mai 2017

Deutschland ist im WM-Viertelfinale gegen Titelverteidiger Kanada klarer Außenseiter, fühlt sich in dieser Rolle aber nicht unwohl. Leon Draisaitl hat die Chance, ein Trauma seines Vaters vergessen zu machen.

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Deutsche Mannschaft nach dem Spiel gegen Lettland. Foto: dpa-pa
Bild: picture-alliance/dpa/M. Skolimowska

18. Februar 1992, die Olympische Spiele von Albertville, das Viertelfinale des Eishockeyturniers: Die Sensation ist ganz nahe. Außenseiter Deutschland hat dem Topfavoriten Kanada, gespickt mit NHL-Stars, ein 3:3 abgerungen, das Penaltyschießen muss die Entscheidung bringen. Kanada hat vorgelegt, Peter Draisaitl tritt für das deutsche Team an. Der damalige Kölner Profi läuft auf den kanadischen Goalie Sean Burke zu. Der Puck trudelt durch Burkes Schoner hindurch, tänzelt auf der Linie und bleibt mitten auf ihr liegen - kein Tor, keine Sensation, Deutschland ist ausgeschieden.

Leon Draisaitl. Foto: dpa-pa
Hoffnungsträger Leon DraisaitlBild: Picture alliance/dpa/M. Skolimowska

Drei Jahre später kommt Draisaitls Sohn Leon auf die Welt. Heute ist er 21 Jahre alt, spielt in der nordamerikanischen Profiliga NHL und hat die Chance, an diesem Donnerstag bei der Heim-WM in Köln das Trauma seines Vaters vergessen zu machen. Deutschland steht im Viertelfinale, wieder heißt der Gegner Kanada, wieder wird ein Draisaitl auf dem Eis stehen. Leon kann für seinen Vater Peter Revanche zu nehmen. "Es ist kein Geheimnis, dass wir nicht der Favorit sind", sagt Leon Draisaitl und schiebt gleich hinterher, dass er an die Chance glaubt, die Sensation zu schaffen - 25 Jahre nachdem sie seinem Vater und dessen Mannschaftskameraden versagt blieb: "Jedes Team ist schlagbar, in so einem Turnier kann viel passieren."

Nur ein Ausrutscher bisher

Kanada ist der Olympiasieger, der Weltmeister 2015 und 2016. Und die WM-Bilanz deutscher Teams gegen die "Ahornblätter" macht wenig Mut. Zwei Siegen und einem Unentschieden stehen 32 Niederlagen gegenüber. Das bisherige Turnier hat Kanada trotz der Abwesenheit einiger NHL-Superstars routiniert abgespult. Lediglich beim 2:3 im Vorrundenspiel in Paris gegen die Schweiz leisteten sich die Kanadier einen Ausrutscher. Danach sicherte sich die Mannschaft von Trainer Jon Cooper jedoch mit zwei klaren Erfolgen gegen Norwegen (5:0) und Vizeweltmeister Finnland (5:2) den Gruppensieg. Einen Spaziergang erwarten die NHL-Profis im Viertelfinale gegen Deutschland aber nicht. "Es wird ein schwieriges Spiel in ihrer Halle, mit den Heimfans und allem", sagte Stürmer Sean Couturier. Und Trainer Cooper ergänzte: "Die Atmosphäre soll ziemlich elektrisierend sein."

Moritz Müller klatscht nach dem Spiel gegen Lettland Fans ab. Foto: Getty Images
Das begeisterungsfähige Eishockeypublikum in Köln kann wie ein zusätzlicher Spieler wirkenBild: Getty Images/M. Rose

Erinnerungen an 2010 werden wach

Wie beim 4:3-Sieg nach Penaltyschießen im dramatischen letzten Gruppenspiel Deutschlands gegen Lettland. Der überragende Torwart Philipp Grubauer meinte anschließend mit Blick auf das Viertelfinale: "Es ist jetzt nicht so, dass man nervös werden muss, nur weil es Kanada ist. Wir müssen ruhig bleiben, wir können auch Eishockey spielen." Bundestrainer Marco Sturm beschwor den überraschenden WM-Auftaktsieg vor knapp zwei Wochen gegen ein ebenfalls starkes US-Team. "Man hat es auch gegen die Amis gesehen, man kann auch große Nationen schlagen", sagte Sturm. "Wir haben absolut nichts zu verlieren." Das nervenaufreibende Duell gegen Lettland vor 18.797 begeisterten Zuschauern in der ausverkauften Kölner Arena ließen beim deutschen Kapitän Christian Ehrhoff Erinnerungen an 2010 aufkommen. "Die Stimmung ist schon wieder genauso toll", schwärmte der frühere NHL-Verteidiger. Vor sieben Jahren hatte Deutschland beim bislang letzten Heim-Turnier ebenfalls ein Entscheidungsspiel um den Einzug in die K.o.-Runde gewonnen, damals gegen die Slowakei. Zwei Tage später folgte der größte Erfolg seit Olympia-Bronze 1976: der WM-Halbfinal-Einzug durch ein 1:0 gegen die Schweiz.

"Das wusste ich nicht"

Bundestrainer Sturm hofft auch auf einen Lerneffekt aus dem vergangenen Jahr. 2016 hatte Sturm das deutsche Team bei seiner ersten WM als Coach ins Viertelfinale geführt. Dort unterlag die DEB-Auswahl Gastgeber Russland mit 1:4 - auch weil niemand so recht an eine Überraschung geglaubt hatte. "Ich denke schon, dass eine andere Mannschaft auftritt als letztes Jahr in Russland", sagte Sturm. "Man lernt ja immer aus Niederlagen. Ich hoffe, dass die Jungs auch aus diesem Viertelfinale gelernt haben. Wir brauchen uns nicht zu verstecken." Beim letzten Sieg einer deutschen Mannschaft gegen Kanada bei einer WM - 1996 gab es einen 5:1-Erfolg in der Vorrunde - stand übrigens Peter Draisaitl auch auf dem Eis. "Das wusste ich noch gar nicht", räumte Sohn Leon ein.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter