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Der Mensch und seine Würde

13. Juli 2013

Die Würde von Menschen wird oft mit Füßen getreten. Aber als Geschenk Gottes kann sie niemandem genommen werden. Jeder darf erhobenen Hauptes durchs Leben gehen, meint Heribert Arens von der katholischen Kirche.

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Image #: 8696986 (090901) -- BRASILIA, Sep. 1, 2009 (Xinhua) -- A man picks up the recyclable garbage at a garbage field in the outskirt of Brasilia, capital of Brazil, Aug. 27, 2009. Many poor people in Brasilia collect recyclable garbages to maintain their livelihood. Xinhua /Landov
Brasilien MüllBild: picture-alliance/landov

Sie gehörte zu den Menschen, die auf den Mülldeponien einer brasilianischen Großstadt leben. Ihr Name: Donna Elena. Ein übler Duft lag in der Luft, als ich sie dort sah. Die Menschen waren verschmutzt durch ihre unappetitliche Arbeit. Auch Donna Elena. Doch am Nachmittag sah ich sie in die Stadt gehen: elegant frisiert, sie trug ein schönes Kleid – ihr einziges Ausgehkleid -, sie hatte sich geschminkt und sie ging mit aufrechtem Gang.

Ich sah einen Menschen, der sich seiner Würde bewusst war. Auf dem Müll leben, das war entwürdigend, menschenunwürdig. Die Armut auf dem Müll hatte sie ihrer Würde beraubt in einer Gesellschaft, die ihr keine Chance gab. Aber sie hatte sich ihre Würde nicht nehmen lassen, sie war sich ihrer Würde bewusst.

Die Würde des Menschen – das ist in unserer Gesellschaft ein Thema, weil so viele ihrer Würde beraubt sind. Sie fühlen sich als Menschen zweiter Klasse:

Ausländer, Asylsuchende,
Arbeitssuchende, die auf Arbeitsämtern oft von oben herab behandelt werden,
Alte, die nichts mehr leisten können,
Behinderte, um die viele einen Bogen machen,
Frauen, die bei gleicher Arbeit geringeren Lohn bekommen,
Frauen, die gezwungen werden, ihren Körper zur „Benutzung“ freizugeben,
Kinder und Jugendliche, vor deren Missbrauch selbst Männer der Kirche nicht zurückschreckten.

Wer solches erlebt, ist in Gefahr, den Glauben an die eigene Würde zu verlieren, weil seine Umgebung seine Würde nicht respektiert.

In die Reihe dieser Menschen setzt sich Jesus. Die Bibel erzählt, wie er dasitzt, ein Tuch über dem Kopf, geschlagen und verspottet, dann nackt, seiner Kleider beraubt, und schließlich am Kreuz als Verbrecher verhöhnt und ermordet. Da zeigt sich Jesus solidarisch mit denen in unserer Gesellschaft, deren Würde man mit Füßen tritt, deren Würde man den Respekt versagt.

Ob er auch deshalb Mensch wurde, um an der Seite der Entwürdigten zu sein, der Armen, der Kleinen. Ich glaube: ja, er wollte ihnen dadurch sagen: Gott ist an Eurer Seite. Er respektiert Eure Würde, die andere mit Füßen treten.

Diesem in seiner Würde mit Füßen getretenen Jesus hat Gott in der Auferweckung seine Würde zurückgegeben und mit ihm dem Menschen: Gott steht zu dir, er gibt dir deine Würde. Nicht nur deine Seele hat Würde, auch dein Leib. Mit Leib und Seele hat Gott dich geschaffen nach seinem Bild. Du hast deine Würde von Gott. Die darf und die kann dir niemand rauben! Darum hat Gott seinen Sohn nicht in der Würdelosigkeit des schmählichen Todes gelassen und ihn auferweckt.

Diese Botschaft sagt mir:

Du kannst einem Menschen antun, soviel du willst, du kannst ihn bloßstellen, verachten, erniedrigen, demütigen: seine Würde kannst du ihm nicht rauben, die hat er von Gott und die bleibt ihm!

Die Taufe ist das Fest der Würde des Menschen. Sie gibt mir die Zusage: Du stehst in der Liebe Gottes, Gott hat dich in sein Herz geschlossen – darum hast du eine Würde, die dir keiner nehmen kann.

Jede Gesellschaft, so scheint es, hat Menschen, deren Würde sie nicht respektiert, denen darum aber auch die besondere Sorgfalt Gottes gilt und die er seiner Kirche in besonderer Weise ans Herz legt: Menschen am Rand, Übersehene, Missachtete, Gedemütigte.

Gerade auch diese Menschen hat Gott in sein Herz geschlossen. Jesus zeigt es uns: zu ihnen zieht es ihn besonders. Auch unserem neuen Papst Franziskus sind diese Menschen ans Herz gewachsen. „Vergiss die Armen nicht!“ Dieses Wort seines Nachbarn im Konklave hat ihn bewegt, den Namen „Franziskus“ zu wählen – des Heiligen, der die Armen und Ausgesetzten umarmte.

So will ich mich heute auffordern lassen:

Der Mensch hat seine Würde von Gott – Würde mit Leib und Seele. Respektiere seine Würde, begegne ihm mit Ehrfurcht und Hochachtung, missbrauche ihn nicht, degradiere ihn nicht zur Ware, zum Gegenstand von Missbrauch und Ausbeutung

Ich möchte aber auch alle, deren Würde in unserer Gesellschaft nicht respektiert wird, ermutigen: Geht erhobenen Hauptes durch die Welt – wie Donna Elena, die Frau auf dem Müll.

Zum Autor:

Titel: Pater Heribert Arens OFM, Geismar, Kloster Hülfensberg
Pater Heribert Arens OFMBild: Heribert Arens

Heribert Arens ist Franziskaner und lebt im Franziskanerkloster Vierzehnheiligen in Oberfranken. Er ist Autor und Herausgeber mehrerer Bücher, insbesondere zu Predigt und Spiritualität. Er ist Mitarbeiter bei der Zeitschrift "Der Prediger und Katechet" und Mitglied im Kuratorium für den "Deutschen Predigtpreis".