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Der Erste Weltkrieg im Kino

Jochen Kürten
28. Juni 2019

Peter Jacksons Dokumentarfilm "They Shall Not Grow Old", der jetzt in deutschen Kinos anläuft, zeigt kolorierte und vertonte Aufnahmen aus dem Erste Weltkrieg. Auch andere Filme erinnern an das Grauen.

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They shall not grow old Film Peter Jackson
Bild: IWM

Den Ersten Weltkrieg kennt man nur in Schwarzweiß und oft auch ohne Sprache. Frühe Fotografien und Filme haben den Krieg für die Nachwelt so konserviert. Zwar gab es auch schon während des Krieges erste, einfache Farbfotografieverfahren, doch setzte sich das in der Breite erst in den 1930er Jahren durch - im Kino und beim Film noch später. Der Tonfilm wurde erst ein Jahrzehnt nach Ende des Ersten Weltkriegs erfunden. 

Erst neueste digitale Verfahren machen es nun möglich, alte Schwarzweiß-Aufnahmen nachträglich perfekt zu kolorieren und zu vertonen. Beim London Film Festival kam im Oktober 2018 ein Dokumentarfilm zur Uraufführung, der von vielen Zuschauern als Sensation empfunden wurde: "They Shall Not Grow Old" von Peter Jackson. Im November 2018 hatte der Film seine TV-Premiere bei der BBC - und am 27. Juni 2019 ist er jetzt auch in den deutschen Kinos angelaufen.

Der Erste Weltkrieg - digital auf den neuesten Stand gebracht

Der gebürtige Neuseeländer Jackson, einem größeren Publikum durch seine "Herr der Ringe"-Trilogie bekannt, hatte zuvor 600 Stunden Filmmaterial aus den Archiven des "Imperial War Museum" in London gesichtet und diese dann zu einem 100-minütigen Dokumentarfilm montiert. Der Clou dabei: Mittels digitaler Technik wurden die Aufnahmen perfekt nachkoloriert. Zudem vertonte Jackson das zuvor stumme Material. Dabei griff er auch auf die Arbeit von Lippenlesern zurück.

They shall not grow old Film Peter Jackson
"The Shall Not Grow Old" von Peter Jackson zeigt auch viele Aufnahmen abseits des KriegsgeschehensBild: IWM

Das Ergebnis war nach der Londoner Premiere bejubelt worden: Der Kritiker von "Variety" sprach davon, dass Jackson einer Realität zu Wirklichkeit verholfen habe, die kurz vor dem Verschwinden stehe. Insbesondere wurde das Bemühen des Regisseurs gelobt, den Alltag der vielen jungen Soldaten, die später zu Tausenden an der Front starben, darzustellen.

Ähnlich äußerte sich "The Guardian": "Der Effekt ist elektrisierend. Die Soldaten kehren vor unseren Augen in ein unheimliches, hyperreales Leben zurück, wie Geister oder Gestalten, die in einer Seance zusammengerufen werden. Die Gesichter sind unvergesslich." 

Berühmte Klassiker über den 1. Weltkrieg - neu aufgelegt

Bisher haben die Zuschauer in aller Welt Dokumentar- und Spielfilme über den Ersten Weltkrieg in Schwarzweiß gesehen. Aus Anlass des 100. Jahrestages des Kriegsendes (Waffenstillstand von Compiègne am 11. November 1918) haben verschiedene Filmanbieter im November 2018 prächtig ausgestattete DVD-Editionen veröffentlicht. Sie erinnern an den Ersten Weltkrieg - und die Beschäftigung des Mediums Kinos mit dieser historischen Wegmarke. Wir stellen Ihnen drei filmische Meisterwerke vor.

"Westfront 1918" (1930)

Georg Wilhelm Pabsts "Westfront 1918" wird oft mit dem noch berühmteren "Im Westen Nichts Neues", der ungefähr zeitgleich in die Kinos kam, verglichen. Beides sind zweifellos Antikriegsfilme, doch Pabsts Film ist, zeitgenössischen und späteren Kritiken zufolge, der in dieser Hinsicht konsequentere Film. Der Regisseur erzählt in "Westfront 1918", einem der ersten deutschen Tonfilme, von den Erlebnissen vier deutscher Soldaten im letzten Kriegsjahr an der Front und schildert Episoden aus deren Heimaturlaub.

Filmstill: Westfront 1918
Das Sterben im Kriegslazarett in "Westfront 1918"Bild: picture-alliance/Everett Collection

Pabst bediente sich eines sehr realistischen Erzählstils in Ton und Bild. Im Gegensatz zu vielen damals populären Filmen, die den Krieg verherrlichten, zeigt "Westfront 1918" den Krieg in all seinen grausamen Facetten - Tod, Verwundung, Wahnsinn. "Der Kriegsfilm 'Westfront 1918' verweigert sich noch der heimlichsten Verklärung des Krieges zur Stätte menschlicher Bewährung", beurteilte der Filmhistoriker Enno Patalas Pabsts schonungsloses Werk.

1933 wurde der Film verboten. Die Nationalsozialisten hatten sehr genau erkannt, welchen filmischen Pazifismus der Regisseur einem Publikum damals anbot, das in eine ganz andere Richtung nationalen Denkens gelenkt werden sollte.

