1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der falsche Weg

30. Januar 2012

Die Reaktionen aus Griechenland sind klar: Wütende Ablehnung der deutschen Gedankenspiele, einen EU-Sparkommissar in Athen zu installieren. Eine solche Entmündigung Griechenlands führt nicht weiter, meint Bernd Riegert.

https://p.dw.com/p/13sif
--- 2011_12_28_kommentar_1024.psd

Viele Fachleute sind sich einig: Griechenland schrammt haarscharf an einem Konkurs vorbei. Sollten die Staaten der Euro-Zone und der Internationale Währungsfonds nicht noch mehr Geld zur Rettung Griechenlands aufwenden, ist das Land in Kürze zahlungsunfähig. Gleichzeitig stellen die Prüfer der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank fest, dass die wirtschaftliche Lage in Griechenland noch schauerlicher ist als angenommen und die Versprechen der Regierung nur schleppend umgesetzt werden. Ist es da nicht logisch, einen Spar-Kommissar der Euro-Zone einzusetzen, der den Griechen bei der Haushaltsführung auf die Finger schaut? Die Idee kommt aus Regierungskreisen in Berlin. Das verwundert nicht, denn Deutschland trägt das größte Risiko bei der Griechenland-Rettung. Die Kanzlerinnen-Partei CDU hat auf ihrem letzten Parteitag sogar die Einrichtung einer Haushaltsüberwachung für Griechenland gefordert.

Keine realistische Option

Mit dieser populistischen Maßnahme könnte man vielleicht die Wähler in Deutschland beruhigen. Aber der ernsthafte Versuch, eine Entmündigung des griechischen Parlaments zu betreiben, führt nicht weiter. Dafür gibt es drei Gründe. Erstens hat man für die Einsetzung eines Sparkommissars überhaupt keine rechtliche Grundlage. Griechenland müsste zustimmen und wahrscheinlich seine Verfassung ändern. Danach sieht es nicht aus, zumal griechische Zeitungen sehr überzogen vor deutscher Besatzung und "Gauleitern", also nationalsozialistischen Parteifunktionären, warnen. Zweitens wäre die Einsetzung eines Kontrolleurs mit Vetorecht das offizielle Eingeständnis, dass Griechenland pleite ist. Der Sparkommissar wäre ein Konkursverwalter, allerdings könnte er nicht wie der Konkursverwalter einer Firma deren Besitz verkaufen und Mitarbeiter entlassen.

Deutsche Welle Bernd Riegert Zentrale Programmredaktion, Querschnittsthemen. Foto DW/Per Henriksen 10.11.2011 DW1_7875
Bernd RiegertBild: DW

Griechenland kann man nicht auflösen und man kann die Griechen auch nicht aus ihrer Staatsbürgerschaft entlassen. Mit einer Haushaltsführung von außen würde die EU oder die Euro-Zone in Griechenland eine Verantwortung übernehmen, die sie nicht wirklich tragen kann und will. Drittens ist Griechenland immer noch eine Demokratie. Die Menschen dürfen in freier Selbstbestimmung ihr Parlament und ihre Regierung bestimmen. Der Entzug der Haushaltshoheit würde zu Recht als Besatzung empfunden.

Druck erhöhen

Die Überlegungen aus Berlin, die einer Zeitung gesteckt wurden, können deshalb nur ein Ziel haben: Der Druck auf das griechische Parlament soll verstärkt werden. Den Griechen, besonders den politischen Entscheidungsträgern sollen die "Folterwerkzeuge" gezeigt werden, um den Sparwillen zu stärken und Reformen zu beschleunigen.

Natürlich wissen alle Eingeweihten, dass Griechenland schon längst nicht mehr souverän über seine Ausgaben und Einnahmen bestimmt. Das Land hängt seit fast zwei Jahren am Tropf der Internationalen Gemeinschaft. Alle drei Monate prüft die Troika aus EU, IWF und EZB die Bücher und gibt drakonische Empfehlungen ab. Am Ende entscheiden die Finanzmärkte über Griechenlands Wohl und Wehe. Denn nur, wenn die Zinsen für langfristige Staatsanleihen irgendwann wieder sinken, kann Griechenland wirklich frei entscheiden, wie es sich finanzieren soll. Die Europäische Union hatte bereits den Rückzug des griechischen Ministerpräsidenten Papandreou erzwungen und die Wahl des parteineutralen Ex-Notenbankchefs Papademos durchgesetzt. Diese ohnehin eingeschränkte Souveränität durch einen Sparkommissar aufzuheben, ist der falsche Weg. Griechenland muss sich selbst helfen und die Griechen müssen das wollen. Wenn das nicht funktioniert, sollten die solventen Staaten der Euro-Zone nicht immer weiter Kreditzusagen in das Fass ohne Boden werfen. Dann sollte Griechenland die Währungsunion lieber verlassen und mit neuer Währung einen neuen Anfang wagen.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Marko Langer