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Den Gefahren mit Besonnenheit begegnen

Uta Thofern8. Juli 2005

Nach den Terror-Anschlägen von London sollten auch in Deutschland die Sicherheitsvorkehrungen verschärft werden, allerdings ohne in Hysterie zu verfallen. Das meint Uta Thofern in ihrem Kommentar.

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New York, Istanbul, Madrid und jetzt London. Die Anschläge kommen näher. Der Terror ist überall, wo Menschen sind, viele und vor allem: freie Menschen - oder Menschen, die frei sei wollen, so wie im Irak. Dieser Terror ist nicht religiös, er richtet sich gegen die Freiheit und damit auch gegen uns in Deutschland. Und doch herrscht hierzulande immer noch das Gefühl vor: "Wir sind nicht gemeint." Mit klammheimlicher Erleichterung wird registriert, dass es doch immer irgendwie Verbündete von George W. Bush sind, "Irak-Kreuzzügler", die von den Anschlägen betroffen sind. Nach dieser Logik kann uns Deutschen nichts passieren.

Das ist erstens pervers, und zweitens falsch. Pervers, weil der Gedanke, Wohlverhalten werde von Terroristen belohnt, im Umkehrschluss bedeutet, dass Terroranschläge nichts anderes sind als Strafaktionen - als sei der Massenmord also in gewisser Hinsicht gerechtfertigt. Falsch ist es deshalb, weil Deutsche schon lange zu den Zielscheiben gehören. Die Anschläge von Djerba und Bali, sie fanden zwar nicht in Zentren der westlichen Kultur statt, aber sie richteten sich eindeutig gegen westliche Touristen jeder Nationalität. Dass der Straßburger Weihnachtsmarkt im Jahr 2000 nicht in einem Blutbad endete, ist nur einem zufälligen Ermittlungserfolg zu verdanken. Bereits jetzt sind islamistischen Mordanschlägen mehr Deutsche zum Opfer gefallen als dem linksextremistischen Terror der Roten Armee-Fraktion (RAF) in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren.

Vorkehrungen treffen

Deutschland täte also gut daran, sich auf Anschläge vorzubereiten. Nicht nur mit verstärkten Sicherheitsmaßnahmen, Kontrollen, Katastrophenschutzübungen - all dies findet bereits statt, muss auch sein und bietet doch keinen ausreichenden Schutz. Keine Macht dieser Welt kann Terroranschläge wirklich verhindern, keine Metropole kann sich so abschotten, dass jedes Risiko ausgeschlossen ist. Vorbereiten müssen wir uns darauf, mit dem Terror zu leben - oder vielmehr: gegen den Terror zu leben. Wir müssen uns wappnen gegen die Angst und den Zorn, die uns nicht übermannen dürfen, wenn der Terror zu uns nach Hause kommt.

Reaktionstraining ist gefragt, Besonnenheit muss eingeübt werden. Weder Wagenburg-Mentalität noch Rachegelüste nützen den Opfern oder verhindern neue Anschläge, erst recht nicht die Jagd auf vermeintliche Sündenböcke. Schon jetzt wird in Deutschland über Sicherheitsdefizite, Anti-Terror-Gesetze, lückenlose Datenerfassung und Visa-Verweigerung für "verdächtige Ausländer" diskutiert. Welche Hysterie wäre erst nach einem Anschlag zu erwarten?

Freiheit schützen

Aus dem Schützengraben heraus werden solche Reaktionen nicht verhindert. Nur eine offensive Wertedebatte kann die Erkenntnis befördern, dass die Freiheit sich nicht schützen lässt, indem man sie abschafft.

Der Krieg gegen den Terror ist nicht zu gewinnen - die geistige Auseinandersetzung mit ihm schon.