Filmszene Westfront 1918
Alte Filme wie "Westfront 1918" werden digital aufgerüstet und erscheinen auf DVD und Blu-rayBild: Stiftung Deutsche Kinemathek

"Kameradschaft" (1931)

Ein Jahr später drehte Pabst "Kameradschaft". Auch wenn die Handlung des Films nicht während des 1. Weltkriegs angesiedelt ist, so ist er doch ein Dokument der Nachkriegszeit. "Kameradschaft" erzählt von den fatalen Spätfolgen kriegerischer Auseinandersetzung, dem tiefen Misstrauen zwischen Franzosen und Deutschen nach 1918.

Zehn Jahre nach Ende des Kriegs kommt es in Frankreich nahe der deutschen Grenze zu einem verheerenden Grubenunglück. Die deutschen Kumpel entschließen sich zu einer selbstlosen Rettungsaktion. Viele Bergarbeiter werden daraufhin gerettet. Franzosen und Deutsche reichen sich die Hand.

Die Sprachbarriere wurde im Film realistisch übernommen

Das Besondere an "Kameradschaft": Der Film wurde in zwei Sprachen gedreht, die Deutschen reden Deutsch, die Franzosen Französisch. Auf eine Synchronisation der jeweils fremden Sprache wurde verzichtet, auch auf Untertitel: "Mehrere Szenen und Wendungen der Handlung leben gerade davon, dass durch das Fehlen einer gemeinsamen Sprache Missverständnisse entstehen", sagt Martin Koerber von der "Deutschen Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen", mitverantwortlich für die Restaurierung des Films. Auch heute noch wird beim Betrachten dieses Misstrauen nachvollziehbar - aber ebenso der Versuch, dieses Unverständnis zu überwinden. 

Filmset: Kameradschaft, 1931
Deutsch-französische Begegnung unter Tage: Szene aus Pabsts Film "Kameradschaft"Bild: picture-alliance/Glasshouse Images

"Kameradschaft" ist ein Film, der gerade heute im immer mehr von nationalen Interessen gelenkten Europa von großer Aktualität ist. Schließlich war die 1951 gegründete Montan-Union die Keimzelle der heutigen Europäischen Union. Die Montan-Union sollte die Kohle- und Stahlpolitik der beiden Nachbarländer harmonisieren. Georg Wilhelm Pabsts Film "Kameradschaft", eine Co-Produktion beider Länder, ist ein frühes filmisches Dokument dieser nationenübergreifenden Zusammenarbeit.

"Wege zum Ruhm" (1957)

Das, was "Kameradschaft" im Kern auszeichnete, traf ein Vierteljahrhundert später auch auf einen der berühmtesten Anti-Kriegsfilme der Kinogeschichte zu, das Thema der "emotionalen Solidarität über die nationalen Grenzen hinweg" (Bodo Traber/Hansjörg Edling: "Filmgenre: Kriegsfilm"). Stanley Kubricks "Wege zum Ruhm" ist vor allem aber ein Anti-Klassenfilm, der hart und schonungslos darüber berichtet, dass der Krieg auch ein Krieg verschiedener gesellschaftlicher Klassen ist - der einfachen Soldaten und der Offiziere.

Auch Kubrick stellte in seinem Film - wie Pabst - die Grabenkämpfe zwischen Deutschen und Franzosen in den Mittelpunkt der Handlung. Hier ist es allerdings ausschließlich die französische Seite, die ins Bild kommt.

Flash-Galerie Kirk Douglas Paths of Glory
Kirk Douglas spielte in "Wege zum Ruhm" eine seiner eindrucksvollsten Rollen Bild: AP

Der Befehl, eine deutsche Stellung zu erobern, ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Das wissen auch die französischen Offiziere. Doch wider besseren Wissens wird der verhängnisvolle Befehl ausgegeben. Die Soldaten sterben zu Hunderten. Anschließend setzt sich das mörderische Treiben auf Seiten der Franzosen auf eine irrsinnige Weise fort: Die militärische Führung strengt einen Prozess gegen die eigenen Soldaten an - wegen Befehlsverweigerung und "Feigheit vor dem Feind".

Kubricks Anti-Kriegsfilm wurde verboten und zensiert

Kubrick stellt das Kriegsgeschehen und seine grauenhaften Begleitumstände in aller Deutlichkeit dar. Das hatte Folgen. "Wege zum Ruhm" wurde in mehreren Ländern verboten und zensiert. In Frankreich kam er erst 1974 heraus, in Deutschland wurde er aus dem Programm der Berlinale gestrichen, bei der Schweizer Armee zensiert und das US-Militär verbot Aufführungen auf seinen europäischen Stützpunkten.

Die beiden frühen Tonfilme "Westfront 1918" und "Kameradschaft" von Georg Wilhelm Pabst sind kürzlich bei "atlas film" in aufwendigen Editionen herausgekommen, jeweils als DVD und Blu-ray mit umfangreichem Booklet. Stanley Kubricks "Wege zum Ruhm" erscheint am 16.11.2018 als Blu-ray beim Anbieter"FilmConfect Home Entertainment".