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Petros Markaris im Porträt

Spiros Moskovou27. August 2013

Petros Markaris ist der Schöpfer der beliebten Romanfigur Kostas Charitos und einer der diesjährigen Träger der Goethe-Medaille. Er gilt als wichtiger Vermittler im deutsch-griechischen Verhältnis.

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Petros Markaris am Schreibtisch. Copyright: Ulrike Sommer (DW)
Petros Markaris am SchreibtischBild: Ulrike Sommer

Die Entscheidung, Deutsch zu lernen und Wirtschaft zu studieren, habe sein Vater für ihn getroffen, erzählte der renommierte griechische Krimiautor und Übersetzer Petros Markaris neulich im DW-TV-Interview. Der Schriftsteller wurde 1937 in Istanbul als Sohn eines armenischen Kaufmanns und einer Griechin geboren. Dem väterlichen Wunsch zufolge besuchte Markaris das österreichische Gymnasium der türkischen Metropole und studierte später Wirtschaftswissenschaften in Wien. Ein Ökonom wurde er allerdings nie.

Während des Studiums kristallisiert sich bei Markaris nämlich die Absicht heraus, Übersetzer zu werden, ein Brückenbauer zwischen den Kulturen mit den Mitteln der Sprache. Und das gelingt ihm im Gegensatz zur Business-Karriere dann auch: Markaris wird diese Woche in Weimar die Goethe-Medaille erhalten, als "Vermittler im griechisch-deutschen Verhältnis, der auch in Krisenzeiten seine kluge, analytische Sicht auf beide Länder beibehält".

Abschottung und Überwindung

Markaris ist dreisprachig aufgewachsen. In der Familie wurde Griechisch gesprochen, in der Schule Deutsch, in der Nachbarschaft Türkisch. Als Mitglied der griechischen Minderheit in Istanbul lernt er schon früh das Gefühl der Abschottung und gleichzeitig den Drang zur Grenzüberschreitung kennen. Auch andere international bekannte griechische Autoren, die mit ihrem Werk die Provinzialität der griechischen Gesellschaft zu überschreiten suchten, wurden außerhalb der Landesgrenzen geboren, etwa der Dichter Konstantinos Kavavis in Alexandria oder der Poet und Nobelpreisträger Giorgos Seferis in Izmir.

Blick vom Lykavittos Berg in Athen über die dicht besiedelte Stadt. Copyright: Sven Hoppe dpa
Die Straßenfluchten von Athen: Schauplatz der Kostas-Charitos-RomaneBild: picture-alliance/dpa

Als Markaris bewusst wird, dass Griechisch die Sprache seines literarischen Schaffens werden soll, siedelt er Mitte der sechziger Jahre nach Athen über, damals ein Provinznest im Vergleich zu Istanbul oder Wien. Er verdient sein Brot als Angestellter bei verschiedenen Firmen und macht sich zunächst einen Namen mit seinen kongenialen Übertragungen deutscher Theaterstücke. Er übersetzt eine Reihe von Autoren, von Frank Wedekind bis zu Bertolt Brecht und von Peter Weiss bis zu Thomas Bernhard.

Seine größte übersetzerische Leistung wird die kommentierte zweisprachige Ausgabe von Goethes "Faust", eine monumentale Arbeit, die neue Maßstäbe für die Übertragung literarischer Werke ins Griechische setzt. Gleichzeitig schreibt Markaris eigene Theaterstücke und wird als Drehbuchautor für das Fernsehen und als Co-Autor von Theo Angelopoulos bekannt. Allerdings löst Markaris sein literarisches Gelöbnis bis Ende der neunziger Jahre nicht ein. Er kann sein Talent zwar fremden Texten einflüstern, aber seine eigene schriftstellerische Stimme hat er noch nicht entwickelt.

Die Geburt von Kostas Charitos

Das gelingt ihm erst mit 58 Jahren. In einem autobiografischen Text hat Markaris die Entstehung des Kommissars Kostas Charitos ganz genau festgehalten: Eins Morgens ging er ins Büro, und plötzlich begann eine unscharfe Figur, seine Fantasie zu bevölkern. Die Erscheinung wiederholte sich jeden Morgen, einen ganzen Monat lang. Schließlich kam der Schriftsteller zum Schluss, dass die unbekannte Nervensäge nur zweierlei sein könnte: ein Zahnarzt oder ein Polizist.

Buchcover des ersten Kostas-Charitos-Romans. Copyright: Diogenes
Buchcover des ersten Kostas-Charitos-Romans

Dank dieses einfachen Gedankens wird aus der diffusen Figur einer der inzwischen bekanntesten Kommissare der europäischen Kriminalliteratur. Kostas Charitos, der griechische Maigret, wie ihn die Literaturkritik oft nennt, ist nicht intellektuell veranlagt, wie manche seiner berühmten Kollegen. Er ist den Lesern aber absolut sympathisch, ein bisschen kleinkariert und konservativ, aber auch ein bisschen aus dem Rahmen fallend, ein Neugrieche eben.

Für Markaris ist der heutige Kriminalroman mehr als nur ein Ratespiel, das sich auf die Tätersuche beschränkt. Er ist vielmehr die moderne Version des englischen und französischen Sozialromans des 19. Jahrhunderts und reflektiert die politische, wirtschaftliche und vor allem die gesellschaftliche Realität. Es ist kein Zufall, dass der Diogenes Verlag Markaris schon im Jahre 2000 entdeckte, als man in Zürich auf der Suche nach Krimiautoren mit Weltniveau war. Die Tendenz ging damals in Richtung spannender, aber auch anspruchsvoller Krimis.

Deutsch-griechische Missverständnisse

In seinen Büchern reflektiert Markaris liebevoll und gleichzeitig kritisch die Realität der griechischen Gesellschaft, die letztendlich zur letzten Krise führte. In seinen Geschichten wird Charitos mit einem undurchsichtigen Netz von dubiosen Interessen und Korruption, von Machenschaften und Geldgier konfrontiert. Er ist ein Polizist, der in einer unethischen Gesellschaft zum Ethiker wird. Und gleichzeitig wird Athen mit seinen charmanten Ecken und seinen hässlichen Vororten, mit seinen Sehenswürdigkeiten und seinen Widersprüchen zu einer der großen Bühnen der modernen Kriminalliteratur.

Der medienbewusste Markaris ist in den letzten Jahren ständig präsent, sowohl in griechischen als auch in deutschen Medien. Sein Dauerthema: die Krise, die Fehler der Vergangenheit, die Perspektiven der Zukunft. Unter anderem bedauert er das Zerwürfnis zwischen Deutschen und Griechen, die Krise einer alten Liebesbeziehung. Und kritisiert beide Seiten, wie zum Beispiel im DW-TV-Interview den griechischen Hang zu einer Mentalität der angeblichen ewigen "Unschuld", aber auch die deutsche Tendenz zur schnellen Bildung von Vorurteilen.

Proteste vor dem griechischen Parlament gegen den Sparkurs der Regierung. Copyright: REUTERS/Yannis Behrakis
Proteste vor dem griechischen ParlamentBild: Reuters

Heute lebt Petros Markaris in Athen, im krisengeschüttelten Stadtteil Kypseli, zusammen mit dem Kater seiner Tochter. Er heißt Tzan, was auf türkisch Seele bedeutet. Beseelt wird der Schriftsteller momentan von seiner nächsten Charitos-Geschichte. Er wird sie zwischen November und April niederschreiben, zwischen einer Lesereise in Deutschland und einem Krimiautorentreffen in Buenos Aires. Und auch diese Charitos-Geschichte wird sich im Griechenland der Krise abspielen.