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Der Bundesrechnungskommissar

Karin Jäger17. November 2014

Korruption, Verschwendung? Die Prüfer des Bundesrechnungshofes checken, ob die Bundesregierung die fast 300 Milliarden Euro Jahresetat sinnvoll ausgibt. Wir haben ihnen über die Schulter geschaut.

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Reportage Bundesrechnungshof
Bild: DW/Karin Jäger

Imposante Körpergröße. Dezenter dunkelblauer Anzug. Jugendlich positive Ausstrahlung. Ist die Gestik einstudiert?, mögen sich Sachbearbeiter, Abteilungsleiter, Staatssekretäre fragen, wenn Sascha Baum zum "Eröffnungsgespräch" im Ministerium, einer Behörde oder einer vom Staat geförderten Institution aufkreuzt. Nicht selten wird der ungebetene Gast mit Misstrauen und Argwohn begrüßt.

Baums detailgenaues Hemd und die unzähligen Pünktchen auf der Krawatte könnten Auskunft geben über das Anforderungsprofil seines Berufsstandes: Die Freude am Detail - das muss es sein, was die Finanzprüfer motiviert, die akribisch Staatsausgaben sezieren und Fehlausgaben zu registrieren haben: "Man braucht sehr viel Geduld, ehe man zu einem Ergebnis kommt", erzählt Sascha Baum vieldeutig, "weil man die Fakten nicht immer gleich präsentiert bekommt und sehr sorgfältig sein muss, mit dem Ziel, belastbare Aussagen zu treffen." Seine Aufgabe: Aktenordner, die alle gleich aussehen, wälzen. Kleingedruckte Zahlenkolonnen einscannen, kopieren, sortieren, kontrollieren, kombinieren, kalkulieren. Immer wieder aufs Neue. Und viele Gespräche führen.

Reportage Bundesrechnungshof
Bild: DW/Karin Jäger

Kein Kindheitstraum

In den Dienst des Bundesrechnungshofes (BRH) ist Baum "so reingerutscht". Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre und einem Verwaltungsreferendariat im Bundesland Nordrhein-Westfalen war er als Haushaltsbeschaffer im Polizeipräsidium tätig. Seit zwölf Jahren kontrolliert er die Einnahmen und Ausgaben der Bundesministerien - zunächst für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz, dann Verkehr und jetzt im Bereich Finanzen. "Man ist angehalten, in regelmäßigen Abständen in einen anderen Bereich zu wechseln", argumentiert der 47-Jährige. Das schütze vor Routine - und beugt wohl auch allzu großer Nähe mit Behördenvertretern vor.

Reportage Bundesrechnungshof
Bild: DW/Karin Jäger

Ein Kindheitstraum sei es nicht gewesen, Prüfer beim Bunderechnungshof zu sein. Am Anfang habe er sich sogar gefragt, was wohl auch die Mehrheit der Bürger fragen würde: "Was machen die da eigentlich beim Bundesrechnungshof?"

Keine Verpflegung, bitte

Bis auf den Cent korrekt sind Baum und seine Kollegen, wenn man versucht, ihnen Verpflegung anzubieten: "Einmal bekamen wir eine Riesenplatte mit belegten Brötchen aufgetischt. Das war ein unangenehmer Moment", erinnert sich Baum, der für seinen Job im Bundesrechnungshof auch Kurse in Psychologie belegt hat. Was in der Unternehmenswelt als Standard gilt - Gäste zu bewirten - ist für Revisoren tabu.

Bloß nicht in den Verdacht geraten, Interessen zu vermengen oder gar bestechlich zu sein ist eines der Gebote der Bundesbehörde, deren Vorgänger am 22. November 1714 von Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. als Generalrechenkammer gegründet wurde. Seither gibt es die externe, unabhängige, neutrale Finanzkontrolle, die alle Staatsrechnungen auf Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit prüft.

Wie das Sturmgewehr der Bundeswehr, dass sich als nicht treffsicher und daher untauglich entpuppt. 17 Brücken auf 18 Kilometern Bahntrasse. Geheime Dienstpost, die der Geheimdienst BND aber von einer externen Firma transportieren lässt.

Einmal pro Jahr gibt der Bundesrechnungshof die Ergebnisse peinlicher Fehlinvestitionen der Öffentlichkeit preis. Immer häufiger aber sind Prüfungsmitteilungen auf der Homepage der Behörde zu lesen, wenn die kritisierten Behörden sich uneinsichtig zeigen.

Das Prüfungs-Procedere

Ein richterlich unabhängiges, behördeninternes Kollegium legt fest, welche Aufgaben und Institutionen geprüft werden. Hin und wieder liefern auch die Medien Hinnweise auf Anzeichen von Misswirtschaft. Oder Bürger haben ihren Verdacht telefonisch oder per Mail der Behörde geäußert.

Reportage Bundesrechnungshof
Bild: DW/Karin Jäger

Zwei bis vier Wochen vorher kündigen Sascha Baum und ein Kollege ihren Besuch dem jeweiligen Ministerium an. Für das Eröffnungsgespräch gibt es klare Vorgaben: Man spricht sich über Ansprechpartner und die benötigten Unterlagen ab. In einem Zimmer, das extra für die Rechnungsprüfer bereitgestellt wird, stehen Rechner und Kopierer. "Bei meiner ersten Prüfung bei einer Bundesanstalt bestanden die Nachmittage aus Aktenkopieren. Der Kopierer funkionierte so langsam, dass ich Kopfschmerzen bekam." Damals sei er noch gutgläubig gewesen, habe nicht an die Möglichkeit gedacht, die Arbeit der Prüfer zu behindern. Heute durchschaut er die diversen Strategien der Behördenvertreter. In der Regel sei der Umgang aber professionell und routiniert. "Manchmal", sagt Baum, "freuen sich Einrichtungen auf unser Kommen." Wenn zum Beispiel sachkundige Mitarbeiter umsetzen müssen, was Politiker in Gesetzen verabschiedet haben, obwohl sie das für falsch halten."

Reportage Bundesrechnungshof
Bild: DW/Karin Jäger

Der Bundesrechnungshof ist eine nur dem Grundgesetz unterworfene Bundesbehörde, keine vierte Macht im Staat. Die "Bemerkungen", wie die Kritik in Amtsdeutsch heißt, haben keine juristischen Konsequenzen. Im besten Fall zeigen sich die geprüften Behörden einsichtig. Wenn nicht, landet der Prüfbericht zur Diskussion im Parlament. "Es ist nicht das Ziel, Behörden an den Pranger zu stellen, sondern wirksam wirtschaftliches Handeln in der Bundesverwaltung zu erreichen.“ Oft könnten durch frühzeitige Prüfungen gigantische Verschwendungen verhindert werden. Oder Ministerien bitten den BRH sogar um Rat, weil deren Mitarbeiter durch die Prüfungserkenntnisse Erfahrungen gesammelt haben. Bei Haushaltsberatungen sitzt der BRH sogar mit am Tisch.

Wie viele Millionen Euro er schon eingespart hat? Da habe er schon drüber nachgedacht, lacht Sascha Baum. "Ein zweistelliger Millionenbetrag ist öfters drin." Aber darüber führt er kein Buch.