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Der kleine Unterschied

Christina Bergmann15. November 2007

Im Jahr 2009 werden die USA möglicher Weise eine Präsidentin haben. In den Medien wird deswegen darüber diskutiert, ob für eine Frau im Wahlkampf die gleichen Regeln gelten wie für Männer. Die Antwort lautet: Nein.

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Bild: DW

Die Beweisführung ist umfangreich. Eine Auswahl:

Erstens: Die Kleidung

Präsidentschaftskandidaten tragen in der Regel Anzüge und fallen höchstens mit der Wahl ihrer Krawatten auf, wozu allerdings schon ein ausgesprochen schlechter Geschmack gehört. Im Zweifelsfall verhindern die Ehefrau und die Berater ein Desaster. Wollen die Herren sich leger geben, ziehen sie Jeans und kurzärmeliges Hemd an oder krempeln die Ärmel hoch. Auch hier ist nicht viel falsch zu machen.

Fernschreiber Christina Bergmann

Anders die Frauen: Ziehen sie sich bequem an, gelten sie als schlampig. Ziehen sie sich zu sexy an, gelten sie als ebenfalls als schlampig - wenn auch in einem anderen Sinn. Also heißt es für Frauen, die Präsidentin werden wollen: die Weiblichkeit vergessen und anziehen wie ein Mann. Mittel der Wahl: der Hosenanzug. Und wehe, die Bluse ist zu weit offen - Hillary Clinton durfte schon einmal erleben, welch ein Aufschrei durch die Presse geht, wenn sie ein winziges bisschen von ihrem Dekolleté zeigt.

Zweitens: weibliche Tugenden

Besonders trickreich. Zeigt eine Politikerin Gefühle, ist sie kompromissbereit und verständnisvoll, gilt sie als zu weich und daher unfähig für den Job. Handelt sie dagegen wie ein Mann, gilt sie als kompetent aber berechnend, zickig und kalt.

Gleichzeitig sympathisch und kompetent zu sein, ist für einen Politiker kein Problem. Für eine Präsidentschaftskandidatin ist es ein Ding der Unmöglichkeit. Hillary Clinton gilt als durchaus kompetent, aber berechnend und gefühllos. Versucht sie, ihre sympathische Seite durch inbrünstiges Lachen zu zeigen, wie unlängst an einem Wochenende in sämtlichen Sonntagstalkrunden, wird sie zum Spott der Kolumnisten und Late Night Shows.

Drittens: Das Kampfverhalten

Anders als bei den traditionellen Männerdebatten stellen sich im Wahlkampf plötzlich ganz neue Fragen, wenn eine Frau mit dabei ist: Wie hart darf sie angegangen werden, ohne dass es unfair aussieht? Dürfen sich gar mehrere Männer gegen eine einzelne Frau verbünden? Wieviel muss eine Frau einstecken können?

Nach der letzten Wahlkampfdebatte im Fernsehen fasste ein Gewerkschaftspräsident den Abend ironisch zusammen: "Sechs Männer gegen eine Frau. Das nenne ich einen fairen Kampf." Aus Hillary Clintons Lager waren auch erst Beschwerden zu hören über das "Zusammenrotten" ihrer männlichen Gegner. Doch dann wurden die Kommentare zurückhaltender: Schließlich soll es ja nicht so aussehen, als würde sie andere Regeln fordern, weil sie eine Frau ist und weniger einstecken können als ein Mann. Andere Beobachter sagen, die Männer seien im Verhältnis noch sehr zurückhaltend gewesen - eben, weil sie es mit einer Frau zu tun hatten.

Die Situation bleibt also schwierig - und zeigt vor allem eins: Dass eine Frau sich um das höchste Staatsamt der USA bewirbt, ist auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts alles andere als normal.