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"Der gleiche Alexander Gerst wie vorher"

Walther, Clara11. November 2014

Johann-Dietrich Wörner (Vorsitzender des DLR) begleitete Alexander Gerst am Montag ein Stück auf seiner Heimreise, flog mit ihm von Prestwick nach Köln. Er nutzte die Zeit für ein erstes Gespräch - hier seine Eindrücke.

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Alexander Gerst Maxim Surayev ISS Landung Kasachstan
Bild: Reuters/Shamil Zhumatov

DW: Herr Wörner, wie haben sie den Ankunftstag von Alexander Gerst gestern erlebt?

Johann-Dietrich Wörner: Natürlich habe ich die Landung morgens Früh schon am Fernsehen bei NASA-TV verfolgt. Danach wurde Gerst mit einem Flugzeug nach Schottland gebracht. Dort hatte ich die Möglichkeit, ihn in Empfang zu nehmen und mit ihm gemeinsam nach Köln zu fliegen. Das heißt, ich hatte ausreichend Gelegenheit mich mit ihm zu unterhalten.

Wie war denn ihr erstes Aufeinandertreffen mit Alexander Gest nach seiner Zeit im All?

Es war faszinierend. Er ist sehr stabil aus dem Flugzeug ausgestiegen und auf mich zugekommen, das hat mich erstmal überrascht. Und er ist genau der Alexander Gerst, den ich kenne. Ein sehr offener, sehr positiver Mensch, der sich gleichzeitig aber auch über die verschiedenen Dinge seine Gedanken macht. Also es war sehr schön und ich bin sehr froh, dass wir ihn auch als Botschafter für die Raumfahrt haben.

Über was haben sie mit ihm gesprochen?

Also zuerst habe ich mit ihm über seine persönlichen Eindrücke gesprochen, wie es ihm geht, aber auch über seinen Gesundheitszustand, wie die Schwerkraft ihm jetzt zu schaffen macht. Und dann haben wir auch über verschiedene Experimente gesprochen, die er durchgeführt hat. Das werden wir in den nächsten Wochen bestimmt noch ausführlicher tun.

Johann-Dietrich Wörner, Vorsitzender des DLR
Johann-Dietrich Wörner, Vorsitzender des DLRBild: picture-alliance/dpa

Was waren denn seine persönlichen Eindrücke. Hat er erzählt, wie er das Landungsmanöver empfunden hat?

Das Landungsmanöver hat ja mehrere kritische Phasen. Das erste ist, die Sojus-Kapsel muss funktionieren, wenn sie abdockt von der Raumstation. Dann tritt sie in die Erdatmosphäre ein, dabei entstehen sehr hohe Temperaturen. Dann muss der Fallschirm aufgehen und am Ende der Reise müssen dann noch die entsprechenden Raketentriebwerke gestartet werden, um die letzten Meter abzubremsen.

Es gab ein paar Dinge, die für Alexander Gerst bei der ganzen Aktion spannend waren. Eine Sache, die er erzählt hat war, dass die Abbremskraft innerhalb der Kapsel während des Eintritts in die Erdatmosphäre sehr hoch ging. Und der zweite Punkt war, dass sie nach er Landung den Fallschirm nicht sofort ausklinken konnten und der Wind über der kasachischen Steppe die Kapsel erstmal herumgeschleift hat und dann noch ein Stück über die Steppe geschleppt hat. Also das waren doch Dinge, die ihn beeindruckt haben.

Aber er hat auch erzählt, welche Gefühle man beim Eintritt in die Erdatmosphäre hat, wenn man dann seitlich aus dem Fenster sieht und die Funken da sprühen. Das hat er sehr schön plastisch erzählt. Das ist mit Sicherheit ein sehr besonderes Erlebnis.

Von was für Gefühlen hat er denn berichtet. Sind da auch Ängste im Spiel?

Also er ist ein Mensch, der sehr bewusst die ganzen Dinge angeht. Das heißt nicht, dass er naiv ist oder sich im Gegenteil in Ängsten verfängt, sondern er macht das ganz bewusst. Er hat zum Beispiel erzählt, wie er bei seinem Ausstieg im All jeden einzelnen Handgriff durchgegangen ist und überlegt hat, wo muss ich aufpassen, was ist gefährlich. Und so hat er es auch beim Eintritt in die Erdatmosphäre gemacht. Wenn er sieht, wie außerhalb der Kapsel Teile verglühen, dann vergegenwärtigt er sich selbst, was in diesem Moment eigentlich genau passiert. Und in diesem Bewußtsein steckt keine Angst, aber da steckt schon ein Gespür dafür, dass das durchaus eine gefährliche Aktivität ist, der er nachgeht.

Spacewalker Alexander Gerst (ISS)
Alexander Gerst beim WeltraumspaziergangBild: picture-alliance/dpa/NASA TV

Würden sie sagen, sie haben beim Betrachten der Fernseh-Aufnahmen mehr Emotionen durchlebt, als Alexander Gerst in diesem Moment?

