1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Dem Soli geht es an den Kragen

14. November 2019

Für viele Steuerzahler ist die Bundestagsentscheidung eine gute Nachricht: Ab 2021 gibt es den Solidaritätszuschlag für sie nicht mehr. Aber komplett verschwinden soll er nicht. Und auch sonst sind nicht alle zufrieden.

https://p.dw.com/p/3Sz7U
Symbolbild Modell Figuren Soli Solidaritätszuschlag BFH Bundesfinanzhof Euro Deutschland
Mit den Einnahmen aus dem Soli sollte der Osten Deutschlands vorangebracht werden Bild: picture-alliance/dpa

30 Jahre nach dem Mauerfall hat der Bundestag entschieden: Auch der Solidaritätszuschlag - kurz Soli - wird bald fallen, zumindest weitgehend. 369 Parlamentarier stimmten in Berlin dafür und 278 dagegen, dass die Ergänzungsabgabe für rund 90 Prozent der Steuerzahler in Deutschland ab dem Jahr 2021 wegfällt.

Der Soli war als Sondersteuer vor allem für den Aufbau Ostdeutschlands 1991 zunächst für ein Jahr erhoben und dann ab 1995 unbefristet eingeführt worden. Er beträgt 5,5 Prozent der Körperschaft- und Einkommensteuer. Der Staat wird nach dem Teilabbau der Abgabe laut Berechnungen von Finanzexperten im ersten Jahr rund 10,9 Milliarden Euro weniger einnehmen. Der Minusbetrag steigt bis 2024 auf rund zwölf Milliarden Euro.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) freute sich, dieser Schritt sei nun möglich geworden, weil die Deutsche Einheit weit vorangekommen sei. Die weitgehende Reduzierung sei "auch ein Zeichen des Erfolges des Zusammenwachsens in Deutschland".

Für Spitzenverdiener gilt das Solidarprinzip weiter

Spitzenverdiener müssen den Solidaritätszuschlag vorerst weiter zahlen. Ab welchem Einkommen künftig noch ein Soli fällig wird, kann man global nicht sagen. Denn der Zuschlag hängt ja von der Höhe der Einkommensteuer ab, für die es unterschiedliche Freibeträge etwa für Kinder, Alleinerziehende oder verheiratete Paare gibt.

Laut Finanzministerium wird eine Familie mit zwei Kindern und einem Verdiener in etwa bis zu einem Jahresbruttolohn von 152.000 Euro voll entlastet, bei Singles liegt die Grenze bei einem Jahresbruttolohn von rund 73.000 Euro. Besonders Steuerzahler mit kleinen und mittleren Einkommen werden von der Abschaffung profitieren. Die SPD-Abgeordnete Wiebke Esdar erläuterte, Berufsgruppen wie Dachdecker, Gärtner, Kranken- und Altenpfleger, Busfahrer und Erzieher müssten keinen Soli mehr zahlen.

Deutschland Bundestag l Bundesfinanzminister Olaf Scholz SPD - Solidaritätszuschlag
Finanzminister Olaf Scholz in der Bundestagsdebatte Bild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Scholz verteidigte die Entscheidung, dass Spitzenverdiener nicht in den Genuss der Steuererleichterung kommen. Steuerzahler mit hohen und sehr hohen Einkommen müssten dazu beitragen, dass öffentliche Aufgaben finanziert werden könnten. Eine vollständige Abschaffung auch für die einkommensstärksten zehn Prozent der Bevölkerung würde laut Finanzministerium zusätzlich fast elf Milliarden Euro kosten. Esdar erwähnte als Beispiel VW-Chef Herbert Diess, der 127 mal so viel wie die Volkswagen-Beschäftigten verdiene.

Auch viele selbstständige Handwerker werden von der Teilabschaffung profitieren. Allerdings, wer eine GmbH betreibt und dafür Körperschaftssteuer zahlt, ist von der Reform ausgenommen - das kritisiert etwa der Steuerzahlerbund. Klagen werden erwartet.

Infografik Wirtschaftliche Förderung Ostdeutschlands

"Größte Steuerentlastung seit Jahren"

Der CDU-Abgeordnete Olav Gutting sprach in der Bundestagsdebatte von der "größten Steuerentlastung seit vielen, vielen Jahren". Die Streichung erfolge ohne jegliche Gegenfinanzierung, es werde nicht versteckt an anderer Stelle erhöht. Nach Ansicht der Union ist der Teilabbau nur ein erster Schritt hin zu einer vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags in der nächsten Legislaturperiode. Dies sei eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit. "Dieser Frage muss sich auch der Koalitionspartner stellen", sagte Gutting.

Der FDP-Fraktionsvize Christian Dürr kritisierte, der Mittelstand werde nicht entlastet - und das in einem Konjunkturabschwung. Grüne und Die Linke bemängelten, viele Bürger hätten nichts von der Entscheidung, weil sie so wenig verdienten, dass sie den Soli gar nicht zahlten. So bringe den Garderobe-Frauen im Bundestag die Entlastung nichts. Die Grünen-Politikerin Lisa Paus regte an, die Teilabschaffung des Soli müsse mit einer Reform der Einkommensteuer sowie einem höheren Spitzensteuersatz verbunden werden.

se/haz (dpa, rtr, afp)