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Demokratisierungshilfe als Herausforderung

Gaby Reucher 18. März 2014

Wenn es in afrikanischen Ländern politische Unstimmigkeiten gibt, ist Augustine Titani Magolowondo gefragt. In Deutschland hat er erforscht, wie Prozesse zur Demokratisierung erfolgreich verlaufen können.

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Politikwissenschaftler Augustine Titani Magolowondo aus Malawi (Foto: DW/ Gaby Reucher)
Bild: DW/G. Reucher

So einiges im Leben von Augustine Titani Magolowondo war reiner Zufall, auch sein Aufenthalt in Deutschland. Sein Wunsch, den Master in Developing Management zu machen, führte ihn an die Ruhr-Universität Bochum. Eigentlich hatte er sich ein Studium in den USA oder in England vorgestellt, aber bei der GIZ in seiner Heimat Malawi, wo er einige Jahre im Bereich Demokratie und Dezentralisierung gearbeitet hatte, riet man ihm zu einem DAAD Stipendium. "Die Vorstellung, dass ich nach Deutschland kommen sollte, um zu studieren und die deutsche Sprache zu lernen, war für mich der reinste Alptraum", erinnert sich Magolowondo. Sein Studiengang in Bochum war zum Glück englischsprachig, aber er wollte auch außerhalb der Uni klar kommen. "Die Leute gucken so komisch, wenn du in ein Restaurant kommst und etwas bestellen willst und dann nur mit Händen und Füßen gestikulierst. Aber ich muss sagen, immer wenn ich mich bemühte, Deutsch zu sprechen, habe ich Komplimente bekommen."

Demokratie in Deutschland und Malawi

Aus den geplanten 18 Monaten wurden insgesamt 5 1/2 Jahre. Nach dem Master blieb Augustine Titani Magolowondo und promovierte im Fach Politikwissenschaften zum Thema Demokratisierungsprozesse und Entwicklungszusammenarbeit. Er hatte festgestellt, dass er beim Thema Demokratie einiges aus Deutschland auch auf seine Heimat Malawi übertragen konnte. "Ich kam zur Zeit der Wiedervereinigung nach Deutschland", erzählt er. "Auch mein Land hatte nach einem autoritären Regime viele Umwandlungsprozesse durchgemacht. Wir übten gerade die Demokratie."

Ansicht der Ruhr-Uni Bochum (Foto: DW/ Sola Hülsewig)
An der Ruhr-Uni Bochum war Magolowondo jahrelang zuhauseBild: DW

Ein hochentwickeltes Land hatte also ähnliche Herausforderungen zu bewältigen wie seine Heimat. Die Wiedervereinigung in Deutschland war per Gesetz beschlossen worden. Die Wiedervereinigung in den Köpfen der Leute brauchte aber viel länger, als man erwartet hatte. "Wir hatten in Malawi auch eine neue Verfassung und mussten erst einmal mit den sozialen Veränderungen zurechtkommen", erzählt er. Formal gab es eine Demokratie in dem westafrikanischen Land, aber die Substanz fehlte noch. "Wir mussten erst noch an der Kultur, an den Werten und den Prinzipien in der Gesellschaft arbeiten. Das waren ähnliche Diskussionen wie in Deutschland."

Die Grundprinzipien einer Gesellschaft

Und noch eine Parallele fiel Augustine Titani Magolowondo bei seinen Studien auf: Malawi ist ein armes Land, das von Entwicklungshilfe lebt. Auch Deutschland hat nach dem Zweiten Weltkrieg die Erfahrung gemacht, von anderen abhängig zu sein. Das Land habe dann aber gelernt, wie man wieder zurechtkommen kann, wenn die Hilfe von außen nicht mehr benötigt wird. "Deutschland wurde mit Entwicklungshilfe wieder aufgebaut und es hat funktioniert. Ich fragte mich, warum hat es in Deutschland funktioniert und scheitert anderswo?" erzählt er.

Trümmerfrauen stehen 1946 in Dresden auf einer Mauer (Foto: Fred Ramage/Keystone Features/Hulton Archive/Getty Images)
Vor allem die Amerikaner halfen Deutschland beim WiederaufbauBild: Fred Ramage/Keystone Features/Hulton Archive/Getty Images

Magolowondos Vater hatte eine Farm in Malawi. Im Zuge der Entwicklungshilfe kamen auch Experten aus Deutschland, um ihn zu beraten. "Er erzählte mir, wie hart die Deutschen arbeiten. Das war das Image, das sich auch in meinem Kopf festsetzte." Im Laufe seiner Forschungsarbeit stellte Magolowondo fest, dass man solche Prinzipien braucht. "Wenn in einer Gesellschaft keine Grundprinzipien verwurzelt sind, dann kann Hilfe von außen wenig bewirken. Nicht alles kann man mit Geld regeln, es ist auch eine Sache der Einstellung."

