1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

G20-Bilanz

28. Juni 2010

Die Treffen von G8 und G20 in Kanada hinterlassen zwiespältige Gefühle. Für Wachstum soll jetzt gespart werden, aber für die Armen geben die reichen Länder weniger. Ein Kommentar von Henrik Böhme.

https://p.dw.com/p/O4co
Bild: DW

Mit einer Milliarde Dollar kann man eine Menge anstellen: Beispielsweise 50 Millionen Menschen den Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglichen oder 800.000 Säuglinge vor dem Sterben bewahren. Man kann aber auch ein gigantisches Gipfeltreffen damit veranstalten. So geschehen am vergangenen Wochenende in Kanada, wo sich die Chefs der acht führenden Industrieländer und später die der zwanzig wichtigsten Wirtschaftnationen dieser Welt trafen. Gemessen am finanziellen Aufwand war das Ergebnis dürftig.

Finanzjongleure bändigen

Henrik Böhme (Foto: DW)
Henrik Böhme, Leiter der WirtschaftsredaktionBild: DW

Man kann es auch anders sehen: Gemessen daran, was bislang für die Rettung von Banken und ganzen Staaten ausgegeben wurde, ist eine Milliarde wenig. Dass die Welt eine neue Architektur ihrer Finanzmärkte braucht, steht außer Frage. Nur, wie die Politik diesen großen Umbau bewerkstelligen soll, da steckt der Teufel im Detail. Die Finanz-Lobby schickt ganze Heerscharen los, um sich gegen allzu enge Fesseln zu wehren.

Tatsächlich darf man den Banken nicht die Luft zum Atmen nehmen. Eine Volkswirtschaft kann ohne Geld nicht funktionieren. Nur sollten Banken wieder ihre ursprüngliche Rolle einnehmen: als Diener der Wirtschaft. Nicht als Zocker, die keine Grenzen mehr kennen. Und sie müssen auch in Konkurs gehen können, ohne das ganze Finanzsystem in den Abgrund zu reißen.

Der Streit, der keiner war

Der Plan für eine neue Finanzarchitektur liegt nun auf dem Tisch: Stolz präsentierte ihn US-Präsident Barack Obama in Toronto. Noch in dieser Woche soll der Kongress in Washington das Gesetz verabschieden. Die Europäer waren beeindruckt - und werden sich nun ihrerseits anstrengen müssen, ähnliches zu Stande zu bringen.

Im Vorfeld des Gipfel war viel Donnergrollen zu vernehmen: Amerika versus Deutschland - Konjunkturprogramme gegen Sparpolitik. Am Ende siegte die Vernunft. Die ehrgeizige Formel: Wachstum durch intelligentes Sparen. Eine solche Auseinandersetzung ist wichtig. Schließlich befindet man sich nach dieser Krise auf wirtschaftspolitischem Neuland. Keiner kann die ultimative Lösung haben, weil in jedem Land andere Bedingungen herrschen. Deshalb gibt es keinen Sieger und keine Verlierer in diesem Diskurs. Das ist die Überraschung von Toronto.

Die Armen nicht vergessen

Die Finanzkrise hat andere wichtige Themen von der Agenda gedrängt: Klimaschutz etwa oder die Bekämpfung von Armut und Hunger. Die reichen Länder räumen mittlerweile selbst ein, ihre Zusagen an die armen Länder nicht einzuhalten. Vielleicht fallen daher die neuen Versprechen - wie die hier in Toronto verkündete Initiative gegen Mütter- und Säuglingssterblichkeit - etwas bescheidener aus. Freilich wirkt es absolut ärmlich, wenn man sieht, mit wie viel Geld reiche Länder um sich schmeißen, um sich selbst über Wasser zu halten. Das ist die Enttäuschung von Toronto.

Dennoch müssen die G20 erst noch zueinander finden. Irgendwann wird diese Krise ausgestanden sein, die sie in der Not zusammengeführt hat. Die Ausgestaltung der Finanzmarktreform könnte diese Gruppe spalten. Anders als bei G8 haben nicht alle der G20 die gleichen Wertevorstellungen. Da stimmt es positiv, wenn China nicht nur im Vorfeld seine Währungspolitik lockert, sondern auf dem Gipfel für nachhaltiges Wachstum eintritt. Weil aber viele wichtige Entscheidungen für eine neue Weltfinanzordnung auf den kommenden Gipfel in Südkorea verschoben wurden, steht die eigentliche Nagelprobe für die G20 erst noch bevor. Denn die große Krise ist noch lange nicht ausgestanden. Erst Seoul wird zeigen, wie erfolgreich Toronto wirklich war.

Autor: Henrik Böhme, z. Zt. Toronto

Redaktion: Miodrag Soric