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Der Kampf um Grönlands Bodenschätze

10. April 2021

Die Erderwärmung lässt Grönlands Eis schmelzen und legt unerschlossene Öl-, Gas- und Mineralvorkommen frei. Die jüngste Wahl zeigt ein gespaltenes Land auf der Suche nach der Balance zwischen Wirtschaft und Umweltschutz.

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Ein Fischtrawler in einem Fjord in Grönland
Viele Fischergemeinden in Grönland sind erleichtert, dass die Abbaupläne für Seltene Erden vorerst auf Eis gelegt sindBild: Roberto Coletti

Naasu Lund, Bäuerin in dritter Generation, begutachtet ihr Land. Die Stille wird nur von einem heftigen Wind und dem Blöken der grasenden Schafe unterbrochen. Ihr Hof in der Nähe der Stadt Narsaq im Süden Grönlands liegt nur sieben Kilometer von einer geplanten Mine für den Abbau von Uran und Seltener Erden entfernt.

Lund hatte sich Sorgen gemacht, dass die umliegende Natur und ihre Farm, auf der Urlaubsgäste Grönlands unberührte Landschaft genießen wollen, durch die Mine in Gefahr geraten könnten. Jetzt kann sie aufatmen. Das Abbauvorhaben wurde vorerst gestoppt.

"Wir sind Hüter dieses Landes und betrachten uns als Teil der Natur", sagt die Farmbesitzerin. "Wir haben jetzt die Möglichkeit, es so zu entwickeln, wie wir es für richtig halten."

Widerstand gegen die Mine brachte den Wahlerfolg

Um die geplante Kvanefjeld-Mine tobte der jüngste Wahlkampf in Grönland. Man könnte sagen, der Streit um die Mine stürzte die Siumut-Partei vom Regierungsthron. Sie war seit 1979, als das Land die Autonomie von Dänemark erlangte, fast ununterbrochen an der Macht und befürwortete das Bergbauprojekt.

Anhängerinnen der der Inuit-Ataqatigiit-Partei in Grönland schwenken kleine Flaggen
Mitglieder der Inuit-Ataqatigiit-Partei in Grönland feiern ihren Sieg nach den vorgezogenen Neuwahlen Bild: Emil Helms/Ritzau Scanpix/AP/picture alliance

Bei der jüngsten Wahl in Grönland hat die linke Umweltpartei Inuit Ataqatigiit (IA) die meisten Stimmen geholt. Sie hatte sich gegen den Abbau der Bodenschätze gestellt und bereits versprochen, das Projekt zu den Akten zu legen. Allerdings: Ob es tatsächlich so kommt, ist längst noch nicht klar. Denn alleine regieren kann die IA nicht, sie muss eine Koalition mit anderen Parteien bilden.

Die Kontroverse um das Bergwerk offenbart: Die Bevölkerung der Insel im Nordatlantik ist tief gespalten über die Abwägung zwischen wirtschaftlichen Gewinnmöglichkeiten und dem Schutz der unberührten arktischen Umwelt. Und die Debatte hat in den letzten Jahren an Schärfe zugenommen, denn die globale Erderwärmung lässt Grönlands Eisdecke schmelzen und legt reiche Vorkommen an Öl-, Gas und Mineralien frei, die auf internationales Interesse stoßen, insbesondere in China und den USA.

Bergbau verspricht Millionengewinne

"Seltene Erden sind für viele Länder interessant, aber China hat ein Monopol auf die Technologie und die notwendigen Fachkräfte für die Extraktionsprozesse", erläutert Jesper Willaing Zeuthen, außerordentlicher Professor an der Universität Aalborg in Dänemark und Experte für die Beziehungen zwischen der Arktis und China.

Das Kvanefjeld beherbergt eines der weltweit größten unerschlossenen Vorkommen an Seltenen Erden außerhalb Chinas. Siebzehn Elemente, darunter Scandium und Yttrium, sind dort tief unter der Erde vergraben. Sie werden für alles Mögliche benötigt, von Mobiltelefonen und Windturbinen bis zu Elektroautos. Befürworter des Bergbaus argumentieren, die Förderung der Seltenen Erden werde Grönland einen großen finanziellen Segen bringen.

Grönland: Kampf um Bodenschätze

Greenland Minerals Limited (GML), ein australisches Unternehmen, das die Kvanefjeld-Mine entwickelt, sagt voraus, dass das Land über die geplante Lebensdauer der Mine von 37 Jahren jährlich gut 200 Millionen Euro an Steuern und Lizenzgebühren erhalten würde. Der größte Anteilseigner von GML ist die Shenghe Resources Holding, ein chinesisches Unternehmen, das Seltene Erden verarbeitet und Verbindungen zur chinesischen Regierung hat.

Mit Seltenen Erden zu Grönlands Unabhängigkeit?

Bisher hängt Grönlands Wirtschaft größtenteils von der Fischerei, dem Tourismus und jährlichen Zahlungen in Höhe von 600 Millionen Dollar aus Dänemark ab. Eine Ausbeutung der Ressourcen könnte eine Möglichkeit sein, die Staatskasse aufzubessern und einen Weg zu echter Unabhängigkeit zu finden. Umfragen zeigen eine breite Befürwortung für die Abspaltung von Dänemark. In einer Befragung der Universität Kopenhagen gaben 2019 rund 67 Prozent der Erwachsenen an, sich in Zukunft ein unabhängiges Grönland zu wünschen.

