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Kampf gegen Steuerhinterziehung

Jannis Papadimitriou25. Oktober 2012

Griechenland tut sich schwer im Kampf gegen Steuerhinterziehung. Die größten Steuerschuldner stehen mit insgesamt 13 Milliarden Euro in der Kreide - davon konnte der Staat bisher erst 19 Millionen eintreiben.

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Euro-Geldscheine fallen auf eine griechische Fahne (Foto: picture-alliance/dpa)
Symbolbild Griechenland Athen Schuldenkrise EuroBild: picture-alliance/dpa

Es wurde einiges geleistet in den vergangenen Jahren: Die Steuerverwaltung hat digital aufgerüstet, im Zeitraum von 2010 bis 2012 wurden Bußgelder in Höhe von über zwölf Milliarden verhängt. Dutzende Prominente und sogar ein ehemaliger Minister wurden wegen ihrer Steuerschulden oder wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet und ins Gefängnis gebracht - bis vor wenigen Jahren wäre dies alles noch unvorstellbar gewesen.

Doch mittlerweile müsse auch die Steuerfahndung gegen den Teufelskreis aus Schulden und Rezession kämpfen, meint der Steuerexperte und Berater des griechischen Handelsverbandes Antonis Mouzakis: Da Griechenland seit fünf Jahren ununterbrochen in einer tiefen Rezession stecke, würden auch die Steuereinnahmen deutlich geringer ausfallen. "Seit 2008 verzeichnen die meisten Firmen Umsatzrückgänge oder geraten sogar ins Minus. Schon allein deshalb können sie ihre angehäuften Steuerschulden nicht entrichten“, meint Mouzakis. Zudem sei die Steuerlast in den letzten Jahren gestiegen, vor allem für Kleinbetriebe. "Wer sich vor die Wahl gestellt sieht, Steuerschulden zu begleichen oder seine Familie zu ernähren, der entscheidet sich nur selten für die Steuerschulden“, erklärt er.

Antonis Mouzakis (Foto: DW)
Antonis Mouzakis: "Finanzämter sind schlecht strukturiert und unterbesetzt."Bild: DW

Zu wenige Steuerfahnder

Ein Blick in die Liste der größten Steuersünder scheint dies zu bestätigen: Zahlreiche Schuldner sind einst erfolgreiche Betriebe, die mittlerweile Insolvenz angemeldet haben. Offenbar ist bei ihnen nicht mehr viel zu holen. Doch andererseits kann die Rezession nicht als alleinige Erklärung für die stagnierenden Staatseinnahmen herhalten, denn auch vor der Krise lag vieles im Argen beim griechischen Steuerwesen. Mouzakis meint, die Gründe dafür seien vielfältig und reichen von Organisationsmängeln über veraltete Strukturen bis hin zur Unterbesetzung wichtiger Stellen in der Verwaltung.

"Seitdem über Pensionskürzungen im Rahmen einer künftigen Rentenreform spekuliert wird, gehen immer mehr erfahrene Finanzbeamten in den vorzeitigen Ruhestand, um ihre Rentenansprüche nicht zu gefährden“, sagt der Athener Steuerberater. Sie würden nur teilweise ersetzt - und wenn überhaupt, dann durch Jüngere, die nicht über die nötige Erfahrung verfügten. Über 100.000 verdächtige Auslandsüberweisungen gelte es zu prüfen, nebst unzähligen laufenden Steuer- und Strafverfahren. Doch dafür stünden im ganzen Land höchstens 1000 Kontrolleure zur Verfügung.

Listen der Schande

Derzeit kursieren mehrere Listen mit Namen oder Kontonummern von mutmaßlichen Steuersündern, sogenannte "Listen der Schande". Darunter eine Liste griechischer Kontoinhaber in der Schweiz, die der frühere Finanzminister Giorgos Papakonstantinou 2010 von seiner französischen Amtskollegin und heutigen Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, überreicht bekam. Eine weitere Liste nennt über 30 Politiker, die der ungerechtfertigten Bereicherung verdächtigt werden. Geführt werden auch die Bankdaten reicher Griechen, die ihre Milliarden krisenbedingt in Londoner Immobilien investiert haben.

