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Afghanistan ISAF

18. Juli 2011

Seit Montag ist John Allen der neue ISAF-Kommandeur in Afghanistan. Der Marineinfanterist gilt seit seiner Zeit im Irak als Mann für besonders schwierige Situationen.

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Der neue ISAF-Kommandeur John Allen (Foto: AP)
Bild: AP

Eigentlich gilt John R. Allen als Mann der leisen Töne. Der Absolvent von drei Masterstudiengängen, unter anderem an der renommierten Georgetown Universität von Washington, ist ein brillanter Analytiker und kluger Militärstratege, der zudem noch über besondere diplomatische Fähigkeiten verfügt. Am Montag (18.07.2011) übernahm er das Kommando von General David Petraeus, der an die Spitze des US-Geheimdienstes CIA rückt.

Bei Allens Vorstellung als künftiger Kommandeur der US- und ISAF Streitkräfte in Afghanistan empfahl ihn sein Oberbefehlshaber Barack Obama mit einer entsprechenden Lobeshymne: "Allen ist ein schlachterprobter Führer für den Kampf. Als stellvertretender Leiter des US-Zentralkommandos ist er in der Region respektiert und er hat sich intensiv mit der strategischen Planung für Afghanistan befasst."

Empfehlung durch Irakeinsatz

Was auch Obama nicht kaschieren konnte: Der ranghohe General verfügt über keinerlei Einsatzerfahrung am Hindukusch. Sein gutes Renommee rührt vielmehr aus seiner Zeit im Irak. Auf dem Posten des Kommandeurs in der Al-Anbar-Provinz gelang es ihm in den Jahren 2007 und 2008, die sunnitischen Kämpfer für ein gemeinsames Vorgehen gegen das in dieser Region des Irak besonders aktive Al-Kaida-Netzwerk zu gewinnen.

Diese strategische Allianz trug in hohem Maße zur Beruhigung des Irak bei. Dabei setzte Allen weniger auf militärische Stärke als auf diplomatisches Geschick. Allen im Jahr 2007 über seine damalige Strategie: "Bei der Aufstandsbekämpfung kommt man mit dem Töten nur bis zu einem bestimmten Punkt. Darüber sind wir hier schon seit langem hinaus." Allen reiste damals kreuz und quer durch die irakische Unruheprovinz und führte zahllose Gespräche. Mit den Scheichs der Region und mit einflussreichen Politikern in den Nachbarländern des Irak.

Militärische Aufstandsbekämpfung hat Grenzen

US-Soldaten reden vor Falludscha mit Irakern aus Bagdad (Foto: AP)
US-Soldaten und irakische Bürger an einer Straßensperre vor Falludscha 2006Bild: picture-alliance / dpa

Respekt vor den kulturellen Traditionen seines Einsatzgebiets zeichneten sein Auftreten dabei ebenso aus, wie ein sensibles Gespür für die Besonderheiten des Islam. Allen erinnert sich rückblickend an die Phase extremer Gewalt im Irak. "Was wir damals versucht haben, war, die arabische Bevölkerung vor Ort zum Handeln zu ermutigen. Sie sollten sich der Brutalität der Al-Kaida entgegenstellen."

Diese Erfahrung soll ihm jetzt zugute kommen, wenn es darum geht, die Übergangperiode bis zu einem vollständigen Rückzug der internationalen Truppen aus Afghanistan zu gestalten. General Allen soll mit den ISAF-Truppen vor allem den Osten und Süden des Landes sichern, während im Hintergrund in Verhandlungen mit den Taliban eine politische Lösung gefunden werden soll. Gelingt diese Doppelstrategie, könnten sich Allens Truppen künftig, statt auf Aufstandsbekämpfung, auf die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte und die Terrorbekämpfung durch Spezialeinheiten konzentrieren.

Unterstützung für Obamas Truppenabzugsplan

General John Allen sitzt in Uniform vor einem Tisch im US-Senat (Foto: AP)
John Allen bei der Anhörung im US-SenatBild: AP

Allen wird in Afghanistan zunächst noch den Befehl über 140.000 NATO- und US-Truppen übernehmen. Aber es handelt sich um ein schrumpfendes Kontingent. Denn neben den USA werden auch Deutschland, Großbritannien und andere Länder ihre ISAF-Truppen in den nächsten Monaten reduzieren. Während Allens Vorgänger Petraeus sanfte Kritik an den Abzugsplänen Obamas laut werden ließ und von einer "schwierigen" Situation sprach, hat der neue ISAF- Kommandeur den Plan des Präsidenten bisher unterstützt. Der Abzug von 30.000 Soldaten bis zum September nächsten Jahres werde die afghanische Führung davon überzeugen, dass sie die Zahl ihrer eigenen Sicherheitskräfte erhöhen müsse, so Allen während seiner Anhörung im US-Senat.

Für den Sicherheitsexperten Lawrence Korb am "Center for American Progress" wird die Schwierigkeit der Aufgabe Allens auch davon abhängen, "welche Truppen Afghanistan verlassen werden. Wird es Infanterie sein oder eher Spezialeinheiten? Bautrupps oder Kampftruppen? Das wird entscheidend für General Allen sein." Doch selbst wenn die 30.000 US-Soldaten Afghanistan verlassen haben werden, so Korb weiter, "werden dann immer noch mehr Truppen am Hindukusch sein als zum Zeitpunkt der Amtsübernahme Präsident Obamas".

Als Militär ist es Allen sicherlich gewohnt, innerhalb der durch Vorgesetzte geschaffenen Rahmenbedingungen zu arbeiten. Dass die Last des Einsatzes künftig auf deutlich weniger Schultern lasten wird, macht seine Aufgabe aber nicht unbedingt leichter.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Friederike Schulz/Ursula Kissel