"Es ist nicht sicher, dass das Projekt der Kvanefjeld-Mine tatsächlich niemals realisiert wird", sagt Mikaa Mered, Dozentin für arktische Angelegenheiten an der Wirtschaftshochschule HEC in Paris. "Wenn die Siumut-Partei in der Zukunft an die Macht zurückkehrt, könnte der Kampf um die Unabhängigkeit immer noch über die Uranminen geführt werden."

Eine Gruppe von Menschen protestiert mit Anti-Atomkraft-Plakaten gegen eine geplante Uranmine in Grönland
Das größte Unbehagen macht den Bewohnern von Narsaq der geplante Abbau der radioaktiven Substanz Uran Bild: Mariane Paviasen

Kvanefjelds Gegner argumentieren, die wirtschaftlichen Vorteile durch den Ressourcenabbau würden schöngerechnet, etwa das Argument, er würde Arbeitsplätze bringen. Denn auf der 56.000 Einwohner zählenden Insel fehle schlicht das Fachwissen über den Abbau und die Verarbeitung von Selten Erden. Außerdem, so argumentieren sie, werde die potentielle Bedrohung für das unberührte Ökosystem der Insel unterschätzt.

"Nach dem Abbau bleibt ein verschmutztes Land"

"In aller Regel verdienen die Einheimischen nicht so sehr an den Minen, wie anfangs versprochen. Stattdessen bleibt ihnen nach dem Abbau ein verschmutztes Land", sagt Mariane Paviasen, eine IA-Abgeordnete aus Narsaq, die sich seit 2013 gegen die Mine einsetzt und von ähnlichen Projekten auf der ganzen Welt berichtet.

Die überwiegend aus Inuit bestehende Bevölkerung von Narsaq befürchtet, dass beim Abbau Staub von Uran und anderen radioaktiven Nebenprodukten über die Landschaft geweht werden könnte. Einheimische und Umweltschützer, darunter Friends of the Earth Denmark, sorgen sich um die Verschmutzung von Boden, Wasser und Meereslebewesen durch Bergbauabfälle. Die Fischerei ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige der Stadt.

Kleine Häuser in einer hügeligen Landschaft am Rande eines eisigen Fjordes in Grönland
Die Bewohner des Dorfes Narsaq haben Sorge, dass die geplante Mine Wasser, Luft und Boden verseuchen könnteBild: Roberto Coletti

"Unser Leben hängt vom Meer ab", sagt Ole Jorgen Davidsen, Fischer und Mitglied der dänischen Fischervereinigung KNAPK. "Unser kulturelles Erbe, unsere Wirtschaft und sogar unsere Freizeit sind mit der Natur verbunden, in der wir leben. Der Fischfang ist die Lebensgrundlage für die meisten Familien hier."

Grönlands Suche nach der verlorenen Identität

Greenland Minerals Limited lehnt es ab, das aktuelle Wahlergebnis zu kommentieren - und was es für das Projekt bedeuten könnte. Vor der Wahl sagte das Unternehmen der DW, man habe robuste Sicherheits- und Umweltbewertungen durchgeführt. "Wir haben in allen Bereichen, die ein Risiko für die Umwelt darstellen könnten, internationale Experten hinzugezogen", so Jorn Skov Nielsen, Executive General Manager von GML.

Für Lill Rastad Bjorst, außerordentliche Professorin für Sozialwissenschaften an der Universität Aalborg, ist der Wahlerfolg der Inuit Ataqatigiit ein Zeichen dafür, wie wichtig die Umwelt für die Identität der Grönländer ist, und welche Spuren die dänische Kolonialisierung des Landes in den Inuit-Gemeinschaften hinterlassen hat. Etwa 88 Prozent der Bevölkerung der Insel sind Inuit oder Dänisch-Inuit.

Ein im Wasser treibender Eisberg
Die Erderwärmung legt Grönlands Bodenschätze frei und lässt international Begehrlichkeiten wachsen Bild: Roberto Coletti

Bjorst arbeitet seit 2013 mit der Narsaq-Gemeinde zusammen und berichtet, die Einheimischen fühlten sich als "Zuschauer eines Entwicklungsprojekts" - so wie früher. Die heute autonome Insel stand vom frühen 18. Jahrhundert bis 1979 unter direkter dänischer Herrschaft.

Ein "grüner Weg" soll in die Zukunft führen

Die IA-Partei will die Unabhängigkeit Grönlands erreichen, indem sie, laut eigener Aussage, die Wirtschaft des Landes vorantreiben und gleichzeitig auch die Lebensbedingungen mit "Respekt vor der Umwelt" verbessern will. Das könnte, so Mariane Paviansen von der IA, eine Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion im eigenen Land beinhalten. "Um unseren ökologischen Fußabdruck in Verbindung mit dem Transport zu reduzieren und nach alternativen Wegen zur Unabhängigkeit zu suchen", sagt sie. Derzeit ist das Grönland weitgehend auf Lebensmittelimporte angewiesen.

Dennoch zeigten lokale Medienumfragen vor der Wahl, dass zwar 63 Prozent der Befragten gegen das Kvanefjeld-Bergbauprojekt waren, aber nur 29 Prozent gegen den Bergbau im Allgemeinen. Und da Grönlands natürliche Ressourcen durch den Klimawandel immer leichter zugänglich werden und mehr internationales Interesse auf sich ziehen, werden die Grönländer weiterhin eine Balance zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Umweltschutz finden müssen.