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Der Doppelpass kommt - Der Jubel fehlt

Stephanie Höppner28. März 2014

Bürokratiemonster für die einen, erster Schritt in die richtige Richtung für die anderen: Der neue Gesetzesentwurf für den Doppelpass wird besonders von den Deutsch-Türken kritisch gesehen.

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Symbolbild Doppelpass. (Foto:dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Lange wurde zwischen CDU und SPD um eine Lösung gerungen: Nun steht der neue Gesetzesentwurf für den Doppelpass. Die umstrittene Optionspflicht für Kinder ausländischer Eltern soll damit wegfallen. Bedingung ist jedoch, dass sie bis zu ihrem 21. Lebensjahr mindestens acht Jahre in Deutschland gewohnt oder sechs Jahre die Schule besucht haben. Bislang mussten sich die Kinder aus Zuwandererfamilien, die mit der Geburt einen deutschen und einen anderen Pass bekommen haben, bis zu ihrem 23. Geburtstag für eine Staatsangehörigkeit, also für eine Option, entscheiden.

Grund für Jubel scheint der neue Gesetzesentwurf dennoch nicht zu geben: Kritik kam nicht nur von der Opposition und den SPD-regierten Ländern, sondern auch von den hier lebenden Deutsch-Türken. Sie sind am stärksten von der Regelung betroffen: Denn während EU-Bürger und viele weitere Angehörige anderer Nationen problemlos neben dem Pass ihrer Heimat auch einen deutschen Pass bekommen konnten, galt dies bislang nicht für sie - obwohl Deutsch-Türken die größte Migrantengruppe stellen.

Viele Hürden und noch mehr Bürokratie

"Von politischer Seite ist das schon ein positiver Schritt, dennoch birgt die neue Einigung viele Hürden und stellt für junge Leute weiterhin ein Hindernis dar", kritisiert Gülay Kizilocak vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung an der Universität Duisburg-Essen gegenüber der DW. So bleibe nach wie vor unbeantwortet, welche Optionen zum Beispiel Schulabbrecher oder beschäftigungslose junge Leute haben. Denn als Beleg dafür, dass sie in Deutschland aufgewachsen sind, soll ein Schul- oder Ausbildungszeugnis vorgelegt werden. Geschieht dies nicht, recherchieren die Behörden bei den Melderegistern oder erfragen andere Nachweise.

Heftige Kritik hagelte es auch von Kenan Kolat, dem Bundesvorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland: Der umstrittene Optionszwang falle nicht weg, stattdessen entstehe neue Bürokratie. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland zeigte sich zwar grundsätzlich zufrieden. Dennoch sieht auch er Nachbesserungsbedarf: "Wir haben mit großem Bedauern (...) festgestellt, dass ein großer Teil der Migranten gar nicht erfasst wurde, wir reden ja von Jüngeren, und die Älteren sind nicht dabei", sagte der Vorsitzende Aiman Mazyak dem Radiosender RBB. Denn nur Kinder ausländischer Eltern, die seit 1990 in Deutschland geboren sind, bekommen die deutsche Staatsbürgerschaft - neben der ihrer Eltern. Ältere Geschwister bekommen weiterhin keine zwei Pässe, ebensowenig wie die Elterngeneration.

Deutschland Kenan Kolat, Türkische Gemeinde. (Foto: dpa)
Viel zu viel Bürokratie, sagt Kenan Kolat von der Türkischen GemeindeBild: picture-alliance/dpa

Der Pass: Endpunkt der Integration

Dennoch: Aus der Sicht der Zuwanderungsforscherin Claudia Diehl von der Universität Konstanz ist der Kompromiss - auch wenn es viele Unzufriedene gibt - erstmal gut. Denn es gehe zunächst darum, sich von der Vorstellung zu lösen, der Doppelpass sei eine "Gefahr" für das Zielland. "Dieser Gedanke, dass Deutschland ein diverses Land ist, ethnisch heterogen und wo die unterschiedlichen Gruppen zusammen leben, das ist ein Gedanke, der vielen Deutschen noch fremd ist."

Der Pass werde in Deutschland, anders als es in vielen anderen Ländern der Fall ist, als "Endpunkt der Integration" angesehen, sagt Diehl. Einwanderer sollen sich nicht nur auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungswesen beweisen, sondern sich auch wirklich als "Deutsche fühlen". "Da wird von deutscher Seite häufig die Einstellung vertreten: Zuerst die komplette Assimilation, dann gibt es zur Belohnung den Pass", so die Soziologin. Doch dann - so die Logik dieser Argumentation - gebe es auch keinen Grund mehr, den alten Pass zu behalten.

Deutsche und türkische Jugendliche. (Foto: dpa)
Nicht nur beim Sport: Viele Deutsch-Türken fühlen sich beiden Ländern verbundenBild: picture-alliance/dpa

Dabei wollten viele junge Einwanderer den zweiten Pass vor allem aus emotionalen Gründen - weil sie sich zum Beispiel mit der Türkei noch immer kulturell verbunden fühlen. Andere glauben, dass sie in in Deutschland noch immer nicht vollständig akzeptiert werden. "Deshalb ist es von den Türkisch-Stämmigen relativ viel verlangt zu sagen: Wir wollen jetzt, dass ihr eurem Heimatland symbolisch den Rücken kehrt."