Vernetzung und Erfahrungsaustausch

Nach seinem Doktor stand für den Politikwissenschaftler die Entscheidung an, in Europa zu bleiben oder nach Malawi zurückzukehren. "Ich entschied mich zurückzugehen, weil ich in Malawi mehr gebraucht wurde als hier. Ich wollte das, was ich in Deutschland gelernt hatte, zu Hause anwenden." Doch Augustine Titani Magolowondo war mittlerweile gefragt. Die GIZ unterbreitete ihm ein weiteres Angebot und auch das Netherlands Institute for Multiparty Democracy (NIMD) wollte ihn für ein Projekt gewinnen, bei dem es um den Erfahrungsaustausch zwischen politischen Parteien verschiedener afrikanischer Länder ging. Für Magolowondo genau das Richtige, zumal er dafür in seine Heimat zurückkehren konnte: "Ich dachte: ‚Wow, da kann ich etwas tun und das nicht nur für Malawi."

Magolowondo musste sich erst ans Nummernziehen gewöhnen

Als Koordinator des Regionalprogramms für Afrika beim NIMD versucht er bei Konflikten eine Umgebung zu schaffen, in der die Menschen über sich selbst nachdenken können. Am Ende sollen sie einsehen, dass bestimmte Dinge nicht so weiter gehen können wie bisher. Dabei ist viel diplomatisches Geschick gefragt. So gebe es auch in Afrika Länder, die bereits gute Reformen hätten wie etwa Ghana oder Südafrika. Würde er nun hingehen und Ländern wie Uganda, Tansania oder Malawi vorschlagen, dies oder jenes zu ändern, so würden sie sagen: "Wer bist du überhaupt, dass du uns Ratschläge gibst?"

Ungefragte Ratschläge

Westafrikanische Gesellschaften seien nicht besonders offen für Anregungen von außen, meint Augustine Magolowondo. "Deshalb ermögliche ich den Erfahrungsaustausch, indem ich sage: ‚Lasst Politiker aus Ghana nach Tansania kommen - nicht um über Tansania zu reden, sondern über Ghana." Auf diese Weise würden die Politiker aus Tansania ihre eigenen Probleme erkennen und dann von ihren eigenen Erfahrungen erzählen. Am Ende habe man einen Austausch von Ideen, was zu kritischen Reflexionen führe. "Es ist nicht so, dass du ihnen etwas gesagt hast, sondern sie haben zugehört und dadurch zu sich gefunden. Der nächste Schritt liegt dann bei ihnen."

Staatspberhäupter und weitere Repräsentanten afrikanischer Staaten beim Gipfel der Afrikanischen Union 2011 im Sipopo Conference Center von Malabo, Äquatorialguinea (Foto: AP)
Wenn afrikanische Politiker sich treffen, ist Magolowondos Fachwissen gefragtBild: AP

Deutschland war ein glücklicher Zufall

Seit 2007 arbeitet Augustine Titani Magolowondo nun schon am NIMD in Lilongwe, der Hauptstadt Malawis, und ist mit seiner Arbeit zufrieden. An seinen Aufenthalt in Deutschland denkt er gerne zurück. Auch heute ist er als Gastredner bei Tagungen und Konferenzen immer wieder in seiner früheren Wahlheimat unterwegs.

Er ist unter anderem Mitglied des vom DAAD geförderten African Good Governance Network. "Letztendlich war es ein glücklicher Zufall, dass ich nach Deutschland gekommen bin", meint er rückblickend. Nicht nur seine Studien hat er hier vorangetrieben, sondern auch seine ebenfalls aus Afrika stammende Frau hat er in Deutschland kennengelernt. Von seinen drei Söhnen ist der erste in Bochum geboren. "Das ist natürlich das Wertvollste, was wir aus Deutschland mitgenommen haben", lacht er.

Straßenszene in Malawi (Foto: DW/Thomas Mandlmeier)
Heute lebt Magolowondo in Malawis Hauptstadt LilongweBild: DW / Thomas Mandlmeier