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Der indische Gesundheitsmarkt: Heilung für deutsche Firmen?

Priya Esselborn29. Juli 2005

Indiens Wirtschaft wächst mit Traumraten von durchschnittlich sieben Prozent pro Jahr, doch nur recht wenig deutsche Firmen dort vertreten. Dabei bietet das Land gute Chancen – zum Beispiel im Gesundheitswesen.

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Indisches Gesundheitswesen: Lepra-Krankenhaus in Neu DelhiBild: AP
Strassendoktor in Kalkutta
Das Krankenhaus des Straßendoktors Jack Preger auf einem LKW-Parkplatz in Kalkutta hat eine Plastikplane als Dach. Darunter sitzt eine Leprakranke, um die offenen Stellen an ihrem Fuß desinfizieren zu lassenBild: dpa

Im indischen Gesundheitsmarkt müssen deutsche Unternehmer nicht lange das Entwicklungspotential suchen. Denn die medizinische Versorgung in Indien, mit über einer Milliarde Menschen die größte Demokratie der Welt, ist mit der in Deutschland kaum vergleichbar. In Indien gibt es nur etwa 500.000 Ärzte - genau soviel wie in Deutschland mit seinen etwa 82 Millionen Einwohnern. Hinzu kommt das Stadt-Land-Gefälle: Während es in den Städten hervorragend ausgebildete und nach westlichen Standards ausgestattete Ärzte gibt, muss ein Arzt auf dem Land mit bescheidenen Mitteln Tausende von Menschen versorgen. Die Kranken können sich auch an öffentliche Krankenhäuser wenden: Dort ist die Behandlung zwar fast kostenlos, doch diese Hospitäler sind oft überfüllt und die hygienischen Bedingungen schlecht.

Dentaltechnik in der Zahnarztpraxis
Fehlt oft noch in Indien: moderne DentaltechnikBild: dpa

Holger Droste von Roche Diagnostics ist seit Jahren in Indien im Diabetes-Management tätig und beurteilt die Chancen für deutsche Unternehmen im Gesundheitsmarkt Indien als sehr gut: Deutsche Firmen könnten sich insbesondere überall dort beteiligen, wo es darum gehe, hochmoderne Technologien vor allem an privat im Gesundheitswesen tätige Firmen zu verkaufen. Sie könnten gerade dort Technologien anbieten, wo es in Indien aus lokaler Produktion noch keine vergleichbaren Alternativen gibt: zum Beispiel Geräte im Herz-Kreislauf-Bereich, Defibrillatoren oder moderne Dentaltechnik.

Gesundheit für den wirtschaftlichen Erfolg

In mehr als 50 Jahren nach der Unabhängigkeit hat sich Indien sehr verändert. Die Städte sind ins Unermessliche gewachsen, viele Menschen leben dicht gedrängt auf engem Raum, durch die schlechten hygienischen Bedingungen verbreiten sich Infektionskrankheiten rasend schnell. Die Lebenserwartung der Inder liegt bei nunmehr 62 Jahren, 1951 waren es noch 33 Jahre. Besonders in der Mittelschicht sind ähnlich wie in westlichen Staaten Fettleibigkeit und daraus resultierend Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen weit verbreitet. Aufstrebende Länder wie Indien müssten daher Gesundheit als Ressource anerkennen, sagt Gabriele Alex vom Südasien-Institut der Universität Heidelberg.

Menschen in Indien - Slum in Chennai
Eine Familie steht inmitten von Unrat vor ihrem Haus am Strand von Chennai, dem früheren MadrasBild: dpa

"Damit ist gemeint, dass ein Staat mit großen Teilen einer kranken Bevölkerung nicht gut operieren kann", erklärt Alex. Einerseits müsse sehr viel Geld aufgewandt werden, um diese kranken Leute zu versorgen und andererseits würden gerade über sie andere Krankheiten wie Tuberkulose weiter verbreitet. Oftmals erkrankten die Menschen an Aids, die die arbeitende Bevölkerung darstellten. "Das heißt, wenn Indien wirtschaftlich erfolgreich sein will, dann muß eine Grundversorgung an Gesundheit gesichert sein", folgert Gabriele Alex.

Enthusiasmus-Unterschiede in der Zusammenarbeit

Viel Entwicklungspotential für deutsche Unternehmen, die in Indien sehr beliebt sind: Die Inder schätzen, dass die Deutschen im Gegensatz zu anderen westlichen Ländern tatsächlich an einem Technologietransfer interessiert sind. Zudem produzieren international tätige Großkonzerne wie Siemens seit Jahren in Indien und schaffen damit neue Arbeitsplätze.

Deutsch-indische Handelskammer Jahrestreffen in Bad Godesberg
Deutsch-indische Handelskammer beim Jahrestreffen in Bonn-Bad GodesbergBild: DW

Dennoch kann es durch die kulturellen Unterschiede oft zu Problemen zwischen indischen und deutschen Geschäftsleuten kommen. Bei Fällen wie Vertragstreue, Lieferbedingungen oder Zahlungsverzug hilft die Deutsch-Indische-Handelskammer in Düsseldorf: "Das Grundproblem ist, dass indische Geschäftsleute immer unglaublich enthusiastisch sind", erklärt Geschäftsführer Dirk Matter. Deutsche gingen an neue Projekte aber eher sehr kritisch ran und würden sehr viele Dinge hinterfragen. Hier könne es natürlich zu Missverständnissen zwischen den Vertragspartnern kommen.

Indien und China im Vergleich

Die einstigen Rivalen Indien und China sind die am stärksten wachsenden Märkte, die bevölkerungsreichsten Länder der Welt und inzwischen mehr als nur Regionalmächte. Oft werden sie daher miteinander verglichen. Für ausländische Investoren erscheint Indien - im Vergleich zu China mit seinen zentralistischen Strukturen - oft unübersichtlicher. Dagegen sind dort die Einfuhrbestimmungen für bestimmte Produkte nicht so streng. Klare Vorteile für Indien sieht Holger Droste von Roche Diagnostics auch in der Sprache: "Sie haben in China eine ganz andere Sprachbarriere", findet er. In Indien dagegen sei Englisch in der mittleren Oberschicht eigentlich eine gängige Sprache.

Alternative Heilmethode Ayurveda
Alternative Heilmethode AyurvedaBild: DPA

China und Indien sind sich aber noch in einem weiterem Punkt ähnlich: Die Menschen in beiden Ländern setzen nicht nur auf die moderne Schulmedizin. In Indien zum Beispiel sind in einer Art dualem System auch die Homöopathie, Jahrhunderte alte Naturheilverfahren wie Ayurveda oder sogar die Künste von Weisen und Schamanen gefragt. Im Westen ist wenig darüber bekannt, doch die Faszination alternativer Heilmethoden ist unübersehbar.

Erfolg mit Ayurveda

Eine Marktlücke für Indien, das seit einigen Jahren nach Thailand und Singapur nun auch den Medizin- und Wellnesstourismus propagiert. Für Ayurvedakuren konnte sich der südindische Bundesstaat Kerala einen Namen machen, der durch eine geschickte Marketingstrategie Urlaub in reizvoller Umgebung mit einem Zugewinn an innerer Balance anpreist. Und schon etwas mehr als 100 000 Ausländer - die meisten von ihnen waren indischer Abstammung aus Großbritannien, Kanada, den USA oder Afrika - haben sich in Indien einer Operation unterzogen. Hält dieser Trend an, planen deutsche Krankenhäuer schon Kooperationen: in der Ausbildung von Krankenschwestern und im gegenseitigen Austausch von Ärzten.