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Der Lügenausschuss

Marcel Fürstenau23. Dezember 2002

Jetzt ist es also amtlich: ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages wird sich auf die Suche nach der Wahrheit begeben.

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Damit auch jeder gleich versteht, worum es geht, wird das Gremium Wahlbetrugs-Untersuchungsausschuss genannt, manche sprechen auch von einem Lügen-Ausschuss. Mit diesem Wort kommt man der Wahrheit schon näher, denn in Wirklichkeit geht es ja um die Unwahrheit. Jedenfalls glauben die Antragstellerinnen CDU und CSU sowie die FDP, die Bundesregierung habe vor der Bundestagswahl im September gelogen, als es darum ging, der Bevölkerung und ihren Volksvertretern reinen Wein einzuschenken. Und zwar darüber, wie schlecht es um die Staatsfinanzen und die sozialen Sicherungssysteme steht.

Drucksache 15/125

Dem Untersuchungsausschuss werden Parlamentarier sämtlicher Fraktionen angehören: fünf von der SPD, vier von der Union, je einer von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP. Finden werden sie am Ende alle was anderes, weil sie ja auch alle was anderes suchen. Die Oppositions-Parteien CDU, CSU und FDP fahnden nach falschen oder unvollständigen Informationen, wie es sinngemäß in der Drucksache 15/125 heißt, die Grundlage des nunmehr eingerichteten Untersuchungs-Ausschusses war. Dieser Auftrag war den Regierungsparteien natürlich zu einseitig, weshalb sie ihm nicht zustimmten.

Weil aber gemäß Artikel 44 Grundgesetz ein U-Ausschuss eingesetzt werden muss, wenn ein Viertel der Mitglieder des Bundestages einen entsprechenden Antrag stellt, konnten SPD und Bündnis-Grüne das Vorhaben nicht verhindern. Im Gegenzug sorgten sie mit einem Erweiterungsantrag dafür, daß nun auch geprüft werden soll, ob der Umgang der Regierung mit Prognosen und Steuerschätzungen im Jahre 2002 von der Staatspraxis seit 1990 abwich. Auf gut deutsch: Die amtierende Regierung unter Kanzler Schröder will vom Untersuchungs-Ausschuss erfahren, ob sie sich in diesem Jahr genauso verhalten hat, wie die CDU/CSU/FDP-Regierung unter Kanzler Kohl seit 1990, dem Jahr der deutschen Wiedervereinigung.

Außer Spesen nichts gewesen?

Die gespannte Öffentlichkeit freut sich nun auf de mittlerweile 35. (in Worten: fünfunddreißigsten) Untersuchungs-Ausschusses in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dass jemals einer zu ernsten Konsequenzen geführt hätte, ist nicht überliefert. Auch ist leider nicht dokumentiert, wie oft in diesen Ausschüssen gelogen wurde. Oder freundlicher formuliert: nicht die ganze Wahrheit gesagt wurde. Kurzum: das Fazit auch dieses U-Ausschusses wird wohl lauten, außer Spesen nichts gewesen. Und den an diesem Spektakel Beteiligten bleibt am Ende noch weniger Zeit, sich um die wahren Probleme in diesem Deutschland zu kümmern.

Tröstlich mag da stimmen, daß einige Parlamentarier in freudiger Erwartung eines Untersuchungs-Ausschusses schon vor dessen Konstituierung zumindest rhetorisch zu Höchstform auflaufen. Beispielsweise der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Friedrich, der zum Thema 'Lügenausschuss‘ mit folgender Formulierung glänzte: "Die Behinderung der Aufklärung der Unwahrheit ist die Fortsetzung der Unwahrheit mit anderen Mitteln."