Debatte um Koalitionskrise nach Gauck-Entscheidung
20. Februar 2012"Sie brauchen sich um die Koalition, ihren Bestand und überhaupt um die Bundesregierung keine Sorgen zu machen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in einer Pressekonferenz in Berlin. Dass das Beharren der FDP auf Joachim Gauck die schwarz-gelbe Koalition in ihre bisher schwerste Krise gestürzt habe, sei "eine Wertung der Medien". Hochrangige Politiker von Union und FDP hatten jedoch berichtet, dass die Koalition auf der Kippe gestanden habe.
Drohung und Deeskalation
Der Unmut in der Union schwelt offenbar weiter. Die FDP vertrete wohl die Auffassung, sie könne "auch ohne die Union zu einer Entscheidungsfindung beitragen", sagte der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach auf n-tv. Die Union werde das bei Gelegenheit in Zukunft auch einmal genau so sehen.
Der Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer warf der FDP einen schweren Vertrauensbruch vor. Dies werde schwere Folgen für die Koalition haben. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärte, die Gespräche mit der FDP seien nicht einfach gewesen. Er rate aber davon ab, öffentlich nachzukarten, sagte er im ZDF.
Auch die Liberalen bemühten sich um Deeskalation. Partei-Vize Holger Zastrow sagte dem Berliner "Tagesspiegel", seine Partei wolle die Koalition fortsetzten, "weil wir überzeugt sind, dass sie gut für Deutschland ist". Außenminister Guido Westerwelle erklärte, er freue sich "über die parteiübergreifende Einigkeit".
Auch die Opposition ist sich nicht einig
Der Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, nannte die Entscheidung der FDP für Gauck ein Zeichen der Profilierung. Zugleich wies er Spekulationen zurück, die Parteinahme der Liberalen sei ein Vorzeichen für eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen. Er glaube auch nicht an einen Bruch der derzeitigen Koalition.
Die Grünen sehen dagegen die Bundesregierung nach der Einigung auf Gauck als nicht mehr handlungsfähig an. Ob bei der Euro-Rettung oder der Bundespräsidentenwahl, die Bundesregierung sei auf die Opposition angewiesen, sagte Parteichef Cem Özdemir in Berlin. "Die Regierung kann selbst nicht mehr handeln."
Die Linkspartei will am Donnerstag entscheiden, ob sie einen eigenen Kandidaten aufstellt. Zunächst würden der Bundesvorstand und Vertreter der Landesverbände darüber beraten, sagte die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch in Berlin. Den von allen anderen Bundestagsparteien vorgeschlagenen Kandidaten Gauck lehne die Partei klar ab.
Bundestagspräsident Norbert Lammert hat die Wahl des neuen Bundespräsidenten für den 18. März angesetzt. Das teilte die Pressestelle des Parlaments mit. Es ist der spätestmögliche Termin für die 15. Bundesversammlung. Sie wird im Berliner Reichstag zusammenkommen.
gmf/ml (dpa, afp, dapd, rtr)