Noch ist nicht klar, ob die Verdächtigungen gerechtfertigt sind. Doch Aufklärung wäre wichtig, damit die Bürger das Gefühl bekommen, der Staat würde es ernst meinen mit der Bekämpfung der Steuerhinterziehung, mahnt der Steuerexperte Antonis Mouzakis. Schließlich sei ein funktionierendes Steuersystem auch eine Sache des Selbstverständnisses: "In unserem Land sagen viele: Warum soll ich für den Staat zahlen? Aber der Staat - das sind doch wir“, empört sich Mouzakis.

Im Innenteil der griechischen Zeitung 'Ethnos' ist eine Liste der Steuersündner abgedruckt (Foto: picture-alliance/dpa)
Griechenlands "Listen der Schande", veröffentlicht in der Zeitung Ethnos im Januar 2012Bild: picture-alliance/dpa

Staatliche Leistungen könnten nur erbracht werden, wenn die Bürger Steuern zahlen. Andererseits sähen sich viele Menschen in einem Teufelskreis, gibt der Steuerexperte zu bedenken und nennt Beispiele: "Für eine Behandlung in einem staatlichen Krankenhaus musst du oft Schmiergeld zahlen. Wenn die Kinder einen guten Schulabschluss anstreben, musst du extra zahlen für Privatunterricht. So läuft das immer weiter und irgendwann denkt sich der ein oder andere: Wozu noch Steuern zahlen?“

Schmiergeld-App

Korruption sei ein Wegbereiter der Steuerhinterziehung, meint der Programmierer Makis Antypas und engagiert sich auf originelle Weise für Transparenz und Steuergerechtigkeit: Auf der Webseite www.teleiakaipavla.gr, die er zusammen mit anderen Freiwilligen betreut, darf jeder Grieche seine Erfahrungen zum Thema Bestechung und Korruption niederschreiben. Die Idee stammt vom angesehenen Informatikprofessor Diomidis Spinellis, der auch als Leiter der Steuerfahndung gearbeitet hat.

"Jeder kann sich anonym bei uns melden und seine Beschwerde loswerden, aber auch ein Beschuldigter bleibt anonym, wir wollen hier ja niemanden denunzieren“, erläutert Antypas. Erforderlich sei allerdings, dass man den Rechtsträger nennt, gegen den sich der Korruptionsverdacht richtet. "Wir wollen wissen: In diesem oder jenem Krankenhaus oder Amt wird Schmiergeld gezahlt, das letzten Endes zu Schwarzgeld wird“.

Makis Antypas (Foto: DW)
Makis Antypas fordert TransparenzBild: DW

Die Internetseite ist erst einen Monat alt und hat bereits über 70.000 individuelle Nutzer registriert. Nun arbeitet die Informatiker-Gruppe an innovativen Applikationen, die Korruptions- und Steuersündern das Leben schwerer machen sollen. "Was uns vorschwebt ist eine Applikation, die es jedem ermöglicht, vom eigenen Smartphone direkt einen Korruptionsfall zu melden“, sagt Antypas. Vor einem Behördentermin könne sich dann jeder Bürger über Smartphone darüber erkundigen, ob die Behörde irgendwann in einen Korruptionsfall verwickelt war. "Im nächsten Schritt wollen wir uns verstärkt dem Thema Steuerhinterziehung widmen“, erklärt der Athener Programmierer.

Angesichts knapper Kassen können die Steuerbehörden freilich nicht so lange warten. Nach griechischen Medienberichten will die Regierung angeblich sämtliche Finanzbeamte in leitenden Positionen entlassen und gegen neue austauschen, die - bei Verfehlung ihrer Einnahmeziele - ebenfalls entlassen würden.