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Politik

"Die EU und die USA sind uneins über Kosovo"

27. März 2020

Politische Krise mitten in der Coronakrise: In Prishtina wurde die Regierung Albin Kurtis abgewählt. Das ist auch eine Folge der Differenzen zwischen der EU und der USA über die Zukunft des Landes, meint Johanna Deimel.

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Das Parlament in Kosovo hat die Regierung gestürztBild: picture-alliance/AP Photo/V. Kryeziu

DW: Als ob die Coronakrise nicht reicht, steht nun Kosovo erneut vor einer politischen Krise. Nach dem Mißtrauensvotum im Parlament am Mittwoch ist die Regierung Kurti gestürzt worden. Warum ist Albin Kurti so schnell gescheitert?

Johanna Deimel: Wenn wir uns erinnern, hat die Regierungsbildung sehr lange gedauert. Zum ersten Mal wurde im Kosovo eine Koalitionsvereinbarung getroffen. Die Koalition war von Anfang an eine „Vernunftehe", was aber auch bedeutet, dass sich alle an die Vereinbarungen halten und es bei den Entscheidungen zu Konsultationen zwischen den Regierungsparteien kommt. Das hat offensichtlich nicht funktioniert und damit entsprechende Verärgerung erzeugt. Wie ich aus Pristina höre, war das Albin Kurtis größter politischer Fehler. Zu dem kommt ein strategischer Aspekt, weil Albin Kurti die USA durch sein Nein zu einer sofortigen Aufhebung der Zölle provoziert hatte. Da hatte es auch nichts geholfen, dass er zu einer teilweisen Aufhebung bereit war. Der Druck aus Washington war zu groß.

Johanna Deimel
Johanna DeimelBild: privat

Wie schätzen Sie die neue Situation nun? Steht das Land wieder vor neuen Wahlen?

Zunächst wird Kurti weiter die Regierungsgeschäfte führen. Laut Verfassung ist seine Partei Selbstbestimmung (Vetëvendosje) als stärkste Partei wieder mit einer Regierungsbildung zu beauftragen. Dazu müsste Kurti zu Präsident Thaci gehen – und das sehe ich nicht in nächster Zeit. Die Frage ist, ob sich eine andere Regierungskoalition wird bilden lassen zwischen LDK, NISMA und AAK. Vermutlich spielt Alban Kurti mit dem Gedanken, Neuwahlen zu erzielen. Angesichts der COVID-19 Krise aber wird das noch Monate dauern, bis überhaupt daran zu denken ist. Dem Kosovo stehen unsichere und schwierige Zeiten bevor, leider. Wo in anderen Ländern ideologische Grenzen überwunden werden und die politischen Kräfte zusammenrücken, um in der Ausnahmesituation durch das Virus für die Bevölkerung Sorge zu tragen, taumelt das Kosovo mit zusätzlich instabilen politischen Institutionen.

Albin Kurti sagte am Mittwoch (25.3.) im Parlament, dass der Grund für das Misstrauenvotum nicht die Absetzung des Innenministers sei, sondern ein Abkommen mit Serbien, dass die Teilung Kosovos beinhaltet. Er griff den Präsidenten Thaci an. Was steht hinter solchen politischen Machtspielen?

Neben den Kompetenzstreitigkeiten zwischen VV und LDK geht es wahrscheinlich auch darum, dass der Dialog fortgesetzt, bzw. dass Vucic und Thaci mit ihrem Abkommen, das sie wohl ausgehandelt haben, durchkommen. Präsident Thaci hatte in den letzten Wochen keine Gelegenheit ausgelassen, sich gegen den Premier Kurti zu stellen. Umgekehrt verweigerte Kurti dem Präsidenten die Verhandlungsrechte im Kosovo-Serbien-Dialog. Während Albin Kurti deutlich und mehrfach erklärte, dass für ihn der Dialog keine Priorität hat, er sich vielmehr um die innenpolitische Situation kümmern und hart gegen Korruption vorgehen möchte, hat Präsident Thaci im Zusammenspiel mit Richard Grenell den Dialog in Washington weitergeführt. Das hat bestimmt auch zu dem Sturz der Regierung beigetragen.

Vor dem Votum haben Deutschland und Frankreich aufgerufen, dass das Misstrauensvotum zurückgezogen wird.

Die Demarche war in jedem Fall eindeutig, vielleicht aber zu spät

Es war davon die Rede, dass ein Abkommen Kosovo-Serbien im Weißen Haus unterzeichnet werden soll. Klarheit darüber, welche Art des Abkommens das sein wird, gibt es nicht. Ziehen nun die EU und die USA nicht mehr an einem Strang was Kosovo angeht?

Was wir in jedem Fall sehen, ist, dass es zwischen den USA und der EU, bzw. einiger ihrer Mitgliedstaaten unterschiedliche Vorstellungen über die Art des Abkommens gibt. Während der US Sonderbeauftragte Grenell auf der Linie von Thaci und Vucic liegt und auch einem Territorialaustausch zustimmen würde, haben sich andere Staaten, darunter Deutschland mit Bundeskanzlerin Angela Merkel klar dagegen ausgesprochen. Die USA haben sich auch zunutze gemacht, dass die EU sich erst neu aufsetzen musste und daher für längere Zeit nicht wirklich handlungsfähig war. America First. Es geht um einen außenpolitischen Erfolg für Trump, wenn es sein muss, ohne Rücksicht auf Verluste. Kosovo ist auch ein gutes Spielfeld für den US Präsidenten Trump, gegen die EU zu arbeiten. Jetzt soll Miroslav Lajcak als Sonderbeauftragter seitens der EU für den Kosovo-Serbien Dialog berufen werden und eigentlich sollte in Paris ein Treffen zum Dialog demnächst stattfinden. Da nun aber die Regierung Kurti gestürzt wurde, sehe ich dafür in absehbarer Zeit nur wenig Chancen.

Die EU scheint wie paralysiert im Kosovo - der Dialog ist auf dem Eis, und nichts kommt voran. Thaci hat anscheinend kein Vertrauen mehr in die EU. Was sollte die EU unternehmen, um wieder aktiv im Kosovo zu sein? Auch die zwei Transportabkommen zwischen Serbien und Kosovo wurden mit amerikanischer Hilfe erreicht.

Also die beiden „Abkommen" stehen bisher nur auf dem Papier, soweit ich weiß. Da ist viel Show dahinter. Präsident Thaci hat die EU wüst beschimpft. Es stimmt, dass es unerträglich und nicht zu tolerieren ist, dass es noch immer keine Visa-Liberalisierung für Kosovo gibt. Dennoch aber hat sich Thaci mit seinen Anschuldigungen gegenüber der EU in meinen Augen als zukünftiger Verhandlungspartner in einem seitens der EU moderierten Kosovo-Serbien Dialog diskreditiert. Wann der Dialog fortgesetzt wird, wissen wir auch angesichts der Pandemie nicht. Dazu kommen die Wahlen in Serbien, die ja auch verschoben wurden. Und eben die neue Situation im Kosovo. Die EU muss und wird Kosovo helfen, die Pandemie zu überstehen. Das ist jetzt viel wichtiger, als über Grenzen nachzudenken.

Das Gespräch führte Lindita Arapi

Johanna Deimel ist eine unabhängige Analystin für Südosteuropa und den Western Balkan. Früher war sie stellvertretende Geschäftsführerin der Südosteuropa Gesellschaft, SOG in München, seit Februar, Mitglied des Vorstands der SOG.