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Strafgerichtshof in Den Haag ermittelt gegen Gaddafi

28. Februar 2011

Die Schlinge um Gaddafi zieht sich zu. Die UN beschlossen einstimmig, den Strafgerichtshof in Den Haag anzurufen. Das Team um Chefankläger Luis Moreno-Ocampo soll in Sachen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermitteln.

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Gaddafi am 16.11.2009 (Foto: dpa/FILIPPO MONTEFORTE )
"Verstoß gegen Menschenrechte"Bild: picture alliance/dpa
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschloss in der Nacht zum Sonntag einstimmig Strafmaßnahmen gegen Libyens Machthaber Gaddafi und seinen Clan. Neben Waffenembargo, Reiseverboten und Kontensperrungen stellte das höchste UN-Gremium auch die Weichen für einen möglichen Prozess am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Der Sicherheitsrat wirft der Führung in Tripolis "schwere und systematische Verstöße gegen die Menschenrechte vor, darunter auch Gewalt gegen friedliche Demonstranten."
Chefankläger Luis Moreno-Ocampo vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag (Foto: dpa)
Chefankläger Luis Moreno-Ocampo vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den HaagBild: dpa

Nach der Libyen-Resolution der Vereinten Nationen soll der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag, der für Kriegsverbrechen, Menschenrechtsvergehen und Völkermord zuständig ist, nun Ermittlungen gegen Machthaber Gaddafi einleiten. Chefankläger Luis Moreno-Ocampo und sein Team müssen jetzt prüfen, ob der Verdacht auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen hinreichend begründet ist. Wenn sich genügend Beweise zusammentragen lassen, ist die Beantragung eines internationalen Haftbefehls gegen Gaddafi der nächste Schritt bevor schließlich ein Prozess gegen ihn eröffnet werden kann. Solche Verfahren ziehen sich allerdings über etliche Jahre hin.

Applaus für klares und schnelles Handeln

Der einstimmige Beschluss des Sicherheitsrates für die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Gaddafi stößt international auf Zustimmung. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, das sei "ein starkes Signal an Oberst Gaddafi und andere Despoten. Menschenrechtsverletzungen dürften "nicht ungesühnt bleiben". Die Einstimmigkeit zeige, dass die internationale Staatengemeinschaft geschlossen sei "in der Verurteilung der Schandtaten Gaddafis".

Die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice erklärte: "Wenn Gräueltaten an unschuldigen Menschen begangen werden, muss die internationale Gemeinschaft mit einer Stimme sprechen. Das hat sie heute getan." Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) spendete Applaus: "Klarer hätte die Botschaft an Gaddafi und seine Gefolgsleute, das Töten einzustellen, nicht ausfallen können", sagte der HRW-Direktor für Internationales Recht, Richard Dicker.

Libyens Botschafter bittet UN um Hilfe (Foto: AP)
Libyens Botschafter bittet UN um HilfeBild: AP

Dass sich das höchste UN-Gremium so schnell zu dem Schritt gegen Gaddafi durchrang, lag auch an dem emotionalen Appell von Libyens Botschafter in New York. Abdulraman Shalgham, einem Jugendfreund und langjährigen Vertrauten des Machthabers in Tripolis. Dieser hatte den Sicherheitsrat händeringend um Beistand für sein Volk gebeten. "Bitte, Vereinte Nationen, rettet Libyen!", rief Shalgham den Rat an und trieb zur Eile an.

Präzedenzfall

Der wichtigste Präzedenzfall des Internationalen Strafgerichtshofs in den Haag ist die Verfolgung des sudanesischen Präsidenten Omar Al-Baschir. Denn wie der Sudan gehört auch Libyen nicht zu den 114 Mitgliedstaaten des Weltstrafgerichts, dessen internationaler Gründungsvertrag - das Römische Statut - am 1. Juli 2002 in Kraft trat. Dem aus Argentinien stammenden Staatsanwalt Moreno-Ocampo waren deshalb die Hände gebunden. Erst als der UN-Sicherheitsrat als höchstes politisches Entscheidungsgremium der Vereinten Nationen im Fall Al-Baschir den Auftrag für Ermittlungen gab, konnte er mit der Arbeit beginnen.

Omar al-Baschir ist trotz Haftbefehl noch auf freiem Fuß (Archivfoto: AP)
Omar al-Baschir ist trotz Haftbefehl noch auf freiem FußBild: dapd

Bei Al-Baschir, dem Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an der Zivilbevölkerung der sudanesischen Krisenregion Darfur vorgeworfen werden, erreichte der IStGH-Chefankläger im März 2009 die Ausstellung eines internationalen Haftbefehls. Allerdings konnte sich der sudanesische Präsident bislang sogar bei Auslandsreisen einer Festnahme entziehen. Selbst einige IStGH-Mitgliedstaaten in Afrika waren nicht zur Vollstreckung des Haftbefehls bereit.

Prozesse gegen Ex-Staatschefs

Ob Al-Baschir und Gaddafi jemals festgenommen und an den Gerichtshof ausgeliefert werden, ist also ungewiss. Sie wären dann allerdings nicht die ersten Ex-Staatschefs, die sich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verantworten müssen. Gegen den einstigen liberianischen Präsidenten Charles Taylor läuft dort ein Kriegsverbrecher-Prozess vor dem Sondertribunal für Sierra Leone. Der frühere serbische Präsident Slobodan Milosevic musste sich wegen des Völkermords in Bosnien-Herzegowina vor dem Sondertribunal für das frühere Jugoslawien, quasi einem Vorläufer des IStGH, verantworten. Er starb 2006 im UN-Untersuchungsgefängnis im Haager Stadtteil Scheveningen.

Autor: Gero Rueter (mit dpa)
Redaktion: Fabian Schmidt