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Demonstrationen gegen Dienstleistungsrichtlinie

11. Februar 2006

Unter dem Motto "Europa ja - Sozialdumping nein!" haben mehrere Tausend Menschen gegen die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie demonstriert. Sowohl in Berlin als auch in Straßburg gingen die Menschen auf die Straße.

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Demonstrantin in StraßburgBild: AP

Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer sagte in Berlin in seiner Rede, es müsse Druck gemacht werden gegen eine unsoziale Politik, die die europäischen Sozialstaaten dramatisch zerstören würde. Die mit roten Fahnen und roten Luftballons ausgerüsteten Demonstranten aus fast allen DGB-Gewerkschaften forderten auf Transparenten unter anderem "Von Arbeit muss man leben können" und "Stoppt Bolkestein" - die Richtlinie ist eine Initiative des früheren EU-Marktkommissars Frits Bolkestein.

"Freier Fall nach unten"

Wenn europäischen Dienstleistungsanbietern erlaubt werde, im Ausland nach den Tarif- und Sozialstandards des eigenen Landes zu arbeiten, würden die in Deutschland vielfach hart erkämpften Schutzrechte, Sozialstandards und Einkommen dem Dumping zum Opfer fallen, warnte Sommer am Samstag (11.2.2006). "Der freie Fall nach unten wäre programmiert." Bolkesteins Bild von Europa sei offenbar "das eines ungehemmten, unsozialen Brutalkapitalismus".

Ein soziales Europa

Sommer warnte vor der Annahme, die angekündigte Entschärfung der Richtlinie - die Abschwächung oder Streichung des Herkunftlandprinzips - sei im EU-Parlament bereits beschlossene Sache. Selbst wenn das Parlament im Sinne der Gewerkschaften entscheiden werde, seien noch die Kommission und der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs am Zuge. Der DGB-Vorsitzende rief die nationalen Regierungen auf, sich auf die Seite derer zu stellen, die sich zu Europa bekennen, ein Europa des Lohn- und Sozialdumpings aber energisch bekämpften. "Europa wird sozial sein - oder es wird überhaupt nicht sein", warnte Sommer. In Straßburg sagte Christiane Hansen von Attac Deutschland: "Wir wollen kein Europa des totalen Wettbewerbs. Wer die neoliberale Politik fortsetzt, zerstört den europäischen Traum."

Umstrittenes Herkunftsprinzip

Demonstrationen gegen neue Dienstleistungsrichtlinie, Straßburg
Protest in StraßburgBild: AP

Die Proteste richten sich in erster Linie gegen das von der EU-Kommission vorgeschlagene Herkunftsprinzip. Demnach sollen Dienstleister bei einer Tätigkeit in einem anderen Land nicht dessen Gesetze einhalten, sondern die ihres eigenen Landes. Wenn die Dienstleistungsrichtlinie am Donnerstag (16.2.) im Europaparlament zur Abstimmung stehe, könne dies im schlimmsten Fall einen Wettlauf der EU-Mitgliedstaaten um die niedrigsten Sozial- und Umweltstandards zur Folge haben, sagte ein Vertreter der Globalisierungskritiker auf der Berliner Demonstration. Deshalb dürften die EU-Staaten ihre Grenzen und Märkte nicht öffnen, ohne vorher gemeinsame und bindende Standards auf möglichst hohem Niveau festzulegen.

Kompromiss

Die beiden größten Fraktionen im Europaparlament haben sich in der vergangenen Woche darauf verständigt, den umstrittenen Begriff "Herkunftslandprinzip" aus der Richtlinie zu streichen und eine Reihe von Branchen wie den Gesundheitssektor auszuklammern. Dennoch halten die Kritiker an ihrer Ablehnung fest. Zwei Tage vor der Abstimmung debattiert das Europaparlament am Dienstag über die Richtlinie. Für diesen Tag haben die Gewerkschaften eine weitere Demonstration in Straßburg mit bis zu 25.000 Teilnehmern angekündigt. (chr)