Auf jeden Fall hat er gelächelt, als ich ihm gesagt habe, dass ich große Sorgen um ihn gehabt habe. Ich fühlte mich halt und fühle mich immer noch für ihn verantwortlich, weil ich ihn die ganzen letzten fünf Jahre begleiten durfte, auf dem Weg von der Auswahl aus 8000 Bewerberinnen und Bewerbern, bis jetzt zu dem Flug.

Ich hatte Sorge, ja ich würde sogar sagen, ich hatte auch Angst, weil einfach zu viel schief gehen kann. Und das hat er mit einem Lächeln quittiert, als ich ihm das gestern (10.11.14) gesagt habe.

Alexander Gerst ist ja nun nach Köln in die medizinische Forschungsanlage Envihab gebracht worden. Welche Untersuchungen werden dort genau an ihm durchgeführt?

Das Envihab ist ja unser großes Labor für Untersuchungen an Menschen, egal ob das jetzt für Fluglärm ist oder wie in diesem Fall an Astronauten. An Alexander Gerst wird jetzt der Prozess der Eingewöhnung an die Schwerkraft untersucht.

Wenn wir normalerweise auf der Erde leben, dann steht unser Kopf ja meistens oben und die Beine sind unten, entsprechend verteilt sich das Blut. In der Schwerelosigkeit geht das Blut massiv in den Kopf. Und wenn wir zurück auf die Erde kommen, dann muss der Körper das erst wieder lernen. Hinzukommt, dass eine Reihe von Muskeln, die man auf der Erde braucht, in der Schwerelosigkeit überhaupt nicht gefragt sind. Selbst wenn man Training macht, fehlen einem gewisse Muskelstränge, die man zum Beispiel zur Stabilität des aufrechten Gangs braucht. Diese ganzen Sachen zu beobachten sind Teil der Untersuchungen - sie helfen uns zu verstehen wie der menschliche Körper funktioniert. Wir können so lernen, bei bestimmten Krankheiten oder Alterungsprozessen medizinisch zu helfen.

Alexander Gerst ist der erste Astronaut, der nach einem Aufenthalt im All in Deutschland untersucht wird. War das eigentlich von Anfang an klar?

Das war nicht klar. Wir haben insbesondere bei der NASA Überzeugungsarbeit leisten müssen. In der Vergangenheit sind alle westlichen Astronauten immer von Kasachstan direkt in die USA geflogen worden. Wir haben aber die NASA überzeugen können, dass wir mit dem Envihab eine so extrem gute Ausstattung haben, dass es einfach vernünftig ist, Alexander Gerst direkt nach Deutschland zu holen. Weil hier die Möglichkeiten zu einer bestmöglichen Untersuchung gegeben sind. Und deshalb sind wir auch so froh, dass die NASA das so mitgetragen hat und wir ihn mit der Zwischenlandung in Prestwick dann übernehmen durften. Das war nicht klar von Anfang an. Aber ich denke wir werden zeigen, dass das sehr vernünftig war.

Das envihab, Forschungslabor Deutsches Luft- und Raumfahrtzentrum DLR Köln
Das Envihab in KölnBild: picture alliance/R. Goldmann

Bei seiner letzten Pressekonferenz aus dem All hat Alexander Gerst die Presse wissen lassen, dass er sich nach seiner Rückkehr auf Pizza und Bier freut. Hat er sich diesen Wunsch bereits erfüllen können?

Also gestern musste er auf jeden Fall noch hungern. Das war Teil des Plans, damit dort nicht irgendwelche Wechselwirkungen mit dem Stoffwechsel passieren. Auch während des gesamten Fluges von Schottland nach Köln durfte er nichts essen und nur klares Wasser in kleinsten Mengen trinken. So sollen die nachfolgenden Untersuchungen zum Aufenthalt in der Schwerelosigkeit nicht negativ beeinträchtigt werden. Aber er hat auch gestern Abend hat er gesagt, dass er jetzt schon Hunger auf genau solche Dinge wie Pizza habe oder Durst auf ein schönes Bier. Das wird er dann auch sicherlich in den nächsten Tagen machen dürfen.

Jetzt wird er körperlich sehr stark durchgecheckt und in Sachen Ernährung genau angeleitet. Wird Alexander Gerst nach der Landung auch psychologisch betreut?

Astronauten sind wirklich Menschen, die auch besonders geeignet sind, Belastungen psychischer Art zu verkraften. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er gestern irgendeine Art von psychischer oder psychotherapeutischer Betreuung bedurfte. Seine Partnerin war auch mitgeflogen nach Prestwick, um ihn dort zu begrüßen. Also das sieht für mich als Außenstehender alles sehr stabil aus. Ich glaube nicht, dass er da eine besondere Betreuung braucht.

Was sind ihre Prognosen, wird Alexander Gerst noch einmal ins All fliegen?

Wenn wir die Gelegenheit bekommen, wäre es sehr zu begrüßen unter den Voraussetzungen, dass das von seinen körperlichen Voraussetzungen funktioniert und er das auch selber will. Weil er hat einfach einen tollen Job gemacht. Für die Wissenschaft, die Forschung und die breite Öffentlichkeit.

Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich Wörner wurde 1954 in Kassel geboren. Seit dem 01. März 2007 ist er Vorsitzender des Vorstandes des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Er kennt Alexander Gerst schon seit seiner Ausbildungszeit als Astronaut.